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Einladungswettbewerb | 04/2021

Erweiterung der Bucerius Law School in Hamburg-Neustadt

1. Preis

Preisgeld: 47.500 EUR

KRAUS SCHÖNBERG Architekten

Architektur

capattistaubach urbane landschaften

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

KONZEPTION / LEITIDEE

Städtebau:

Die L-förmig angeordneten historischen Gebäude der Bucerius Law School spannen einen Campus am Rande der Parkanlage Planten und Blomen auf, der einen imposanten Blick über die Schaugewächshäuser auf die ehemaligen Wallanlagen ermöglicht. Die Qualität des Ensembles liegt vor allem in seiner Einbettung in eine parkähnliche Landschaft, in welche die Gebäude versunken zu sein scheinen. Dementsprechend reiht sich die Bucerius Law School in die Perlenkette der öffentlichen Gebäude der Wallanlagen um den Stadtkern herum ein. Die Eingangssituation ist wegen der Lage an zwei stark befahrenen Straßen derzeit leider nicht zufriedenstellend. Statt eines Einganges an der Straßenfassade betritt man die Gebäude erst nachdem man sie umrundet hat vom Campus her.

Der Entwurf versucht, das Ensemble an seinen beiden Enden so zu fassen, dass dort Eingangssituationen entstehen, die jeden Besucher nach seinen Bedürfnissen empfängt und so den Campus wie ein Amphitheater umgreift.

Das nördliche Gebäude 1 im Anschluss an die Bibliothek und die Schaugewächshäuser legt dabei den Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Studenten und die Mitarbeiter der Botaniknutzung.
Das südliche Gebäude 2 wird als repräsentativer Auftakt des Campus von der Stadt her ausgebildet.
Ansprechpartner sind hier stärker die Öffentlichkeit, sowie Verwaltung und Lehrende.
Leitidee in beiden Gebäuden ist eine starke Transparenz, welche die Kommunikation zwischen allen Beteiligten fordert und fördert.

Gestaltung:

Die Bestandsgebäude zeichnen sich durch die Betonung einzelner Baukörper und regelmäßige hohe Lochfassaden aus, die durch die Betonung der vertikalen Stützen an barocke Gewächshäuser erinnern. Durch die verstärkte Orientierung der beiden neuen Gebäude zum Campus hin wird dieser noch stärker zum Zentrum und geistigen Raum der zukünftigen Universität. Die Neubauten auf den Erweiterungsflächen im Nord-Osten und Süd-Westen des Bestandes geben dem Campus in diesen Richtungen eine Fassung und ein Tor, ohne ihn von der umgebenden Natur abzuschließen. Über Abtreppungen der Volumina und Außenterrassen fügen sich die Gebäude vor allem aus der Blickrichtung vom Wallgraben her wie die terrassierten Gewächshäuser in die Landschaft ein.

Raumprogramm:

Um die Erschließung der BLS wie selbstverständlich auch für ortsfremde Besucher erlebbar zu machen, drehen sich die Flügel der Neubauten an beiden Enden einladend von den Straßen weg, um den Besucher über die Gebäude in den Campus zu leiten. In beiden Gebäuden kreuzen die internen Erschließungen den Weg durch die Universität.
In Gebäude 1 weist ein terrassierter Bewegungsraum zwischen den Schaugewächshäusern und den Funktionen den Weg in Aula-, Seminar-, Übungsräume und Büros. Je nach Jahreszeit kann jede Nutzung im Außenbereich erweitert werden. Über den transparenten Begegnungsraum werden alle Räume von Norden und Süden natürlich belichtet.
Die nötigen Räume für die Botaniknutzung sind dadurch ebenfalls perfekt belichtet. Sie können direkt von den Gewächshäusern mit eigener Treppenanlage erschlossen werden.
In Gebäude 2 erhöht ein zentrales Atriumtreppenhaus die Interaktion zwischen den Nutzern. Plenarsaal, Auditorium und Seminarräume teilen sich ebenso wie Büros, Fokus- und Übungsräume angrenzende Foyers, Loungebereiche, Terrassen und Teeküchen, sodass spontane Interaktionen in verschiedensten Bereichen möglich sind.
Alle Räume gruppieren sich um diesen zentralen Eingangsbereich und werden jeweils von einer eigenen Terrasse großzügig belichtet und belüftet. Der Grad der Öffentlichkeit nimmt mit der Distanz zum zentralen Foyer schrittweise ab. In der dem Park zugewandten Gebäudehälfte schließt sich die KiTa an, die ebenfalls räumlich so gestaltet ist, dass die Kinder untereinander interagieren können. Der Zugang befindet sich getrennt von der Universität südlich dem Campus teilweise abgewandt.

Funktionszusammenhänge und Zwischenraum:

Der Entwurf ist stark vom Gedanken der Kommunikation geprägt.
Innerhalb von zukünftig vier geordneten Systemen, der verschiedenen konstruktiven Raster des Bestandes, dem Seminar- und Übungsbereich, der Verwaltung und der Bibliothek, werden die unterschiedlichen Funktionen der BLS dialogorientiert in Zusammenhang gebracht. Ausgehend von den zentralen Foyers überlappen oder berühren sich die Bibliothek, grossse und kleine Hörsäle, Seminarräume, der Aussenraum des Campus über die Mensa bis hin zu den Räumen im Bestandsgebäude und spannen so einen vielschichtigen Raum auf.
Eine übergeordnete Orientierung ist gegeben, die enstehenden Zwischenräume bieten jedoch eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich den Raum anzueignen und nach eigenen Vorlieben zu nutzen. Auch zum sich verlieren lädt der Raum ein. Es entsteht ein ‚geistige Raum’. Auch auf der Mikro-Ebene, innerhalb der einzelnen Funktionen, findet diese Durchdringung von Raum in doppelgeschossigen Bereichen statt. Eine Verzahnung von Studenten, Lehre und Forschung wird so räumlich programmatisch unterstützt.

Außenraum:

Das landschaftliche Konzept der Bucerius Law School an Planten un Blomen unterstreicht die städtebauliche Konfiguration und spielt mit der Gegensätzlichkeit von statischer Architektur und einer freien, natürlichen Parklandschaft.
Das Gebiet unterscheidet sich dabei in vier Teilbereiche.
Der Bereich zwischen Gewächshäusern und Gebäude 1 wird meist von Botanikern benötigt. Besonders an heißen Sommertagen wird die leichte Verschattung dort auch von Studenten genutzt werden. Zur Belieferung der Gewächshäuser, aber auch der Mensa wird dort ein befahrbarer Natursteinbelag geplant, der auch für Bestuhlungen im Bereich der Mensa genutzt werden kann.
Der Bereich zwischen Audimax und KiTa wird für die Kinder eingezäunt. Hier werden Spielmöglichkeiten, aber auch Bewegungsflächen und kleine Buchten zum Verweilen angeboten.
Der Campus besticht durch seinen dichten Baumbestand im Süden zu den Wallanlagen und offener Rasenfläche im Zentrum.
Die großen Bäume im Süden werden erhalten, um eine imposante Eingangssituation zur Stadt hin zu zelebrieren und die Südseite des Gebäudes aus Gründen des sommerlichen Wärmeschutzes natürlich zu verschatten. Die großen Bäume bilden einen natürlichen Auftakt in das Gebäude mit hölzerner Stabwerkskonstruktion im Inneren.
Direkte Wege, die das Grün streng durchkreuzen, verbinden derzeit die Zugänge mit den verschiedenen Treppenhäusern. Diese Wege sollen künftig in wassergebundener Wegedecke mäandernd ausgeführt werden und umringen peripher an vereinzelten Stellen Inseln, auf denen sich Sitzgelegenheiten und kleinere Angebote wie Tischtennis oder Bouleplätze bieten. Im Zentrum des Campus muss eine zusammenhängende offene Rasenfläche bestehen bleiben, auf welcher größere Veranstaltungen stattfinden können.

Materialität:

Die Transparenz der Bestandsgebäude sowohl der Gewächshäuser als auch der Universität ist prägend für den Campus und soll als Leitidee für die neuen Gebäude Anwendung finden, um auch die Offenheit und Verantwortung der Bucerius Law School gegenüber der Gesellschaft zu unterstreichen.
Die Materialität der Neubauten soll dazu anregen, den Bau in Besitz zu nehmen und sich Freiräume zu schaffen. Daher werden die Erweiterungen in vorgefertigter Kreuzlagenholzbauweise in Kombination mit Massivholzstützen und nicht brennbaren Rettungswegen in Beton konstruiert. Alle Oberflächen sind in ihrer Materialität stets wahrnehmbar und tragen so zu dem natürlichen Empfinden des Gebäudes bei.
Die massiven Holzwände und –decken können genutzt und bearbeitet werden und altern dabei sehr gut. Vorgehängte gedämmte Fassadenpaneele aus Glas und Stahl sorgen für den nötigen Wetterschutz und die Dauerhaftigkeit der Gebäude.

Nachhaltigkeit:

Durch die Kombination aus einfachem intelligentem Tragwerk, leichter ökologischer Kreuzlagenholz- Konstruktion, einem hohen Vorfertigungsgrad, einer maximalen Flexibilität der Nutzung und der optimalen Einbindung in die Universitätsabläufe wird der Erweiterungsbau von wahrer Nachhaltigkeit sein. Vor allem die sichtbare Vollholzkonstruktion in einer Kombination aus Kreuzlagenholztafeln und verleimten Vollholzstützen gewährleistet ein ganzjährig positives Raumklima und durch seine statische Vielseitigkeit eine dauerhaft ökologische Konstruktion.
Die verschiedenen Möglichkeiten der Umnutzung werden die Akzeptanz des Gebäudes zusätzlich unterstützen. Die vielfältigen Situationen animieren Studenten wie Professoren und Gäste zu experimentellem Lernen und Kommunizieren. Die Systematik, welche die Konstruktion zu einem Ganzen zusammenfügt, soll Hilfestellung zum freien Arbeiten bieten, die Freiräume, welche das Tragwerk lässt, gilt es mit Leben und Kreativität auszufüllen.

Energetisches Konzept:

Die gewählte Massivholzkonstruktion bietet eine hinsichtlich der CO² - Bilanz und der eingesetzten Primärenergie äußerst effektive Möglichkeit der geplanten Gebäudeergänzung.
Zur Minimierung des Heinzenergiebedarfs können die ohnehin bereits guten Dämmwerte der Fassadenelemente mittels vergleichbar geringen zusätzlichen Dämmstoffstärken bis hin zum Passivhausstandard ertüchtigt werden. Der sommerliche Wärmeschutz wird zusätzlich zu der baulichen Verschattung über die Terrassierung noch über punktuelle außenliegende Verschattungen gewährleistet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Aufgabe mit den beiden neuen Bausteinen den vorhandenen Campus zu komplettieren und für die Bucerius Law School neue, öffentlich wirksame Adressen zu formulieren, gelingt der hier vorgestellten Arbeit auf beeindruckende Weise. Sowohl am Baufeld 1 als auch am Baufeld 2 entstehen über die sehr differenziert ausgearbeiteten Baukörper nicht nur adäquate Adressen zu den jeweiligen Häusern. Darüber hinaus gelingt es über die räumliche Ausgestaltung der Foyerbereiche den öffentlichen Stadtraum und den Parkraum zu verbinden und somit klare Adressen für den gesamten Campusbereich zu entwickeln.

Durch eine geschickte Staffelung des Baukörpers im Baufeld 1 entsteht eine eigenständige Bauplastik, die diese spezielle Situation zwischen Marseiller Promenade und den Tropengewächshäusern des Botanischen Gartens reflektiert. Diese entwickelt ihre Sinnfälligkeit nicht nur über das stadträumlich nachvollziehbare Zurückweichen gegenüber den Gewächshäusern, sondern auch über eine geschickte Organisation im Inneren. Die gestaffelte Kubatur wird zum Anlass genommen, im Inneren interessante Lern- und Arbeitsbereiche zu entwickeln.

Im Baufeld 2 wird über die gewählte Kubatur nicht nur eine eindeutige Eingangsgeste gegenüber der Stadt entwickelt. Es entsteht auch in den Park hinein eine Adresse und ein geschicktes Zusammenspiel mit dem vorhandenen Hörsaalpavillon. Der zur Stadt hin organisierte Plenarsaal im 1.Obergeschoss wird zum weithin sichtbaren Zeichen und trägt überzeugend vor allem in den Abendstunden zu dem architektonischen Auftritt dieses öffentlichen Gebäudes bei.

Die farblich differenzierten Fassaden unterstützen die Eigenständigkeit der beiden aus ihrem jeweiligen Ort entwickelten Baukörper. So bildet die beinahe entmaterialisierte Farbigkeit des Baufelds 1 einen adäquaten Rahmen zu den denkmalgeschützten Schaugewächshäusern . Die dunkle Farbigkeit des Baukörpers am Baufeld 2 entwickelt seine überzeugende Ausdruckskraft aus dem Zusammenspiel mit dem Baumhain am Wallgraben, wirkt aber noch zu wuchtig und ist weiter zu differenzieren. Die geringe Höhe des Erdgeschosses schmälert die Qualität des Auftritts zur Stadt hin.

Das Volumen am Baufeld 2 ist noch etwas zu dicht an den historischen Altbau heranrückt und das Bauvolumen insgesamt noch zu groß. Auch im Bereich der Schaugewächshäuser besteht ebenfalls ein gewisser Überarbeitungsbedarf.

Insgesamt leistet diese Arbeit einen überzeugenden Beitrag. Die Stärke dieses Vorschlags liegt vor allem in der präzisen Baukörpersetzung und der folgerichtigen Adressbildung und Wegeführung auf dem Campusgelände.

Anmerkungen Botaniknutzung:
Der Entwurf reagiert unzureichend auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Botaniknutzung. Die Funktionalität der Lagerflächen im Untergeschoss ist nicht gegeben. Die Wirkung des Anzuchtgewächshauses als Wintergarten verfehlt leider gänzlich die Funktion als Produktionsgewächshaus. Lage und Orientierung im Baufeld 1 sorgen nicht für den erforderlichen Lichteinfall sowie notwendige Lichtdurchlässigkeit und gewährleisten keine unterschiedlichen Wärmebereiche für einen Kultivierungserfolg. Das Verhältnis von Produktionsfläche und Luftraumvolumen ist nicht sichergestellt. Die geforderte Fläche wird im Entwurf unterschritten.

Der Betriebshof wurde sehr stark reduziert und muss dringend hinsichtlich seiner Funktionalität überarbeitet werden. Die Außenfläche ist als Lagerfläche nicht nutzbar. Zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit der Schaugewächshäuser müssen die Logistik und der Betriebshof sichergestellt bleiben.
Lageplan

Lageplan