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Offener einphasiger freiraumplanerischer Realisierungswettbewerbs gem. RPW 2013 | 06/2021

Neugestaltung Altstädter Markt in Rendsburg

Freiraumplanerischer Entwurf

Freiraumplanerischer Entwurf

Anerkennung

KFP Kontor Freiraumplanung Thomas Tradowsky

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Stadträumliche Situation und Zielsetzung

Der erste und nachhaltig auf uns wirkende Eindruck war und ist: Rendsburg ist mit seiner schönen Altstadt, uns überraschend, ein lohnendes Ziel. Für Großstadtbewohner - zumindest im Norden - wird hier eine latente Altstadtsehnsucht mehr als befriedigt. Man schlendert gerne durch die schmalen Gassen und gekrümmten Sträßchen, die immer wieder schöne Blicke auf historische Fassaden geben. Diese stimmungsvolle Atmosphäre trägt auch den Altstädter Markt.

„Ein Platz ist nur so gut wie seine Ränder“, heißt es - und die Ränder des Altstädter Marktes sind gut. Der Platz leidet lediglich an drei Punkten und dort wollen wir ansetzen:
1) Dieser in der langen Historie immer sehr lebendige Platz bietet heute zu wenige Angebote aus den Bereichen Gastronomie, Events und Einzelhandel.
2) Mangelnde Barrierefreiheit: Ausgerechnet das diesen Ort prägende Katzenkopfpflaster schränkt die allgemeine Zugänglichkeit durch seine unebene Oberfläche erheblich ein. Zudem ist die Gefällesituation auf dem Platz nicht barrierefrei. Die meisten Geschäfte und auch der Gasthof sind nicht barrierefrei zugänglich.
3) Unruhige Platzoberfläche: Zu viele unterschiedliche Materialien und Linien schwächen den harmonischen Gesamteindruck des Platzes und seiner Umgebung.

Zu 1:
Das alte Rathaus birgt im EG eine interessante Flächenressource, die Raum für ein kleines Rathaus Café bieten könnte. An Stelle der Touristen-Information könnte dieses Café die sonnenbeschienene, erweiterte Terrasse und Teile des östlichen Platzes am gut frequentierten Rathausdurchgang bespielen. Aufenthaltsqualitäten - für Einheimische und Touristen - sollen hier gefördert werden. Die Terrasse ist über die Mühlenstraße barrierefrei erreichbar. Die Türschwelle wird auf 3 Zentimeter abgeschrägt und im Flur eine kleine innenliegende Schräge eingearbeitet. Der Innenraum dürfte aus den alten Fenstern einen guten Blick auf den Platz bieten und daher auch bei kälterem Wetter gut besucht sein. Bei standesamtlichen Trauungen wird es hier den ersten Champagner mit dem Brautpaar geben. Die Touristen-Information wird vielleicht im Alloheim Platz finden und das dort geplante Einzelhandelsangebot ergänzen.

Zu 2:
Das vorhandene Katzenkopfpflaster wird gespalten/gesägt und hydraulisch gebunden neu verlegt. So haben wir es auf dem Münsterplatz St. Stephan in Breisach gesehen. Dort entstand aus großen Flusskieseln eine natürliche und sehr ebene Fläche. Durch die hydraulische Bindung lassen sich die Fugen barrierefrei auszubilden. Die Gefällesituation lässt sich auf dem Altstädter Markt südlich des Rathauses durch die sitzhohe Terrassenstufe deutlich entschärfen. Die Gebäude an der Süd-Ost-Seite des Platzes werden mit kurzen Rampen und im Fall mehrerer Stufen durch technisch einfache, außenraumtaugliche (Scherengitter-) Lifte barrierefrei erschlossen. Das Gefälle des Weges vom Alloheim bis zum Stegengraben bleibt mit 4-5% allerdings durch Zwangspunkte unveränderbar.

Zu 3:
Auf dem gesamten Altstädter Markt wird das gespaltene oder gesägte Katzenkopfpflaster von Fassade zu Fassade verlegt. Durch die richtungslose Verlegung entsteht eine großzügig wirkende Platzoberfläche. Der historische Gesamteindruck des Ensembles bleibt gewahrt. Da die vorhandenen Katzenköpfe aus örtlichem Abbau stammen, lassen sich gleichartige Zusatzmengen problemlos beschaffen.
Der Durchgang des Alten Rathauses bleibt in seiner jetzigen Form mit Platten aus dunklem Porphyr erhalten und wird auch zukünftig seinen Stellenwert als besonderer Raum in der Wegeverbindung behalten. Die Fahrbahn der historisch bedeutsamen Mühlenstraße bleibt unverändert. Die beidseitigen Nebenflächen werden durch Verlegung von Katzenkopfpflaster in die Platzfläche einbezogen. Die Parklätze werden aus dem Platzbereich heraus verlagert.
An den Altstädter Markt angrenzende Straßen:
Das für Rendsburg typische Straßenbild der Altstadt, wie im Bestand vorgefunden, wollen wir in den angrenzenden Straßen weiterführen. Die Mühlenstraße bleibt also nord- und südlich des Platzes in ihrer jetzigen Gestalt weitgehend erhalten. Die Verbindung Altstädter Markt hinunter zum Stegengraben wird in gelbem Klinker gedeckt. Auch die Wege zur Kirche und nord-östlich des Alloheims werden gelb geklinkert. Bis auf den genannten Gehweg kann die Straße An der Marienkirche größtenteils unverändert verbleiben. Nur die Granitzunge wird etwas aus der Gehrichtung zur Kirche zurückgezogen. Die Verbindung zum Stegengraben wird ebenfalls gelb geklinkert.
Stegengraben:
Diese Gasse bildete einst die östliche Grenze der Keimzelle Rendsburg. Die Eidergräben formten drei Siedlungsinseln. Dies lässt sich heute nur noch über die Straßennamen erahnen. Auf der Ostseite der alten Marktplatzgrundstücke gab es sicher einige Stege über den Eidergraben, heute Stegengraben genannt. Metallisch glänzende Fische sollen zukünftig wieder im Stegengraben hin und her schwärmen. Diese heringsgroßen Metallintarsien zeichnen sich auf dem dunklen Granitgrund als schmale, längliche Formate, beflammt) deutlich ab und weisen so auf eine überraschende Historie des Ortes hin.

Mobiliar und Beleuchtung:
Der historische Marktplatz sollte vollständig freigestellt werden. Um die „guten Ränder“ und Sichtbeziehungen zur Kirche und dem ältesten Rathausteil nicht zu verstellen und den barrierefreien Zugang zum Rathaus Café zu ermöglichen, wird die Baumhasel aus den 70ern entfernt.
Die neue Sitzstufe der Rathausterrasse wird aus dem dunklen Granit des Rathaussockels in handwerklicher Arbeit gefertigt. Dieses Objekt wird in gemeinsamer Arbeit mit den Rendsburger Bürgern entwickelt. Unsere Vision: Wandernde Steinmetze mit Talent zur Animation könnten - unter einem historisch anmutenden Zelt - vorgefertigten Gesteinsblöcke zusammen mit den Bürgern - Jung und Alt - unter dem Thema „Bedeutendes aus der Historie und Gegenwart Rendsburgs“ bearbeiten. Die Steinmetze kommen mit Tam Tam und Getöse verabredet, aber überraschend in die Stadt und machen auf sich aufmerksam, so gesehen in der Altstadt Hann-Mündens. Eine Aktion über ein paar Tage und jährlich wiederholbar. So bietet man auch für Kinder Handfestes und Begreifbares. Den Anfang könnte die Darstellung der Lebensader „Nord-Ostsee-Verbindung im Laufe der Jahrhunderte“ machen, ein umsetzbares Thema für einen kleinen Spielbrunnen.
Weitere kleine Events, wie beispielsweise Kunsthandwerks-, Bio- oder Weihnachtsmärkte sind ebenfalls wünschenswert, um den Platz zu beleben.
An den beiden Enden der Entwässerungsrinnen (heller Granit) finden zwei kleine Wasserspiele mit unregelmäßigen Sprinkeltakten ihre meist kleinen Fans.
Neben einer zurückhaltenden Ausstattung des Platzes mit schlichten Lichtstelen oder Mastleuchten, spielen atmosphärisch die durch Fassadenstrahler sanft illuminierten Gebäudefassaden am Platz eine wesentliche Rolle. Durch LED-Ausstattung lässt sich diese Illuminierung mittelfristig in der Unterhaltung effizient und kostenarm darstellen.


11.05.2021

Beurteilung durch das Preisgericht

Entwurfsgedanke des Verfassers (Zitat aus dem Erläuterungsbericht): „Ein Platz ist nur so gut wie seine Ränder, heißt es, und die Ränder des Altstädter Marktes sind gut. Zurückhaltung bei allem was davon ablenkt. Drei Punkte verbessern: Mehr Gastronomie/Einzelhandel, Barrierefreiheit, Einheitlichkeit der Platzoberfläche.“

Die Oberflächengestaltung sieht die gesamte Platzfläche von Fassade zu Fassade mit vorhandenem und ergänztem Katzenkopfpflaster vor, das gespalten/gesägt und hydraulisch gebunden neu verlegt wird.

Die Fahrbahn der Mühlenstraße wird wie vorhanden erhalten – damit ist die Möglichkeit einer verbesserten Gestaltung des Gesamtplatzes nicht hinreichend ausgeschöpft worden. Die Lage der zwei Wasserbereiche ist bezüglich der Sicherheit für spielende Kinder z.T. in unmittelbarer Nachbarschaft der Mühlenstraße nicht gut. Die Idee, Sitzstufen mit Steinmetzen und im Nachgang bearbeiten zu lassen (mit drittem Wasserbereich) ist als solche reizvoll, erscheint in der Praxis aber nicht umsetzbar. Die Sitzbereiche vor dem alten Rathaus sind in der Lage, den äußeren Eindruck des Gebäudes zu beeinträchtigen. Auf den Großbaum am alten Rathaus wird ebenso wie auf den in der Südecke des Marktes verzichtet, dies wurde in der Jury kontrovers diskutiert. Die Freistellung des Rathauses wird von der Jury als positiv bewertet.

Zu den Materialien ist anzumerken dass die ausschließliche Verwendung von gelbem Klinker außerhalb des Altstädter Marktes kritisch diskutiert wurde.
Die barrierefreien Zugänge zu den vorhandenen Einzelhandel/Gastrotomien sind zu schlicht entworfen.

Insgesamt ist anzumerken, dass die freiraumplanerischen Ziele der Auslobung nicht in allen Punkten erreicht werden.

Belange der Denkmalpflege:
Die Wiederverwendung des Katzenkopfpflasters und die Fortführung von Fassade zu Fassade ist denkmalpflegerisch begrüßenswert. Der Erhalt der Fahrbahnmaterialität der Mühlenstraße stört die gewünschte Erlebbarkeit als Einheit.
Vertiefungsbereich Altes Rathaus

Vertiefungsbereich Altes Rathaus

Schnitt 1

Schnitt 1

Schnitt 2

Schnitt 2

Detail-Collage Wasserspiel

Detail-Collage Wasserspiel