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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2021

Neue Wohnbebauung Tullastrasse in Wörth am Rhein

1. Anerkennung

Preisgeld: 9.000 EUR

sqema, Architekten - Stadtplaner

Architektur

Landschaftsarchitektur+ Holzapfel-Herziger & Benesch PartG mbB

Landschaftsarchitektur

RAUM4142

Architektur

Erläuterungstext

Das Baugebiet „Tullastraße“ in Wörth am Rhein zeichnet sich durch seine Lage inmitten des diversen und heterogenen Ortsteilzentrums aus. Es formuliert den räumlichen Übergang von großkörnigen Gebäudevolumen der öffentlichen Einrichtungen und Mehrfamilienhäusern hin zu den kleinkörnigen Formaten der Einfamilienhäuser. Eine offene und transparente Außenanlage, ein großzügiger, urbaner Vorplatz und perforierte Gebäudevolumen schließen die alten Wege an das neue Wegesystem an und verknüpfen die Gebiete miteinander. Die vorhandenen Grünzüge der Umgebung werden aufgegriffen und in die Gestaltung der Freianlagen einbezogen.
Die Volumentypen Punktbau und Längsbau werden über die Orientierung und Ausbildung eines großen, gemeinschaftlichen Innenhofes zueinander in Beziehung gesetzt. Zusammen mit dem urbanen Vorplatz setzt dieser Raum den einfach gehaltenen Wegen des Umfelds einen Ort der Begegnung und des Verweilens entgegen. Als Baumpflanzung sind im Platzbereich Blumeneschen (Fraxinus ornus) und im Wohnumfeld über den Bereichen der Tiefgarage Felsenbirnen (Amelanchier lamarkii) vorgesehen. Beide Gehölze bilden die Jahreszeiten mit ihrer Blüte im Frühjahr bzw. Frühsommer und der schönen Herbstfärbung in rot bzw. gelb gut ab. Der urbane Platz ist mit großformatigen Betonsteinplatten in drei unterschiedlichen Farbtönen belegt. Baumpflanzungen, Grünbereiche und Spielangebote für größere Kinder wechseln sich in einer lockeren Formensprache ab. Ein platzbegrenzender Pavillon beherbergt einen öffentlichen Zugang zu den Tiefgaragenstellplätzen. Die auf dem Platz berücksichtigte Außengastronomie, Sitzgelegenheiten, Wasserspiel und Fahrradstellplätze sind Zeichen eines lokalen, einladenden Zentrums.

Die drei Teilvolumen weisen unterschiedliche Charaktere auf, die jeweils mit einer spezifischen Bebauungsstrategie bebaut werden. Der viergeschossige urbane Längsbau formuliert mit einer ebenen, klaren Fassade das Rückgrat des urbanen Vorplatzes. Auskragungen und Durchbrüche gliedern das Erdgeschoss und nehmen Bezug auf die Durchwegung und Platzteilung auf. Hier finden sich die gewerblichen Einheiten wie Café sowie die gesundheitsnahen Dienstleistungen wie Apotheke, Physio und Yoga. Die darüber liegenden Wohnungen werden jeweils über zum Platz hin orientierte, lichte Treppenhäuser erschlossen. Alle Wohnungen sind durchgesteckt und partizipieren am urbanen Leben sowie am ruhigen Innenhof. Die Küchen dienen als Filter für den Übergang von pulsierenden Leben hin zum privaten, zurückgezogenen Wohnen. Rückwertig, nach Süden orientierte Balkone erweitern den Wohnbereich. Der gesamte Baukörper ist klar strukturiert und durch vorfabrizierte Holzbauteile in Elementbauweise konstruiert. Die trianguläre Oberfläche der Holzelemente lässt die Fassade und ihren Baustoff Holz in unterschiedlichen Farbnuancen changieren. So wird die ausgewogene Farbgebung der Holzbauteile zum dezenten Schmuck der Häuser. Auf der rückwertigen Seite schließt die Tiefgaragenzufahrt an. Die Tiefgarage beherbergt 89 Stellplätze für Kraftfahrzeuge, Fahrradstellplätze, Kellerräume und Technikräume. Einzelne, lichte Treppenabgänge sowie die mittige, lichte Zufahrt sorgen für eine freundliche Atmosphäre im Untergrund. Über der Tiefgaragenabfahrt wird eine Holztribüne als Aufenthalts- und Treffpunkt integriert. Dieses Element dient gleichsam als Schnittstelle zwischen öffentlichen Platz und dem halböffentlichen Wohnumfeld. Der übrige Teil der Abfahrt in Richtung Tullastraße ist mit einer Pergola überstellt und begrünt.

Der dreigeschossige, häusliche Längsbau mit seinem Attikageschoss setzt sich eigenständig und kraftvoll der Reithalle entgegen. Die gezielte, überdeckte Öffnung im Erdgeschoss ermöglichen eine Durchwegung des langen Baukörpers. Hier finden Fahrräder, Kinderwagen und Rollatoren Schutz. Es werden insgesamt 64 Fahrradstellplätze im Außenraum umgesetzt. Im zentralen Bereich der Wohnanlage wird in unmittelbarer Hausnähe ein Sand-Spielplatzbereich für die kleineren Kinder angeboten. Alle Wohnungen sind vom Straßenniveau abgehoben leicht angehoben und erzeugen einen gut erkennbaren Übergang zwischen halböffentlichen und privaten Zonen. Sie profitieren von der Ausrichtung zum ruhigen Innenhof als auch zur sonnigen Südostfassade. Die zum Innenhof liegende Laubengangerschließung mit ihren lichten, vertikalen Grünschächten dient als privater Außenraum und setzt das Leben in den Wohnungen mit dem Hof in Beziehung. Der anschließende Koch-Essbereich kann so den Laubengang als Erweiterungsort nutzen während die offenen Wohnbereiche durch ihren eigenen, zurückgezogenen Balkon ergänzt werden. Im Erdgeschoss erhalten die Wohnbereiche über vorgelagerte Außensitzplätze direkten Zugang zu der angrenzenden Landschaft, die von Bäumen gesäumt wird. Die massive Holzfassade ist zur Umgebung in eine rhythmisierende Repetition gegliedert was dem Baukörper aus der Ferne eine stattliche Erscheinung verleiht. Zum Innenhof öffnet sich die filigrane hölzerne Konstruktion.
Die dreigeschossigen, häuslichen Punktbauten nebst Attikageschoss greifen die Körnung der Wohnhausbebauung entlang der Tullastraße auf. Laubhecken mit einer Höhe von ca. 1,25 m bieten zur Tullastraße hin eine gewisse optische Abschirmung ohne jedoch abgeschlossene Bereiche zu schaffen. Die Landschaft fließt an dieser Stelle gleichsam durch. Der Freiraum oberhalb der Tiefgarage erhält einen Begrünungsaufbau von mindestens 50 cm. In Bereichen von Strauchpflanzungen wird der Begrünungsaufbau auf mind. 80 cm erhöht.
Ein Einschnitt im Erdgeschoss der Punktbauten formt den Zugangs- und Unterstellplatzbereich. Dieser Zugangsbereich ist mitsamt der Wohnungen leicht angehoben und wahrt so die Privatsphäre der Bewohner. Über ein großzügiges Treppenhaus mit hellem Lichtschacht werden die Wohnungen erschlossen. Alle Wohnungen orientieren sich zu zwei, je unterschiedlichen Himmelsrichtungen. Während die funktionalen Räume zum Inneren des Gebäudes angeordnet sind profitieren die Wohn- und Aufenthaltsbereiche von ihrer Lage an der hellen Fassade. Am hellsten und luftigsten Ort des Wohngrundrisses, in den Eckbereichen der Außenfassade sind die Koch-Essbereiche platziert. Sie können je nach Wetter als zur Fassade zu öffnendes „Jahreszeiten-Zimmer“ genutzt werden und erhalten über die anschließenden Balkone die zusätzliche Möglichkeit der Flächenergänzung.
Sowohl die Attikawohnungen auf den Punkthäusern als auch die Attikawohnungen auf dem Längsbau sind von einer großzügigen Dachfläche umgeben. Die Dachflächen sollen durch intensive Begrünung und Ausbildung einer eigenen Dachlandschaft ihren Beitrag gegen den Klimawandel einer sich aufheizenden Region leisten. Die angrenzenden Bewohner aber auch die Bewohner der anderen Wohneinheiten sollen hier die Gelegenheit haben diese Dachflächen zu nutzen und zu bespielen. So erhalten alle Bewohner der neunen Bebauung Tullastraße die Möglichkeit an Projekten wie Urban Gardening und Klimagerechte Begrünung teilzunehmen und dabei den freien Blick über die Rheinebene in Richtung Schwarzwaldausläufe und Weinberge schweifen zu lassen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebaulichen Vorgaben werden positiv weiterentwickelt und die Baumassen sind gut austariert. Die differenzierte Platzgestaltung in Verbindung mit der Freiflächengestaltung im Innern bieten eine gute Aufenthaltsqualität. Der fließende Übergang in das Quartier hinein wird als positiv empfunden. Der Umgang mit der Tiefgarageneinfahrt und der vorliegenden Podiumstreppe zeugt von der detaillierten Ausarbeitung der Arbeit. Kritisiert wird, dass der Zugang zum Quartier von der Tullastraße nicht barrierefrei erfolgen kann. Die Kurzzeitparkplätze werden geschickt an der Tullastraße angeordnet, so dass der Platz völlig autofrei gehalten werden kann. In der Praxis wäre zu prüfen ob die Anzahl für die angedachten Gewerbeeinheiten ausreichend ist. Leider wird ein Teil der Tiefgarage unter dem Platz geplant, was im Hinblick auf die Begrünung des Platzes mit schattenspendenden Bäumen kritisch gesehen wird. Die Tiefgarage wird bis auf den gewerblichen Teil als zum großen Teil Angstraumarm gewertet. Sie sollte aber funktional auf die Kollisionsbereiche bei den Fahrwegen geprüft werden. Die Gewerbeeinheiten und die Wohnungen der Platzrandbebauung werden über den Durchgangsraum zum Innenbereich erschlossen. Die Eingänge zu den Erschießungskernen der Wohnungen erfolgt über die gut gestaltete Freianlagen. Die Punkthäuser werden durch innen liegende-, der 4 Geschossige Riegel zum Quartiersplatz wird mit Platz seitigen Treppenhäusern erschlossen. Der Riegel an der Südostseite zur Turnhalle bedient einem gut funktionierender Qualitätsvoller Laubengang. Die Grundrisse sind bis auf ausbesserbare Abweichungen insgesamt gelungen. Die der geforderten Rollstuhleignung der Erschließung müsste überprüft werden. Das auskragende Staffelgeschoss über den Laubengängen wird kritisiert diskutiert. Hierdurch werden die darunter liegenden „Lichthöfe“ verschattet. Die genutzten Dachterrassen werden grundsätzlich positiv gesehen. Sie sollen aber in Bezug auf die Privatsphäre der darunter liegenden Dachterrassen der Staffelgeschosse geprüft werden. Der geforderte Nachweis der Müllstandorte ist unvollständig. Die Fassadengestaltung wirkt sehr schematisch. Eine sich aus den Grundrissen ablesbare Plastizität durch die Balkonloggien in der südöstlichen Randbebauung ist in den Fassaden nicht ablesbar. Der Wohnungsmix ist insgesamt erfüllt. Die Kennwerte liegen im überdurchschnittlichen Bereich. Trotz Schwächen im Detail stellt die Arbeit einen guten Beitrag zur gestellten Aufgabe dar. Die Ausformulierung der Fassaden kann für diesen Ort jedoch nicht überzeugen.
Lageplan Erdgeschoss 1:200

Lageplan Erdgeschoss 1:200

Lageplan mit Dachaufsicht 1:500

Lageplan mit Dachaufsicht 1:500