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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2021

Neugestaltung zentraler Bereich Stadthafen Rostock

2. Preis

Preisgeld: 54.000 EUR

Ramboll Deutschland GmbH

Landschaftsarchitektur

haascookzemmrich STUDIO2050

Architektur

Erläuterungstext

Der zentrale STADTHAFEN Rostock
In einer Hafenstadt treffen Menschen aufeinander, sie lebt von Händler*Innen, Besucher*Innen und Tourist*Innen. Gleichzeitig ist sie der Lebensmittelpunkt der Bewohner. Der Stadthafen war über Jahrhunderte Rostocks Tor zur Welt, zu Land sowie zu Wasser. Als Umschlagsplatz von Land- zu Seegütern war er Zentrum der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung. Durch die Eisenbahn wurde das Landesinnere an den Seehandel angebunden und Rostock zur diversen und weltoffenen Großstadt. Diese reiche Vergangenheit ist heute noch im Lokschuppen sichtbar und wird alljährlich durch die Hansesail weitergetragen. Sie lebt mit den Bewohnern Rostocks und zeigt sich in Architektur der Stadt. Nach der jüngsten Wiedereröffnung des Stadthafens für alle beginnt ein neues Kapitel in der Zeitgeschichte dieses Orts. Das Tor zur „weiten Welt“ wird durch das „zu Hause sein“ ergänzt und durch den menschlichen Maßstab bereichert. Dieser findet sich in den neuen Grünflächen in einer erfahrbaren Dimension wieder und lässt dem Hafen weiter angemessen Raum. Die Zeitschichten des Ortes zu bewahren und mit neuen Funktionen zu ergänzen ist Kern dieses Entwurfs. Die großen Platzflächen bleiben erhalten, um Veranstaltungen weiter stattfinden lassen zu können, denn sie tragen die Geschichte des Ortes weiter. Ebenso soll die heutige Nutzung als Freizeit- und Aktivfläche nicht verdrängt werden.

Geschichte in die Zukunft tragen
Aufbauend auf der reichen Geschichte möchten wir die vorhandenen Qualitäten nutzen und durch weitere nutzerorientierte Flächen ergänzen. Die hohe urbane Dichte der Altstadt und der KTV lässt wenig Grün- und Freizeitflächen für die Bewohner verbleiben. Der neue Stadthafen gleicht dies mit einem neuen Angebot an Aktivitäts-, Spiel- und Grillflächen aus. In Verlängerung der ehemaligen Wallanlagen öffnet sich ein neuer Grünraum mit großem Spielplatz. Hier ist der Auftakt zum kräftigen grünen Band entlang „Am Strande“. Dieses kräftige, grüne Band ist Rückgrat für die Promenade und die Flächen des Stadthafens. Das begehbare Dach der HALLE 625 wird zum wichtigen Baustein dieses grünen Bands. Dem vorgelagert liegt die Promenade mit den identitätsstarken Elementen und der ALM Plaza, die die Geschichte und den lokalen Charakter des Orts prägen. Die historischen Gleisanlagen im Osten, der Wasserzugang auf Höhe der Marina am Kempowski Ufer und die sich zur Warnow hin öffnende weitläufige Fläche des Stadthafens sequenzieren das grüne Band in Abschnitte. Die ALM Plaza wird Gelenk des Warnow Rund mit bester Anbindung an Warnowbrücke und Schnickmannstraße. Der zentrale Stadthafen ist ein urbaner Ort für die Menschen und steht nicht in Konkurrenz zum Stadtpark.

Die HALLE 625
Die neue HALLE 625 wird zunächst während der BUGA das Herz des Stadthafens an der neu geschaffenen Plaza bilden. An zentraler Position übernimmt die HALLE 625 eine Gelenkfunktion im südwestlichen Bereich des Warnow-Runds und am Fuß der neu gebauten Warnow-Brücke. Als Teil der topografisch bearbeiteten Flutschutzmaßnahmen bildet das Gebäude dabei am südlichen Rand der Plaza gelegen, einen begehbaren „Rücken“ aus, der als Zuschauertribüne für Veranstaltungen, Liegewiese, Terrasse und Biotop dient. Das Gebäude bleibt damit Teil der „grünen“ Landschaftstopografie des Stadthafens und ordnet sich der dahinterliegenden Rostocker Stadtsilhouette unter.

Die HALLE 625 ist somit nicht nur eine Markthalle, sondern auch eine Landmarke als Auftakt weiterer Entwicklungen im Herzen des Stadthafens.

Es entsteht ein neues Besuchermagnet, welches mit seiner begehbaren Dachlandschaft weit über die Angebote einer Markthalle zum neuen Treffpunkt am Kai werden kann. Die Gastronomie der Markthalle bietet ein reichhaltiges Angebot an regionalen und ortstypischen Gerichten und das Digitale Innovationszentrum Rostock (DIZ) vervollständigt den umfangreichen Mix an verschiedenen Nutzungen und Funktionen. Als Hauptnutzer der Büroflächen und wesentlicher Nutzer des Hallenteils wird im DIZ in Kooperation von Stadt und Universität eine aktive Nachwuchsförderung für innovative Firmenausgründungen zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Rostock erfolgen.

Umso wichtiger und zentraler ist die weit über Rostock hinausgehende Signalwirkung dieses Gebäudes. Die HALLE 625 steht für Innovationsgeist, reichhaltigem öffentlichen Leben, Regionalität und Nachhaltigkeit. Die Architektur dieses Ortes muss dies alles berücksichtigen. Ein intelligentes und statisch optimiertes Dachtragwerk aus Holz, spannt über die Markthalle. Durch die besondere Konstruktion und Geometrie entsteht eine vollständig öffentlich nutzbare Dachlandschaft. Ausblicke über die Warnow hinüber zur BUGA und über den Stadthafen sind in einem 360° Panoramablick möglich. Es entsteht am Stadthafen Rostock, eingebettet in einen reichhaltigen öffentlichen Lebensraum, ein zentraler Ort mit Innovations- und Strahlkraft über die Grenzen Rostocks hinaus – die HALLE 625.

Das grüne Band – die Klimaachse
Die HALLE 625 ist Teil des grünen Bands - der Klimaachse und bietet neben den sozialen Qualitäten eine direkte Kompensation der versiegelten Fläche der südlich gelegenen Straße. Sie ist Lärmschutz, Flutschutz und verbessert das Kleinklima entlang der direkt angrenzenden Freiräume. Die Bepflanzung erfolgt durch heimische Arten und wird durch besonders klimaresiliente Bäume nach Stand der Forschung ergänzt. Die diverse Pflanzung schafft eine Resilienz im Rahmen der stattfindenden Klimaveränderung, da die Robustheit einzelner Arten nur eingeschränkt prognostizierbar ist. Als Teil des BUGA Projekts sehen wir daher vor, gemeinsam mit Institutionen und Baumschulen ein Reallabor klimaresilienter Stadtbäume in Rostock zu initiieren und die BUGA Treiber klimaangepasster Artenauswahl werden zu lassen.

Klimafreundliche Materialwahl
Neben dem Anspruch, einen geringen Versiegelungsgrad anzustreben, ist die Materialwahl möglichst nachhaltig. Aus diesem Grund wird überwiegend Klinkerstein für Promenade und Plätze verwendet, da er zum einen die Identität Rostocks prägt und zum anderen eine nachhaltige Wahl darstellt. Der vor allem in der Klinkerbrennung auftretende Energiebedarf wird durch die hohe Nutzungsdauer und Wiederverwendbarkeit kompensiert. Die Lebenszykluskosten von Klinkerpflaster sind daher sehr gering. Die zentrale Hafenfläche mit einem hellen Possehlbelag ausgestattet, der aufgrund der hohen Abstrahlungsleistung die Hitzebildung reduziert. Die Asphaltfläche der Haedgehalbinsel wird weitestgehend erhalten, da sie bereits sportlich genutzt wird und somit eine Funktion erfüllt. Gemeinsames Gestaltungselement wird die Kaikante in variierender Breite aus Kebony Holz. Dieses Holz besitzt durch seine biologische Behandlung eine sehr hohe Robustheit und vermittelt in seiner Optik das Gefühl der historischen Hafenanlage. Der Benutzer wird über das warme Material an der Kaikante geführt und kann sich dort auf Holzbänken niederlassen. Die geringe Geländemodellierung erfolgt durch vor Ort aufbereitetes Abbruchmaterial.

Der Flussfischerpark
Die größte entstehende Grünfläche ist der Flussfischerpark. In Verlängerung der Wallanlagen begann an diesem Ort der ehemalige Fischerhafen, damals außerhalb der Stadtmauer, um freien Handel mit auswärtigen Händlern zu ermöglichen, die keines der vielen Stadttore durchschreiten durften. Die Geschichte der Rostocker Flussfischerei soll über einen künstlerisch ausgestalteten, großen Spielplatz erzählt werden, der aus der Innenstadt sowie dem KTV leicht erreicht werden kann. Spielgeräte können die verschiedensten Formen annehmen, der Aal als Balancierbalken, die Aalreuse als Kletterturm, usw. Ein Wasserspiel mit Düsen und Matschflächen wird integriert, um den Kontakt zum Wasser herzustellen. Als Material werden gehobelte Stämme verwendet, die die Handwerkskunst des Bootsbaus nachbilden. Einzelne Farbtupfer lassen den Spielplatz zum lebendigen Ort werden. Die Nähe zum Mobility Hub lässt ihn zum familienfreundlich zu erreichendem Ort werden.

Der Stadthafen als Raum für Veranstaltungen: BUGA 2025, Hanse Sail und weitere
Der im Entwurf auf Höhe des Stadthafen entstandene grüne Flutschutz bietet durch seine Höhenversprünge eine eindeutige Eingangssituation auf Höhe Schnickmannstraße. Der Mobility Hub kann während der BUGA durch die offene Erdgeschossgestaltung neben der Funktion als Mobilitätsstation auch als Eingangsbereich genutzt werden, da hier ein schattiger und vorgelagerter Platz vorhanden ist. Auf Höhe Haedgestraße befindet sich eine Zufahrt zum Stadthafenareal über die im gesamten BUGA Verlauf eine vom Gelände entkoppelte Anlieferung geschehen kann. Die Treppenanlage auf der ALM Plaza bildet eine natürliche Bühne und Konzerte können auf der Fläche des ebenerdigen Wasserspiels stattfinden mit dem Eisbrecher Stephan Jantzen im Hintergrund. Durch eine wenig veränderte Höhensituation bietet der neue Stadthafen eine gleichbleibend ebenerdige Fläche, die Großteils der Höhe der Kaikante entspricht und den Bezug zu den anliegenden Schiffen bewahrt. Diese Fläche mit wenig Gefälle bietet Vorteile für alle dort stattfindenden Veranstaltungen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Wesensfrage „Landschaft oder Hafen?“ der Wettbewerbsaufgabe beantwortet die Arbeit mit einer klaren Haltung: Landschaft UND Hafen!

Mit dem „Grünen Band“, einer Abfolge unterschiedlicher Freiräume und grüner Architekturen von West nach Ost, geben die Verfasser dem Stadthafen ein grünes Rückgrat entlang der L22. Im Westen beginnend, springt der Kanonsberg scheinbar über die Straße; die Wallanlage setzt einen Fuß in das Hafengelände. Nach Osten folgt eine (möglicherweise) „grüne Architektur“, in welcher der Mobility Hub Platz findet. Hier bleiben die Verfasser und Verfasserinnen allerdings die Antwort zur Gestaltung schuldig.

Klarer positionieren sie sich mit dem Entwurf zur Halle 625: Ein grüner Baukörper imaginiert ein Stück bewegte Landschaft. Die grüne Skulptur ist begehbar, benutzbar; von hier oben haben die Besucher und Besucherinnen einen vollkommen neuen Blick über Hafen und Unterwarnow.

Nach Osten folgen, dem ALM südlich vorgelagert, der sogenannte „Museumsplatz“, dessen Gestalt und Gehalt allerdings noch sehr wenig ausgeprägt wirkt.

Dem grünen Rückgrat wasserseits vorgelagert bleibt die große Weite der Stadthafenflächen als Multifunktionsraum vorgelagert. Die Fläche wird so aufgehöht, dass der Hochwasserschutz topographisch gewährleistet werden kann.

Zwischen den Baufeldern ALM und Halle 625 spannt sich die Plaza auf; sie findet nach Westen hin ihren Abschluss durch eine großzügige Sitzstufenanlage, in deren Vorlage ein Wasserspiel den Raum attraktivieren soll.

Die Größe der Plaza wird angesichts der vielfältigen Nutzungen (Aufenthalt sowie Fuß- und Fahrradverkehr) von dem Preisgericht als etwas zu wenig großzügig diskutiert. Das Baufeld des ALM ist plausibel in Lage und Größe angeordnet.

Die maritime Meile (Kempowski-Ufer) ist klar gegliedert: Der schnelle Fahrradweg liegt relativ nah vor den Gebäuden, wasserseitig davon abgetrennt ist die Promenade als Klinkerfläche großzügig angelegt. Im Bereich der Steganlage führt ein Holzdeck hinunter, näher an das Wasser heran und erweitert damit das Erlebnis in diesem Abschnitt des Warnowrunds ganz ungemein. Der Hochwasserschutz wird entlang der L22 als Mauer abgewickelt.

Der Ideenteil der Haedgehalbinsel wird stark bestandsorientiert als robuste, vielfältig nutzbare Fläche beibehalten. Neu ist hier die Fortführung der Uferpromenade mit einem Holzbelag entlang der Wasserkante. Der Holzbelag als uferbegleitende Promenade wird in Hinblick auf seine Festig- und Haltbarkeit als kritisch angesprochen. Ein grüner „Aktivpark“ bleibt zusammen mit dem grünen Vorbereich des Hafenhauses und der sich darin befindenden Gastronomie „Alter Fritz“ die einzige Hinzufügung.

Kritisch vom Preisgericht diskutiert wird die Überformung weiterer Flächen mit hellem Asphalt (Blendung). Ebenso bleibt die gestalterische Ausformung und programmatische Bespielung des „Grünen Bandes“ eine intensiv diskutierte Frage im Preisgericht.

Trotz dieser kritischen Anmerkungen würdigt die Jury die Arbeit als facettenreichen Beitrag zur Entwicklung eines eigenständigen Freiraumtyps „Stadthafen“.
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