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Einladungswettbewerb | 05/2021

Neubau Hotel- und Geschäftshaus in Hamburg

1. Rang

Sergison Bates architects

Architektur

rethmeierschlaich architekten

Architektur

imagine structure GmbH

Tragwerksplanung

KEMPEN KRAUSE INGENIEURE GmbH

Brandschutzplanung

Architekturbüro forschen planen bauen DI Thomas Romm ZT

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Das städtebauliche Gebilde um die Mönckebergstraße ist kein gewachsenes, sondern ein geplantes Stück Stadt. Unter der Leitung des Oberbaudirektors Fritz Schumacher entstand in den 1920er Jahren mit der Neuüberbauung des Quartiers ein städtebauliches Gesamtkunstwerk. Das Gesamtkunstwerk folgt einem bis heute ablesbaren Kanon. Sockel, vertikal rhythmisierter Mittelbau, ein klar ablesbares Attikageschoss, Innenhöfe und ein mächtiges, den ganzen Block zusammenführendes Dach sind die Hauptelemente. In unserem Block kommt Backstein für die Fassaden als vereinendes Element mit hinzu.
Mit der geplanten Neuüberbauung ergibt sich die Gelegenheit, einen fehlenden Baustein in das Gesamtkunstwerk einzufügen. Ganz einfach ist das nicht! Der Baustein muss passen, ist aber immer ein neues Haus. Wie wird das ablesbar? Das Programm, die Ansprüche an Nachhaltigkeit und damit an die Konstruktion sind komplex. Wie geht das zusammen mit der von Schumacher so mühsam durchgesetzten Ruhe der Baumassen? Wir haben es zudem mit einem Kopfbau zu tun, wo die ganze Wucht des Blockes nach Westen hin einen Abschluss finden muss.

Zur Lösung dieser Fragen lohnt sich ein genauerer Blick auf die bestehende Bebauung. Der Schumacher’sche städtebauliche Kanon zeigt sich bei genauerer Betrachtung als nützlich in zweierlei Weise: Er sorgt für Einheitlichkeit, ist aber auch dehnbar und lässt gestalterische Einzellösungen je Parzelle ohne Verlust der Gesamtwirkung zu. So entsteht ein fassliches Stadtgebilde, zusammengesetzt aus durchaus selbstbewusst auftretenden Häusern. Jedes Haus hat ein Gesicht und unterstreicht seine Eigenständigkeit in guter hanseatischer Tradition mit einem Hausnamen.
Auf die Anforderungen von Programm und Konstruktion antwortet die bestehende Bebauung mit einer bewährten Hamburger Typologie, dem Kontorhaus. Das Kontorhaus ist ökonomisch in der Konstruktion, nutzt die technischen Möglichkeiten seiner Zeit, ist flexibel in der Nutzbarkeit und umhüllt den Baukörper mit einer robusten Hülle aus Backstein, einem eigenständig anpassbaren Gesicht zur Stadt.

Wir schlagen für die Neuüberbauung der Mönckebergstraße 9 ein neues Kontorhaus vor. Wir folgen der Tradition und schlagen als Namen für das neue Haus „Haus Sophie“ vor, eine Würdigung der bedeutenden Hamburger Geschäftsfrau und Stifterin Sophie Christine Laeisz.

Das „Haus Sophie“ ist ein selbstbewusster Backsteinbau. Mit seinem zweigeschossigen Sockel, der vertikalen Fassadenordnung des Mittelbaus, dem klar ablesbaren Attikageschoss, dem Innenhof und dem mächtigen, genau an den Block angepassten Dach folgt das Haus dem Schumacher’schen Kanon.
Das Haus ist ein neuer Backsteinbau. In subtiler Anlehnung an die Nachbarbauten verleiht ein feines Rahmenwerk aus Lisenen und Simsen der Fassade klare Proportion, Rhythmus und Tiefe. Gekehlte und gerundete Formsteine verleihen dem Backstein Schwung und sorgen für eine wohltuende Kleinmaßstäblichkeit auf den zweiten Blick. Oberhalb der Fensteröffnung bilden gekehlte Formsteine eine Schmuckkassette, ein Leitmotiv im Block.

Die Geschosse im Sockel sind ein öffentlicher Ort. Wir möchten die Besonderheit der Kopflage dazu nutzen, das Haus mit einem durchlaufenden Fassadenmotiv so weit wie möglich zu öffnen. Es entsteht ein überdachter öffentlicher Raum, ein Marktplatz, in dem ein Restaurant am Nicolaikirchhof ganz selbstverständlich seinen Platz findet.

Wir wollen die Dehnbarkeit des Schumacher’schen Kanons dazu nutzen, der besonderen Bedeutung des Hauses im Block gerecht zu werden. Das Haus ist ein Kopfbau, es muss die Baumasse des Blocks nach Westen hin abschließen. Wir schlagen deshalb Schaugiebel an allen drei Blockseiten vor.

Die Giebel an der Mönckebergstraße und Bugenhagenstraße rhythmisieren die große Baumasse. Der komplexe städtische Raum am westlichen Blockende hat heute keinen Halt, es fehlt ein Bild. Mit der gestaffelten Giebelfigur aus drei Schaugiebeln entsteht ein übergeordnetes Motiv im Zusammenklang mit den Giebeln von Haus Seeburg und dem Barkhof und ein angemessener Schlussakkord für unseren Block. Am Nicolaikirchhof entsteht ein schönes Zusammenspiel von Kirche und neuem Haus.

Verkauf - Die Markthalle
Der Verkaufsraum orientiert sich zur Mönckebergstraße. Die transparenten Fassaden bringen das Innere des Hauses, die Markthalle in den Straßenraum. Die flexibel im Fassadenraster einbringbaren Öffnungen erlauben zusammen mit einer zentral liegenden Rolltreppenanlage das Ausbilden eines großen Flagshipstores sowie eine kleinteiligere Aufteilung. Der öffentliche Charakter, die Wandelbarkeit und die dezente Signalwirkung des Hauses liegen im Herzen des Entwurfs.

Hotel
Das Hotel hat seine Adresse unter dem zentral gelegenen Giebel am Barkhof. Die Liftanlage führt direkt in die Rezeption im 8. Obergeschoss, wo sich den Gästen ein Panorama von der Elbphilharmonie bis zum Rathaus bietet. Richtung Süden, also zum Hafen orientiert, liegen die Lobby und das Restaurant des Hoteltyps 1, zur Mönckebergstraße die Lobby und das Wohnzimmer des Hoteltyps 2. Die Terrassen sind auf den Giebeln angeordnet und senden das Bild einer belebten Dachlandschaft in die Stadt.
Die Aufteilung der Zimmer zwischen den 2 Hoteltypen ist etagenweise oder durch die Halbierung auf den Tagen möglich. Hier wird eine horizontal geschichtete Verteilung vorgeschlagen. 189 Zimmer des Hoteltyps 1 befinden sich im 2. bis 5. Obergeschoss. Der Hoteltyp 2 erstreckt sich mit 82 Zimmern vom 6. bis ins 8. Obergeschoss. Es können eine Vielzahl von Familienzimmern und behindertengerechten Zimmern angeboten werden. Auf den Etagen erreicht man von der großzügigen Liftlobby die ringförmige Erschließung, die durch Aufweitungen und unterschiedliche Proportionen abwechslungsreiche Räume schafft. Der Innenhof öffnet sich durch einen Rücksprung im 5. OG sowie dem ab dem 7.Geschoss geneigten Dach zum Himmel.
Die Hoteletagen sind mit einem Ausbauraster von 1.25 m (Fassadenraster 1.875 m) geplant und können in Büroetagen umgenutzt werden. Die hohen Fenster lassen das Licht tief in den Innenraum fallen. Im Regelgeschoss können zwei Einheiten mit je ca. 800 Quadratmeter angeboten werden.

Nachhaltigkeit - Das Gebäude als Infrastruktur
Der Grundanforderung eines nachhaltigen Einsatzes von Ressourcen wird in allen Punkten entsprochen.
Dauerhaftigkeit: Eine robuste Primärstruktur versteht sich als Infrastrukturangebot für die Zukunft.
Erneuerbarkeit: 50% des oberirdischen Rohbaus sind aus nachwachsenden Rohstoffen, die massive Hälfte wird mit Klinkerersatz um 30 % CO2-reduziert.
Kreislauffähigkeit: Betonkernaktivierung mit Aluminium statt Kunststoff, einstoffliches Bauen mit massivem Holz und wiederverwendbare absaugbare Wärmedämmung im Dach sowie eine monolithische Hülle mit wiederverwendeten Ziegeln in der Ansicht.

Tragwerk - Hybrid aus Beton und Holz
Das Tragwerk wird gemäß der zwei unterschiedlichen Hauptnutzungen als Hybridtragwerk ausgeführt. Während die Geschosse bis zum 1.Obergeschoss in Massivbauweise (Carbon reduced concrete) vorgesehen sind, werden die darüber liegenden Etagen in Holzbauweise ausgeführt.
Die Stahlbeton-Rippendecken über den unteren Geschossen liegen auf Unterzügen auf, die gleichzeitig die Lasten aus den Stützen der Obergeschosse aufnehmen. Das Stützenraster des Hotels kann so auf das des Verkaufsbereiches, das größere Spannweiten aufweist, transferiert werden. Jede der Etagen hat so ihren angemessenen Grad an Flexibilität.
Für die Geschosse ab dem 2. OG werden sichtbare Massivholzdecken mit einer Stärke von 36 cm als Durchlaufträger über mit einer Länge von bis zu 17 m Länge eingebracht. Die vorgefertigten Deckenelemente liegen in Fassadenebene und im Flurbereich auf Holz- bzw. F90-verkleideten Stahlunterzügen mit einer Spannweite von 7,5 m auf. Fassadenrücksprünge werden über deckengleiche Stahlunterzüge realisiert.

Auf diese Weise entsteht in den Obergeschossen ein Tragwerk mit hohem Vorfertigungsgrad, das einen schnellen Baufortschritt und eine hohe Flexibilität ermöglicht. Der konstruktive Brandschutz wird über die Abbrandrate sichtbarer Holzbauteile bzw. über GK-Bekleidungen erreicht.
Die Aussteifung für horizontale Wind- und Erdbebenlasten erfolgt über die in allen Geschossen vorgesehenen Stahlbetonerschließungskerne in Verbindung mit den Deckenscheiben. Die Gründung erfolgt über eine Flachgründung mit einer Bodenplatte.

Fassade
Die selbsttragende Fassade aus Fertigteilen ist als monolithische Ziegelwand aus 42,5 cm Hochlochziegel (HLZ)-Mauerwerk und einer massiven roten Ziegelvorsatzschale konzipiert. Sie verbindet passivhaustauglichen Wärmeschutz mit passiver Kühlung.
Das Kastenfenster ist das komplementäre Element zur massiven Gebäudehülle. Alle Fenster sind zur natürlichen Belüftung individuell öffenbar. Alle Fensterelemente haben zusätzlich in die Laibung integrierte Lüftungsklappen für eine kontrollierte natürliche (Nacht-)Lüftung. Der hervorragende Schallschutzwert der Gesamtkonstruktion im Allgemeinen und des geöffneten Fensters im Besonderen sorgt für hohen Komfort im Gebäude.

Raumklima, Lüftung und Kühlung
Das hybride Tragwerk ist auf seine verschiedenen Nutzungen optimiert: Verkaufsflächen werden mit einer luftgeführten Bauteilaktivierung von massiven Rippendecken (CONCRETCOOL) gekühlt. Ist eine Lüftungsanlage ohnehin erforderlich, so ist die Kühlung der Decke mit Zuluft wesentlich wirtschaftlicher als mit Wasser und spart 65% Energie. Eine wassergekühlte Decke kann außerdem nicht entfeuchten. Die Hotel-/Büronutzung kann über ein Deckenraster begleitet, mit konditionierter Quellluft (INDUCOOL) frei gestaltet, punktgenau und individuell klimatisiert werden. Angesichts der äußerst geringen Heizlast und der Verfügbarkeit vorkonditionierter Luft, sollen Infrarot-Flächenheizungen eine wassergeführte Heizung im Holzbau vermeiden. Nur die Warmwasserbereitung erfolgt mit Fernwärme.
Die speicherwirksame thermische Masse der Ziegelhülle verkürzt die Heizperiode und lindert Klimawandelfolgen wie Hitzeperioden durch Verdunstung des aufgenommenen Kondensats. Die massive Fassade unterstützt die natürliche Klimatisierung. Nachhaltigkeit in Errichtung und Betrieb sowie eine sortenreine Rückbaubarkeit aller Elemente sind in Entwurf und Konstruktion klar ablesbar.

Brandschutz
Das Gebäude wird nach HBauO (GK 5), BPD sowie nach VkVO und BeVO geplant.
Die Fluchtwegslängen werden durch die Positionierung dreier Sicherheitstreppenräume (einer mit FW-Aufzug) mit Druckbelüftungsanlagen eingehalten.
Die Verkaufseinheiten werden gesprinklert und im Brandfall über die Lüftungsanlage bzw. Fenster entraucht. Da die Hoteletagen in zwei Brandabschnitte mit je ca. 800 m² aufgeteilt sind und er vertikale Brandüberschlag durch die Ziegelstürze vermieden wird, ist ein Sprinklern dieser Etagen nicht nötig.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Weiterentwicklungen des Entwurfes ist nach Beurteilung der Gremiumsmitgliedern sehr gut gelungen. Das vorgeschlagene Gebäude fügt sich selbstverständlich in die Mönckebergstraße ein und setzt mit der überlegten Gliederung und der detaillierten hochbaulichen Ausformung seiner Fassade einen neuen wertvollen architektonischen Akzent in der Innenstadt.
Die Grundrisse und die Erschließung der Hotelzimmer erfüllen im Wesentlichen die Aufgabenstellung der Auslobung, wobei jedoch noch nicht alle Anforderungen des Auslobers erfüllt werden.
Die Verfeinerung der Fassade mit den vorgeschlagenen Formsteinen wird grundsätzlich sehr positiv bewertet, von Teilen des Gremiums wird jedoch drauf hingewiesen, dass ein Eindruck der Überfrachtung entstehen könnte. Für die weitere Bearbeitung der Fassade wird ein Mittelweg empfohlen, der die Klarheit des ursprünglichen Entwurfs und die dekorative Filigranität der Überarbeitung austariert.
Auch die Materialität des Daches mit seiner goldfarbenen Anmutung wird diskutiert, Alternativen wie zum Beispiel ein Kupferdach sind im weiteren Planungsverlauf mit der BSW und dem Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung zu erörtern.
Die Einzelhandelsfassade im EG sowie im 1. OG wurde wie gewünscht wesentlich transparenter gestaltet, die sehr schlanke Ausformung der Klinkerlisenen muss im weiteren Planungsverlauf ebenfalls kritisch überprüft werden.