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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2021

Neue Visionen für die Grün- und Spielanlage Albert-Schweitzer-Weg in Kiel

1. Preis

Bruun & Möllers GmbH & Co. KG

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

WALDSPIELPARK

Die Grünfläche am Albert-Schweitzer-Weg ist in die Jahre gekommen und ein wenig in Vergessenheit geraten. Die Topografie sowie die Überbleibsel der ehemaligen Plantsche zeigen aber, dass dieser Ort einst von besonderem Charakter war. Nun gilt es diesem Grünraum im Spannungsfeld zwischen Wohnquartier und Hafen, Wald und Lichtung, Bergen und Tälern einen neuen Geist einzuhauchen.

Der Entwurf setzt dabei auf ein klares Konzept, dass die Qualitäten der einzelnen Bereiche stärkt und den jeweils richtigen Nutzungen zuordnet. Der Wald bleibt ein Wald den man entdecken kann. Zwischen den Baumstämmen leuchtet ein roter Stamm, ein kleiner Steg führt hier her bis man eine von anderen Kindern die vor einem hier waren gebaute Butze / ein Waldtipi entdeckt. Wer möchte hier nicht unmittelbar einziehen und weiterbauen?

Die große Topografie wirkt wie eine Schale, ein Amphitheater - in ihrer Mitte eine Bühne. Hier treffen sich die etwas älteren Kinder, die es lieben ihre Tricks beim Skaten, Basketball oder Trick-shots mit dem Fußball zu zeigen. Die blaue Fläche aus Gummigranulat gibt ihnen die Bühne, der Hang und die Sitzstufen sind Parkett und Ränge auf denen andere Sitzen und zuschauen. Der blaue EPDM Kreis erinnert durch seine Farbe und die bewegte Oberfläche gleichzeitig an das Wasser der ehemaligen Plantsche. Dort wo es über die Kante schwappt entsteht eine kleine Welle, die heute von Skater (und Bobbycar Fahrer) heiß begehrt wird.

Der grüne Hang bleibt unzerschnitten in seiner eindrucksvollen Form erhalten. Am Rand liegen einige Stufen die es zu erklimmen gilt. Schöner ist es aber hinab – denn da führt eine breite Rutsche, auf der fünf Personen nebeneinander den Hang runter sausen können, hinab. Oben angekommen erreicht man den eigentlichen Spielplatz. Aus rohen und krummen Hölzern geformt entstehen ganze Landschaften die wie vergrößerte Tierwelten, Nester und Höhlen ausschauen. In zwei Flächen, unter dem lichten Dach der Bäume findet man Nischen und Verstecke, Herausforderungen zum Klettern, Türme und Netze. Ein Ort der der Phantasie freien Lauf läßt. Hier finden gerade Kinder zwischen 3 und 10 einen Ort der sie jeden Tag aufs Neue fasziniert, motiviert und inspiriert.
Unter den Bäumen sind auch Sitzplätze und ein langer Tisch angeordnet die zum Verweilen oder für das Picknick zwischendurch dienen.

Der Entwurf gliedert sich insgesamt stark in den Bestand ein. Die vorhandene Topografie wird lediglich bei der Rutsche geändert, um hier die richtige Neigung zu erhalten. Die Plantsche bleibt ebenfalls erhalten und bildet einerseits einen Grabeschutz unter den Sand- und einen Unterbau unter den Gummigranulat Flächen. Extensive Strauchpflanzungen an den Waldrändern gliedern den Ort und hauchen mit ihrer Blüte ein wenig Farbe in das Grün.

Die Eingänge werden durch die klare Anordnung der Wege in den Park sichtbarer. Leitstelen markieren darüber hinaus die Zugänge und beschildern diese. Ein neuer Weg fügt sich ohne Verlust von Bestandsbäumen ein und ersetzt den nördlichen Pflegeweg. Somit erreicht man zukünftig von Osten über den Balkon auf direktem Wege den Waldspielpark.
Der Balkon wird dabei in seiner Massivität reduziert durch das Ersetzen der massiven Brüstung mit einem transparenten Geländer. So wird der Park sichtbar vom Quartier und auf dem Balkon entsteht ein romantisches Plätzchen mit Blick auf die Förde und den Sonnenuntergang.
Die Zuwegung von Süden vom Heikendorfer Weg kann leider nicht barrierefrei hergestellt werden. Die Ausbildung einer Rampe die auch nur annähernd den Richtlinien zur Barrierefreiheit entspricht würde einen sehr großen baulichen Aufwand (Rampen, Stützmauern, Geländer etc.) sowie einen nicht vertretbaren Eingriff in den Waldbestand bedeuten. So dass im Entwurf der Weg in seiner Neigung nur vereinheitlicht wird und Ruhepodeste alle 10m mit einer Sitzgelegenheit angeboten werden, um den Aufstieg zu erleichtern.
Während dieser Zugang aufgrund der Gefälle aus Asphalt hergestellt wird sind die sonstigen Wege in Wassergebundener Decke vorgesehen.
Eine Rampe nördlich des Gebiets ermöglicht jedoch eine barrierefreie Erschließung und Durchwegung von Süd-Ost nach Nord-West. Auch Wald und Spielflächen sind, zumindest in Teilen barrierefrei zugänglich. Auf Stegen kann man hier mit eintauchen oder auf dem gepflasterten Kreisweg und der EPDM Fläche direkt dabei sein.

Neben den Spielgeräten und -Flächen findet man als besonderes Element immer wieder die Farbe Rot. Ein paar der Robinienstämme der Spielgeräte sind rot lasiert, Stelen an den Eingängen ebenfalls. Aber auch die Mittelsäule an der das Waldtipi gebaut wird ist rot wie auch die Masten der Leuchten. So markiert die Farbe den Ort, leitet, lenkt und sammelt und erzeugt eine eigene Identität.

Wirtschaftlichkeit und Kosten
Durch die geringen Eingriffe in den Bestand, den weitestgehenden Erhalt der Topografie und auch der Betonfläche der Plantsche, sowie den Verzicht auf eine baukonstruktiv aufwendige Rampe am südlichen Zugang geht der Entwurf nicht nur behutsam mit dem Ort und den ökologischen Werten um, sondern ist auch im Rahmen der Kosten umsetzbar. Dabei gelingt es die zur Verfügung stehenden Mittel so einzusetzen, dass diese in den wichtigen Bau der Wege, Beleuchtung und vor allem einen sehr hohen Spielwert fließen. Der deutlich geringere Teil fließt in wenig sicht- oder erlebbare Elemente. Durch den Einsatz natürlicher Elemente wie vor allem naturbelassenes Holz im Spielbereiche oder die Wassergebundenen Wegedecken ist die Anlage auch dauerhaft mit einfachen Mitteln zu unterhalten. Alle Flächen sind gut erreichbar nicht nur für Besucher sondern auch für Pflege und Unterhalt.

Ideenteil:
Der Balkon im Osten stellt einen wichtigen Zugang aus dem Quartier dar. Mit seiner Ausrichtung nach Westen ist er ein besonderer Ort gerade in den Abendstunden. Die Brüstung wird durch ein transparentes Geländer ersetzt, die Treppe kompakter gestaltet um den Durchschlupf zwischen Brüstung und Gebäude aufzulösen. Eine lange, gemütliche Bank lädt zum Abendtrunk im Sonnenuntergang mit Blick auf die Kieler Förde ein. Aber auch der neue Park wird sichtbarer und damit einlandender.
Der Albert-Schweitzer- Weg wird als verkehrsberuhigter Bereich (Spielstraße) umgestaltet. Betonpflaster mit dezenten Markierungen von Farbahn und Stellplätzen sowie neue Baumpflanzungen integrieren ihn mehr in den Freiraum. Gerade mit den angrenzenden Nutzungen Spielplatz und KiTa ist hier eine Verkehrsberuhigung von hohem Wert.
Der Heikendorfer Weg mit dem Busverkehr wird als Straße verbleiben. Die Fahrbahn wird allerdings auf 5,50m Breite verringert, so dass Raum für beidseitige Schutzstreifen für den Radverkehr erzeugt wird. Die 5,50m reichen, um im Regelfall das Begegnen von PKW und Bus zu ermöglichen. Nur bei dem seltenen Fall, dass sich zwei Busse oder Bus und LKW begegnen, muss einseitig auf den Schutzstreifen ausgewichen werden. Da dieser Fall aber sehr selten ist, ist es mit dem Radverkehr vereinbar. Für die Fußgänger verbleibt aufgrund des insgesamt knappen Straßenprofils ein Bereich von min. 1,75m.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Arbeit gelingt in herausragender Weise die Einbindung der Grünanlage in den Landschaftsraum.
Die stark bewegte Topographie des Geländes wird in besonderem Maße berücksichtigt, die Gestaltung spielt mit der Lage am Kieler Fördehang. Mit den wertvollen Biotoptypen, wie dem Wald im südlichen Bereich, wird dabei sensibel umgegangen.

Der Entwurf verknüpft die Grünanlage vorbildlich mit dem umgebenden Quartier.

Dies wird zum einen durch schlüssige Wegebeziehungen und Anknüpfungen an den Heikendorfer Weg und weiter in Richtung Helenenstraße sowie hangaufwärts zur Nachtigalstraße (hier wird das vorhandene Plateau in Wert gesetzt) und im Süden an den Wanderweg oberhalb der Kleingärten erreicht. Dabei ist es gelungen, Barrieren zu minimieren. Am südlichen Weg entlang des Waldrandes muss die Funktion der geplanten Ruhezonen noch einmal überprüft werden.

Zum anderen folgt der Entwurf ganz dem Credo der Verfasser*innen, ein „WaldSpielPark“ zu sein. Durch die klare Zonierung in vier Aktionsräume mit unterschiedlichen Gestaltungs- und Nutzungsintensitäten („Butzenbau, Tummel, Klippe und Trubel“), erhält die Grünanlage ein funktionales und gestalterisches Rückgrat:

• Der ‚Butzenbau‘: Im südlichen Waldbereich wird mit sensibel eingebrachten Elementen wie einem aufgeständerten Holzbohlenpfad zum Eintauchen in ein Walderlebnis eingeladen.
Kinder können hier auf Entdeckungsreise gehen. Empfehlung der Jury: Den Pfad nicht als
Sackgasse enden lassen, sondern z. B. als Rundweg ausbilden.
• Der ‚Tummel‘: Hier wird die ehemalige Plansche zur multifunktionalen Mini-Arena umgestaltet.
Sie kann für Streetball ebenso genutzt werden, wie temporär als Bühne. Die Fläche ist wandelbar und so können auch künftige Trends hier ihren Platz finden. Die blaue Farbgestaltung erinnert an das ehemalige Planschbecken und ist ein wahrer Hingucker.
• Die ‚Klippe‘ zur obere Ebene wird durch die breite Hangrutsche spielend überwunden. Der Tribünencharakter des Geländes sollte hier noch für weitere Sitzgelegenheiten genutzt
werden, um hier auch aus leichter Entfernung eine Teilhabe und Aussicht zu ermöglichen.
• Auf dem nördlichsten und höchstgelegenen Bereich herrscht ‚Trubel‘. Hier überzeugen besonders die vielfältigen Angebote für alle Generationen. Wobei die eine oder andere Treff- und Sitzgelegenheit noch hinzukommen sollte. Die phantasievollen Spielgeräte geben Anreiz zum Klettern und Toben. Sie sind narrativ, aber gleichzeitig so wenig vorgefertigt, dass sie den Kindern jeden gedanklichen und spielerischen Freiraum lassen. Hier ist allerdings die Materialwahl aus reiner Holzkonstruktion aus Unterhaltungsgründen noch einmal zu überdenken. Der lange Picknicktisch bietet gleichzeitig Aussicht auf das Kleinkinderspiel und über die tiefer gelegene Plansche.

Auf der gesamten Fläche scheint jede Altersstufe eingeladen zu sein, auch die Angebote der ‚anderen‘ zu nutzen. So entsteht in Dietrichsdorf ein neuer Begegnungsort, ganz nah vor den Haustüren des Quartiers.