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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2021

Umbau und Sanierung Gebäudekomplex „An der Burg“ in Mühlhausen

Anerkennung

Preisgeld: 13.000 EUR

ADOBE Architekten + Ingenieure GmbH

Architektur

PSL Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leitidee

Die Herausforderungen an das Areal ergeben sich nicht nur aus der in die Jahre gekommenen Bebauung und ihrer Bewohner. Es sind die drängenden Themen – soziale Gerechtigkeit, Klimawandel, Ressourcen-knappheit, Artenrückgang. Alles hängt mit allem zusammen. Auch die kleinste Maßnahme soll daran gemessen werden, wie wir mit diesen Themen umgehen und unsere gebaute Umwelt zukunftsfähig machen. Deshalb werden wir Dächer begrünen, Regenwasser zurückhalten und erneuerbare Energie verwenden. Wir werden befestigte Flächen minimieren und Vegetations-flächen mit einer Vielzahl von Arten versehen. Ausreichender und bezahlbarer Wohnraum, nachhaltig saniert, aus gesunden und nachwachsenden Rohstoffen, mehr Gemeinschaft neben individueller Freiheit, Chancengleich, umweltschonende Mobilität, nutz- und bespielbarer Freiraum für jedes Alter, klimagerechte und schattenspendende Bäume, saubere Luft, körperliche und geistige Gesundheit begleiten den Alltag der Bewohner und machen fit für das 21. Jahrhundert.


Städtebau

Das Wohngebiet zwischen dem Grünen Ring/Straße An der Burg und der Feldstraße ist von zentraler Lage, verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur und kurze Verbindung in den historischen Stadtkern. Das Areal stellt sich als Übergangsbereich zwischen Altstadt und dem Neubaugebiet dar. Zwar wird die manifestierte städtebauliche Situation keine grundlegenden Veränderungen erfahren, gleichwohl führen die Korrekturen – sowohl im Freiraum als auch in den Gebäuden zu einer wesentlichen Aufwertung der Wohnqualität.

Die Gebäudestruktur am östlichen Rand des Wettbewerbsgebietes löst sich von der üblichen Blockrandstruktur. Durch einfache bauliche Ergänzungen erfolgt eine räumliche Abrundung in diesem Bereich. Auch wird die vorhandene Öffnung des Freiraums - hin zur belebten Straße An der Burg – sowohl durch die überbaute Stellplatzanlage als auch eine Allee - räumlich eingeschränkt und erfährt somit mehr Zuordnung und gefühlte „Privatheit“ zum Wohngebiet. Verstärkt wird dieser Eindruck zudem durch höhergelegte Freiflächen, wie z. B. am Wohngebäude „An der Burg“, wo tatsächlich mehr Privatheit für die Bewohner der unteren Geschosse, entlang des öffentlichen Weges entsteht. Andere Flächen dagegen werden mehr geöffnet – wie die Fläche vor dem Haus der Begegnung.

Trotz stärkerer räumlicher Fassung des wohnungsnahen Grüns wird die Verbindung zum öffentlichen Grünen Ring und zur Altstadt weiter aufgewertet: Der Übergang an der Ampelanlage erfolgt zwar gebündelt, dennoch ist die Sichtverbindung transparent. Die Verbindung wird großzügig umgestaltet, indem die kleinteiligen Servicegebäude des Busbahnhofes abgerissen und durch einen Neubau an geeigneterer Stelle ersetzt werden.

Für die sichtbaren Dachflächen bestehender (Edeka) sowie neuer Gebäude (Parkplatzüberdachung, Servicegebäude am Busbahnhof) wird extensive Begrünung vorgeschlagen.


Freiraum

Der Freiraum hat weiterhin sowohl Transit- (weiteres Wohngebiet, Schule, Sporteinrichtungen, Altstadt), Erschließungs- (Einzelhandel, Gastronomie, Pflegeheim, Haus der Begegnung etc.) und Aufenthaltsfunktion. Im sog. Entrée – dem Übergang von der Altstadt her – wird ein „Klima-Checkpoint“ vorgeschlagen, ein interaktiv zu benutzender Servicetower zum Abrufen verschiedener Umweltdaten und Informationen, die Stadt und Umland betreffend.

Der Freiraum besteht aus der zentralen, öffentlich nutzbaren und parkartigen Grünanlage, flankiert von privatem Grün der Wohngebäude, und geht über in den „urbanen Platz“, zwischen Schule und Kaufhalle. Die Freianlagen verfügen über ein differenziertes, barrierefreies Wegesystem.

Der teils ringförmige und durchgängige Hauptweg ist für Fußgänger und Radfahrer gleichermaßen nutzbar und ist bei Dunkelheit beleuchtet. An den Engstellen, im Bereich des Edeka-Marktes, weichen Pkw-Stellplätze an andere Stellen aus, zu Gunsten einer großzügigen Wegeführung mit begleitenden Vegetationsflächen und schattenspendenden Bäumen. Andere Wege erschließen konkrete Ziele, wie z. B. die Hauseingänge.
Die erforderlichen Zufahrten für Rettungs- und Pflegefahrzeuge sowie Parkplatzzufahrten sind gewährleistet. Der bisher direkt an der Ringstraße liegende Fußweg verläuft nun innerhalb einer Baumallee.

Die zentrale, mit 0,70 m tieferliegende Grünanlage wird als „Senkgarten“ angelegt, der -abgeschirmt vom Durchgangsweg - zum Verweilen einlädt. Er wird von Stufenanlagen und einem barrierefreien Weg erschlossen. Zukunftsfähige Starkbäume werden erhalten. Auf der westlichen Seite ist eine abschirmende artenreiche Baum- und Strauchpflanzung vorgesehen, während sich die flachere Seite nach Osten hin öffnet und terrassiert wird. Die mit Blöcken aus heimischem Kalkstein gefassten Terrassen werden mit schattenspendenden Bäumen bepflanzt und mit Rasen angelegt, so dass sie als Liegewiese nutzbar sind. Alle anderen Vegetationsflächen werden mit pflegearmen Staudenmischpflanzungen oder als artenreiche Wiese angelegt, welche über das Jahr Blühaspekte bieten sowie Vögeln und Insekten Nahrung bieten. Auf dem unteren Plateau bieten sich Sitz- und Spielmöglichkeiten für verschiedene Altersgruppen an sowie Vegetations-flächen mit vielfältigen Gräsern, Farnen und Schattenstauden. Die vorhandenen Kunstobjekte werden integriert und ergänzt.

Die an der Ringstraße vorhandenen öffentlichen Pkw-Stellplätze werden neu geordnet und baulich gefasst. Hier befinden sich auch Ladestationen für E-Autos und E-Bikes. Mindestens ein Stellplatz ist einem Teil-Auto vorbehalten. Die Dächer sind extensiv begrünt und weisen zudem eine Solaranlage zum Laden der E-Bikes auf. Eine öffentliche Toilette oder eine Geräteraum ist integrierbar. Während ein Bolzplatz straßenseitig angeordnet wird, ist auf der dem Senkgarten zugewandten Seite ein Atrium integriert, welches verschiedene, z. B. auch kulturelle Nutzungsmöglichkeiten bietet.

Entlang der Feldstraße wird ebenfalls eine straßenbegleitende Baum- und Strauchpflanzung angestrebt, unter Einbeziehen privater Grundstücke. Der urbane Platz, zwischen Schule und Edeka-Markt, wird hinsichtlich seiner befestigten Flächen minimiert, zugunsten von Vegetation einschl. weiterer Baumpflanzungen. Das so erhaltene „Wäldchen“ wird mit Spielmöglichkeiten aus natürlichen Materialien, wie Balancierhölzern und Blocksteinen angereichert und von Sitzbänken eingefasst. Anstelle des alten Wasserspiels ist eine ebenerdige Wasseranlage vorgesehen, deren Fontänen für Verdunstung und Abkühlung sorgen.
Bei entsprechender Erdgeschossnutzung der „Gebäudeecke“ wird der Platz durch Außengastronomie belebt. Der angrenzende Hang, der von den Unterrichtsräumen aus einsehbar ist, wird durch eine Strauchpflanzung gefasst und artenreich, z. B. mit Beerensträuchern und Kräutern - als „Essbarer Garten“ - angelegt. Bei Bedarf können eine kleine „Bühne“ und Sitztraversen für Unterricht im Freien integriert werden.

Die den Wohnungen direkt zur Nutzung zugeordneten privaten Freiräume werden auf EG-Höhe angehoben und von mittelhohen Hecken vor Einblicken geschützt. Wo möglich, kommen Kletterpflanzen zum Einsatz.
Die Hauseingänge erhalten jeweils Fahrradstellplätze. 50 Prozent der Stellplätze befinden sich in Fahrradgaragen. Auf der Hofseite wird der Hausgemeinschaft ein „Kleiner „Anger“ angeboten, mit Baum, Bank und Kinderspielplatz (bis 6 Jahre), mittels Hecken vom ruhenden Verkehr abgeschirmt. Durch den Abriss des Technikgebäudes an der Schule werden die Pkw-Stellplätze neu und in ausreichender Zahl angeordnet. Die Zufahrt zum Schulhof wird verlegt. Der zentrale und eingefasste Müllplatz ist ausreichend für den angegebenen Bedarf.


Wohngebäude

Die Ausrichtung eines Teiles der Wohnungen wird zur bisherigen Lage um 90° gedreht. So binden an die Treppenhäuser drei Wohnungen an und die Fassadenfläche pro Wohnung verbreitert sich. Damit erhält jede Wohnung einen großen Balkon, ohne dass sich die Bewohner gegenseitig stören.
Durch das Anbinden von mehreren Wohnungen an ein Treppenhaus entfallen zwei Treppenhäuser. Diese werden zur Wohnfläche umfunktioniert.
Die Aufzüge werden im Inneren angeordnet, um die äußere Gestalt nicht nachteilig zu beeinflussen. An vier Hauseingängen gibt es einen ebenerdigen Zugang zu den Aufzügen.
Die Dachflächen erreicht man über die weiter geführten Treppenhäuser bzw. die Aufzüge. Hier werden gemeinschaftlich zu nutzende Flächen bereitgestellt, welche die Bewohner mitgestalten können. Neben der Anlage von Beeten mit Nutz- und Zierpflanzen können auch Rückzugsbereiche angelegt werden.

Barrierefreiheit
Die Wohnungen der Eingänge 8a bis 8e werden über einen innenliegenden Aufzug erschlossen.
In diesen Wohnungen werden alle Wohnungen barrierefrei erreicht, alle Räume sind so ausgebildet, dass sie mit dem Rollstuhl erreichbar sind.
Die Auflagen nach §50 ThürBO Barrierefreies Bauen werden über das gesamte Gebäude erfüllt, da die geforderte Erreichbarkeit von barrierefrei erreichbaren Wohnungen nicht über ein gesamtes Geschoss, sondern über eine adäquate Anzahl von Wohnungen nachgewiesen wird.

Nachhaltigkeitsansatz
Durch die kompakte Gebäudestruktur und das A/V-Verhältnis ist das Gebäude sehr wirtschaftlich.
Allerdings wurde bei der Herstellung sehr viel Energie aufgewendet, welche als graue Energie noch in der Konstruktion bestehen bleibt. Aus diesem Grund sollte möglichst die vorhandene Substanz genutzt werden.
Die zusätzlichen konstruktiven Maßnahmen erfolgen vorwiegend mit Bauteilen aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Balkone werden durch vorgefertigte Holzkonstruktionen vor das Gebäude gestellt. Die Dämmung der Fassade bzw. des Daches erfolgt mit Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen.
Weiterhin wurde bei den Baustoffen auf eine dauerhafte und gut zu reinigende Konstruktion geachtet. Die Fassade besteht aus Plattenmaterial, welches über die gesamte Lebensdauer nicht mehr ausgetauscht werden muss.

Energetisches Konzept, Materialien, Techniken
Die Gebäude werden an die Fernwärme angeschlossen.
Bei der Haustechnik wird auf eine einfache, dauerhafte Lösung gesetzt.
Auf einen außenliegenden Sonnenschutz wird verzichtet, da die Balkone bereits einen natürlichen Sonnenschutz darstellen. Einzig bei den Dachfenstern wird außenliegender Sonnenschutz vorgeschlagen.
Die Lüftung wird über Abluft in den Bädern/Küchen und Nachströmöffnungen in den Fenstern realisiert. Durch die Lage der Bäder an der Außenwand kann weiterhin die Lüftung direkt über die Fenster erfolgen.
Die Heizungsanlage wird raumweise gesteuert und kann programmiert werden. Damit hat der Mieter direkten Einfluss auf den Energieverbrauch.

Brandschutz
Die Wohnungen besitzen jeweils 2 unabhängige Rettungswege. Der erste Rettungsweg führt über das notwendige Treppenhaus direkt ins Freie. Der zweite Rettungsweg erfolgt über die Rettungsgeräte der Feuerwehr. Dabei wird jeweils das Fenster genutzt, welches nicht an den Balkon aus Holzkonstruktion angebunden ist. Die Zufahrt und Aufstellfläche der Feuerwehr wurde berücksichtigt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Weniger grundlegende Veränderungen, sondern kleinere Korrekturen und Ergänzungen an Gebäuden und Freiraum sollen zu einer wesentlichen Aufwertung der Wohnqualität im Wettbewerbsgebiet führen. Dieser Ansatz wird von der Jury begrüßt. Durch eine Alleebepflanzung der Straße „An der Burg“ und ein zweigeschossiges Parkhaus wird die große Grünfläche im Süden räumlich plausibel gefasst. Die mutige Weiterentwicklung der vorhandenen Senke zum ellipsenförmigen Senkgarten mit Rasenstufen und das übergeordnete Wegekonzept überzeugen durch ihre räumliche Kraft. Leider liegt der Senkgarten durch die weitgehende Rodung des vorhandenen Baumbestandes ohne wesentliche Neupflanzungen in der prallen Sonne, was die Aufenthaltsqualität in den Sommermonaten wieder deutlich mindert. Auch das in das Parkhaus eingeschnittene runde Atrium bleibt funktional etwas unverständlich und konkurrenziert formal die Ellipse des Senkgartens. Während die zweite, kleinere Grünfläche im Norden deutlich positiv bewertet wird, mindern die zahlreichen ebenerdigen, offenen Stellplätze auf drei Seiten des Edeka-Marktes und südlich der Margarethenschule die Aufenthaltsqualität im Freiraum erheblich. Auch der Bolzplatz zwischen Parkhaus und stark befahrener Straße „An der Burg“ wird hinsichtlich der Positionierung und absehbaren Milieubildung eher kritisch gesehen. Die neuen Wohnungsgrundrisse inkl. Bädern mit Fenstern und großen Balkonen bieten eine schöne Aufwertung der Bestandsgebäude und gliedern die Fassade angenehm. Die Anzahl der Treppenhäuser wurde von acht auf sechs reduziert und diese mit Aufzügen barrierefrei aufgewertet. Insgesamt scheinen die Neuorganisation der Grundrisse und die großzügig vorgestellten Balkone gut umsetzbar und wirtschaftlich vertretbar, wobei die eingefassten und leicht erhöhten Vorgartenbereiche strittig diskutiert werden. Insgesamt ein robuster Beitrag mit mutigen Vorschlägen zur Landschafts- und Baugestalt.
"An der Burg Mühlhausen" - Poster 1

"An der Burg Mühlhausen" - Poster 1

"An der Burg Mühlhausen" - Poster 2

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"An der Burg Mühlhausen" - Poster 3

"An der Burg Mühlhausen" - Poster 3