modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Mehrfachbeauftragung | 07/2021

Neues Quartier am Groten Pohl in Rostock

1. Preis

haascookzemmrich STUDIO2050

Architektur

Gehl

Stadtplanung / Städtebau

Ramboll Deutschland GmbH

Landschaftsarchitektur

Transsolar Energietechnik GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Das von haascookzemmrich STUDIO2050 mit Gehl Architects Copenhagen, Transsolar Stuttgart und Studio Dreiseitl Überlingen bearbeitete Projekt für ein gemischt genutztes Stadtquartiers in Rostock ging als Sieger aus der Machbarkeitsstudie heraus.

Der Groter Pohl ist das „missing link“ innerhalb der Stadtgebiete Hansa Viertel, Kröpelinertor- Vorstadt, Lindenpark, Hauptbahnhof und Südstadt.
Es geht darum ein ideales, zukunftsweisendes, weil wirklich menschenorientiertes Stadtviertel mit dem Ziel, humane, soziale, energetische, bauliche und zukunftsorientierte Aspekte zu verwirklichen.
Die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, ist dabei zentral. Denn der Groter Pohl soll in den 2020er Jahren gebaut und auch noch für die 2100er Jahre inspirierend sein und eine internationale Vorbildfunktion haben.
Für die Qualität einer Stadt ist die Qualität der Zwischenräume wesentlich. Daher liegt das Augenmerk in der Schaffung attraktiver und abwechslungsreicher Gassen, Wege und Strassen. Die Verknüpfungspunkte zu den umliegenden Nachbarschaften werden aufgegriffen und fortgeführt. Der Groter Pohl soll als Verbindung die Universität mit der Innenstadt und dem Gebiet um den Hauptbahnhof verknüpfen und mit Stadträumen mit hoher Aufenthaltsqualität ein Herz seiner Umgebung werden. In Sichtachsen gestellte Baukörper und eine variantenreiche Höhenentwicklung ermöglichen es einen vielfältigen Strassenraum zu erleben. Die Nachbarschaftsgassen dienen als Begegnungsräume und erweiterte Wohnzimmer ihrer Bewohner. Sitzinseln um kleine Mikrogärten laden zum abendlichen Plausch ein.

Bebauung
Die Blockrandbebauung in typischer Rostocker Parzellengröße bietet den Rahmen der 4-6 geschossigen Höhenstaffelung. Einzelne Stadthäuser werden das Straßenpanorama bereichern und für ein vielschichtiges Stadtbild sorgen. Individuell gestaltete Dachlandschaften brechen die Monotonie langlaufender Traufkanten. Die Quartiersgaragen
und Mobilitätshubs sind mit Solaranlagen und Vertikaldrehern ausgestattete Energiezentren des Gebiets und werden zum Sinnbild einer nachhaltigen und CO2 neutralen Quartiersentwicklung.
Durchbrüche zu den Wohnstrassen erlauben Blickbeziehungen in die Innenhöfe mit Ihren Garten- und Spielflächen. Im Hofzentrum laden Lauben und Spielinseln zum Nachbarschaftstreff ein. Diese zentralen Flächen der einzelnen Blockstrukturen sind über barrierefreie Wege miteinander verbunden und erm.glichen bei Quartiersfesten ein besonderes Stadterleben.

Hierarchie der Freiräume
Ein ganzes Spektrum verschiedener Freiräume soll für die Lebensqualität im Groter Pohl sorgen. Die 4 Plätze, die Straßen, Gassen und Wege sollen in ihrem jeweiligen Charakter und Funktion durch die individuelle Gestaltung unverwechselbar erkennbar sein. Dabei ist uns die Abfolge von Maßstäben und Öffentlichkeit-Privatheit von gemeinschaftlichen Parkflächen entlang der Bahn, über den gemeinschaftlichen Blockinnenhof bis hin zum privaten Garten wichtig. Eine robuste, gestaltgebende „Basislandschaft“ mit Solitär- und Baumreihen, Wiesen und Heckenpflanzungen, der funktionalen Gliederung der Räume und der Topografie kann und soll sich auch weiterentwickeln. Nutzungsoffene „Jokerflächen“ und multicodierte Räume sollen Platz bieten für die Ideen, Beteiligungen und Anforderungen durch zukünftige NutzerInnen.


Identifikation und Funktionalität
Die halböffentlichen Blockinnenräume sind Spiel- und Aufenthaltsort, Platz für Regenwasserbewirtschaftung der umgebenden Flächen, bieten Raum für gemeinschaftliche Initiativen und sind damit ein erster Identifikationsort für Bewohner und Besucher.

Die im „Bahnpark“ notwendigen Retentionsfunktionen und wenn möglich Artenschutz-Ausgleichsflächen sollen in eine extensive, großzügige Parklandschaft integriert werden. Wertvolle, bestehende Gehölze sollen als „Inseln“ in den abgesenkten, überflutbaren Wiesenflächen erhalten werden - mit dem Ziel eines integrierten, ganzheitlichen Bildes. In Spazierweg schließt an die halböffentlichen Blockinnenbereiche an. So wird der Übergang zwischen den Grundstücken definiert, wird der Park in seiner Länge erschlossen und der Raum zwischen diesem Weg und dem parallelen Radweg für seine Nutzer aufgespannt. Besondere Orte im Park sind sicher die interkulturellen Gärten am Ende des „Gracht-Boulevards“, der Teich als Zielort im Nordzipfel des Areals sowie die kleine „Mikroplätze“ an Kreuzungen und besonderen räumlichen Situationen.

Die Boulevards sind nicht nur die bequemsten und attraktivsten Verbindungen zwischen den Quartieren, sie sind auch Orte für Feste, Geschäfte und Begegnungsraum. Entsprechend finden sich informelle Nischen, Möglichkeiten zur Kommunikation und Aneignung, die sich im Laufe der Zeit entwickeln und verändern können. Die Artenauswahl und Baumstellungen unterstützen diese Notwendigkeiten.

Das direkte und indirekte Erleben und Erfahren von Natur und Raum sind Schlüsselqualitäten eines nachhaltigen Stadtquartiers. Der Freiraum als Ganzes soll als Spiel- und Erfahrungsraum angelegt werden. Daneben ist ein Angebot verschiedener Spiel- und Sportmöglichkeiten vorgesehen. Der Freiraum bietet so ein sinnliches Erleben von Natur, gewährleistet aber auch die notwendigen Funktionen. Feuerwehraufstellflächen, Orientierung, Pflege, Entwässerung, Artenschutz, Arbeiten im Freien sind nur einige der integrierten Funktionen.

Das Areal bietet bereits heute ökologisch wertvolle Strukturen. Daher sollen bei der zukünftigen Entwicklung des Quartiers eine größtmögliche Vielfalt an unterschiedlichen Habitaten und Mikro-Lebensräumen geschaffen und wenn möglich, erhalten werden. Nach der Idee des „Animal Aided Designs“ sind konzeptionell für verschiede, repräsentative Arten Lebensräume geplant. So soll einer Vielzahl von Lebewesen Lebensraum angeboten und zu einer hohen Biodiversität im Quartier beitragen werden. Dichte Baumhaine und Staudenpflanzungen, trockene und feuchte Biotope ergänzen sich mit offen, blütenreichen Wiesen. Auch die Innenhöfe sollen unter dem Gesichtspunkt hoher Lebensraumvielfalt gestaltet werden, so z.B. durch die wechselfeuchten Retentionsräume, oder die angrenzenden Hecken und Privatgärten. Die Straßen und Parkbäume werden mit Vogelnährgehölzen und Obstbäumen komplettiert.

Klimaanpassung und „cradle to cradle“
Für das Wasserkonzept wird eine ganzheitliches, in sinnvollen Kreisläufen organisiertes, klimaangepasstes Gesamtkonzept vorgeschlagen. Ziel ist die Etablierung/Erhalt eines natürlichen Wasserhaushalts - d.h. Verdunstung, Grundwasserneubildung und Oberflächenabfluss ähnlich einer unbebauten Fläche. Das Regenwasser wird komplett vom Kanal entkoppelt und im Gebiet dezentral und oberflächig bewirtschaftet. Das notwendige Retentionsvolumen wird dabei auf das gesamte Gebiet integriert bereitgestellt. Die dafür notwendigen Funktionen zur naturnahen Regenwasserbewirtschaftung werden durch die Konzeptbausteine Gründächer (mit Wassereinstau), Retentions- und Wasserflächen, oberflächigen Mulden-Gräben-Rinnen, Zisternen, Filterbiotope etabliert. Diese technischen Funktionen werden als prägende Elemente in der Gestaltung und Atmosphäre des Freiraums sichtbar. Für die Starkregenvorsorge gewährleistet eine entsprechend integrierte Entwässerungstopografie und Rückhaltemöglichkeiten in den Grünbereichen Sicherheit. Der Teich als „blaues Herz“ sowie die verbindende Gracht und die Gräben sorgen für ein besseres Kleinklima auch an heißen Tagen, für Lebens- und Gestaltqualität, sind „place-making“. Sie sind ebenso zentrales Element der Regenwasserbewirtschaftung. Eine Regenwassernutzung in den Gebäuden zur Bewässerung, als Brauchwasser z.B. in den Toiletten wäre ebenso denkbar und wünschenswert.

Die oberflächige Regenwasserbewirtschaftung, das hohe Grünvolumen, die durchlässigen in der Fläche minimierten Beläge und die grünen Fassaden- und Dachflächen sollen effektiv der Aufheizung entgegenwirken.

Wie wir bauen – die Materialität orientiert sich an den nachhaltigen Grundsätzen von „Cradle2Cradle“. Wiederverwendbare, robuste und durchlässige Beläge in Kombination mit akzentuierenden ortstypischen massiven Natursteinaufkantungen, wie z.B. Sitzmauern sollen so die befestigten Bereiche prägen. Die Pflanzenauswahl folgt der potentiellen natürlichen Vegetation, aber auch an den sich verändernden klimatischen Herausforderungen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Nutzungsverteilung und Anpassbarkeit
Der städtebauliche Entwurf gliedert das Areal Groter Pohl in vier Quartiere mit jeweils unterschiedlichen Nutzungsschwerpunkten. Mittig liegen großzügig zugeschnittene Baufelder, die Wohnnutzungen aufnehmen. Nördlich, süd-westlich und süd-östlich schließen jeweils Bebauungsbänder an, die ergänzenden Nutzungen vorbehalten sind. Die vorgeschlagene Nutzungsverteilung greift die Vorgaben der Auslobung und des Bebauungsplans B09.W.192 auf.
Die Bündelung der Wohnnutzung in der Quartiersmitte berücksichtigt die Anforderung an den Immissionsschutz. Vorgeschlagen werden großzügig zugeschnittene Nachbarschaften mit einer jeweils eigenen inneren Erschließung. Jede Nachbarschaft setzt sich aus unterschiedlich ausgebildeten Randbebauungen und privaten Freiflächen zusammen. Die jeweils gewählte Größe und die innere Gliederung lässt ein Nebeneinander unterschiedlicher Wohnformen, Gebäudetypen und Grundstücksgrößen zu. Zudem bietet jede der Nachbarschaften unterschiedliche Lagequalitäten. Zusammengenommen addieren sich die Freiflächen zu großen Hofräumen, von denen alle Anrainer einer Nachbarschaft gemeinsam profitieren.
Das süd-westlich der Wohnnutzung liegende Band entlang der Erich-Schlesinger-Straße integriert die Bestandsbauten von Kaufland und Tankstelle sowie die geplante Erweiterung der Feuerwache. Im nördlichen Bebauungsband entlang der Bahntrasse sind Bildungseinrichtungen untergebracht (Universität, Schule, Kita,) sowie universitätsnahe Nutzungen. Ergänzend wird vorgeschlagen, hier besondere Wohnformen in Verbindung mit Gewerbeeinheiten einzufügen. Das Band entlang des Südringes nimmt überwiegend Dienstleistungen und gewerbliche Nutzungen auf.
Die Baufelder lassen bei Bedarf jeweils auch abweichende Grundstücksaufteilungen zu. Eventuell störende Nutzungen, wie die Feuerwehr, werden mit einer Pufferbebauung zu den anschließenden Wohngebäuden versehen. Aufgezeigt werden auch Möglichkeiten, die Grundstücke von Tankstelle und Kaufland künftig weiter zu entwickeln.
Erschließung und öffentliche Räume
Erschlossen wird das Gebiet durch eine Abfolge aus zwei Erschließungsringen. Zur Sicherung eines autofreien/autoarmen Quartiers übernimmt der erste Ring die Haupterschließung für den motorisierten Individualverkehr. Entsprechend liegen hier die beiden Mobilitätshubs inklusive Quartiersgaragen. Dagegen wird der zweite Ring lediglich genutzt durch die zwingend notwendigen Verkehre wie Anlieferung, Rettungsfahrzeuge und Feuerwehr.
Vorgeschlagen wird, jedem Mobilitätshub eine eigene Platzfläche zuzuordnen, die zusammen mit Kaufland bzw. dem Schulkomplex jeweils als Antritt in den neuen Stadtteil fungiert. Als Umsteigepunkt bündelt das Mobilitätshub unterschiedliche Verkehrsformen. Bemerkenswert ist, dass das Erschließungssystem nicht ausschließlich als Straße ausgebildet wird. Stattdessen erhalten beide Ringe ein breiteres Raumprofil, dass neben der Erschließung auch öffentlich genutzte Flächen sowie Retentionsbereiche aufnimmt.
Ergänzt wird das Angebot an öffentlichen Räumen durch einen Quartiersplatz in zentraler Lage sowie einem langgestreckten Park, der die Bahntrasse im Norden begleitet.
Phasierung
Die Entwicklung des Areals Groter Pohl wird voraussichtlich einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Gleichzeitig besteht bereits Nachfrage nach Flächen für Wohn- und Dienstleistungsnutzungen. Entsprechend berücksichtigt das städtebauliche Konzept eine stufenweise Umsetzung. In einem ersten Schritt sollen der äußere Erschließungsring sowie die Mobilitätshubs erstellt werden, danach die Wohn-Nachbarschaften. Parallel oder zeitversetzt entstehen die Bebauungsbänder entlang der Bahntrasse und des Südrings. Unabhängig davon ist eine Transformation der Flächen von Kaufland und Tankstelle möglich. Die vorgeschlagene Phasierung ist gut nachvollziehbar und deckt sich mit den aktuell absehbaren Entwicklungen.
Während der Umsetzung verbleibt zunächst auf der Ostseite des Areals eine zusammenhängende Freifläche. Sie soll durch Zwischennutzungen aktiviert und bespielt werden. Sie tragen gerade zu Beginn der Quartiersentwicklung zur Identifikation und Adressbildung bei.
Empfehlung zur Weiterbearbeitung
Dem Entwurf gelingt es in besonderer Weise, die anspruchsvollen Anforderungen an das Areal Groter Pohl aufzugreifen und in ein eigenständiges städtebauliches Konzept zu übersetzen. Das vorgeschlagene Ordnungsgerüst und die dazugehörigen Baufeldzuschnitte sind robust genug, um künftige Anpassungen zu ermöglichen, ohne dass dabei grundsätzliche Qualitäten des Konzeptes verloren gehen. Darüber hinaus bietet der Entwurf Anknüpfungspunkte für eine zeitgemäße und nachhaltige Stadtentwicklung. Entsprechend wird vorgeschlagen, den städtebauliche Entwurf als Grundlage für die Weiterentwicklung des Gebiets zu wählen.