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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2021

Neugestaltung Fußgängerzone Bergheim

Die neue Ortsmitte am Hubert-Rheinfeld-Platz

Die neue Ortsmitte am Hubert-Rheinfeld-Platz

1. Preis

Preisgeld: 38.800 EUR

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

KONZEPT
Die Lage der Stadt an der historisch bedeutenden Handelsroute Köln - Aachen - Antwerpen und das durch den Tagebau überformte Umland haben die baugeschichtlichen Entwicklungen Bergheims maßgeblich geprägt. Die als heterogen zu bezeichnende innerstädtische Verbindungsachse entlang der Hauptstraße wird heute ihrer Funktion als Lebensader und attraktiver Einkaufs- und Erlebnismeile nicht ausreichend gerecht. Die Profilierung und gleichzeitige Verbindung von Alt- und Neustadt birgt großes Potential, um Bergheim eine deutlich gesteigerte Anziehungskraft zu verleihen.
In unserem Entwurfskonzept reichen sich das historische und neuzeitliche Stadtzentrum im Bereich der kleinen Erft die Hand. Als konstantes und identitätsstiftendes Rückgrat prägt zukünftig die neugestaltete Hauptstraße als charakterstarke Promenade die Innenstadt. Durch eine zusammenhängende Flaniermeile und die daran angedockten unterschiedlichen Platzsituationen entsteht ein hochwertiges innerstädtisches Ensemble, das mit einer Vielzahl an Atmosphären aufwarten kann. Der an den Ufern der Erft gelegene Hubert-Rheinfeld-Platz bildet dabei die Mitte und das kommunikative Herz der ”Bergheimer Waage”.

“Via Libra” (libra, lateinisch für ‚Waage‘ und ‚Pfund‘)
Neben dem Leitbild der urbanen Promenade versteht sich der Entwurf als Vervollständigung des freiräumlichen Entwicklungskonzeptes „Stadtmauer InSzene“ mit seinen geplanten spielerischen und geschichtlichen “Meilensteinen”. In Fortsetzung der “Bergheimer Spuren“ im Umfeld des Wallgrabens soll die facettenreiche Geschichte der Stadt in Form eines “Zeitstrahls” entlang der Hauptstraße erzählt werden. Als verbindendes Element zwischen Alt- und Neustadt kennzeichnet die im Boden integrierte ”Via Libra“ die neue Bergheimer Promenade. Der elegante Zierstreifen aus Naturstein bildet die Grundlage für ein Leit- und Orientierungssystem im innerstädtischen Zentrum Bergheims.
Entlang des Zeitstrahls wird die Geschichte Bergheims erlebbar gemacht. Die Start- und Endpunkte bilden dabei die Stationen Aachener Tor in der Altstadt und Grünes Tor im Bereich der Neustadt. Zwischen diesen beiden Polen wird begleitend zur Altstadt die historische und im Bereich der Neustadt die zeitgenössische Geschichte der Stadt erzählt. In den an ein Ziffernblatt erinnernden “Zeitzeichen“ werden die wichtigen historischen Ereignisse der Stadt in Form von Bodenintarsien kommuniziert. Ergänzend dazu werden durch feine Symbole Hinweise auf besondere Denkmäler oder auf wichtige kulturelle Einrichtungen gegeben. Neben der Funktion als Leitsystem dient das Band der „Via Libra“ auch der linearen Entwässerung und als taktiles Leitsystem. Die entlang der Stadtmauer geplanten „Meilensteine“ in Form der Spiel- und Lernstationen werden in die Gesamtkonzeption eingebunden und im Bereich der Gassen durch entsprechende Wegezeichen innerhalb des Zeitstrahls markiert.

PLATZSITUATIONEN
Hubert-Rheinfeld-Platz
Der multifunktionale Stadtplatz bildet das Zentrum und die Mitte der Bergheimer Waage, und schafft den Zugang zum Wasser. Räumlich und gestalterisch sucht der Hubert-Rheinfeld-Platz bewusst den Schulterschluss zur kleinen Erft. Die heute als heterogen zu beschreibenden Raumkanten werden durch Baumsetzungen ergänzt. Die eigentliche Platzfläche hebt sich durch einen richtungslosen hochwertigen Kleinsteinbelag als Platz-Spiegel ab. Somit bekommt der Platz eine neue, angemessene Maßstäblichkeit. Der Platz-Spiegel wird durch den vorhandenen Spiel- und Erlebnisbrunnen akzentuiert, der zur heißen Jahreszeit für Abkühlung sorgt und an seiner identitätsstiftenden Lage im Zentrum erhalten bleibt. Ansonsten bleibt der Großteil des Platzes als multifunktionaler innerstädtischer Platzraum frei von weiteren Elementen. So wird ausreichend Raum gegeben, um temporäre Nutzungen wie die wöchentlichen Märkte stattfinden zu lassen. Definierte Nutzungen spielen sich vor allem an den Platzrändern ab. Hier wird Aufenthalt angeboten und Situationen zum Verweilen angeboten. „Sehen und gesehen werden“ sind das Prinzip dieses als städtische Bühne interpretierten Freiraums.

Aachener Tor & Grünes Tor
Die beiden Entrée-Situationen im Westen und Osten bilden sich als klar differenzierte Platzräume innerhalb der Alt- und Neustadt ab. Das Aachener Tor definiert den steinernen Eingang in die Altstadt. Durch das Entfernen der kleineren Gehölze wird dem Wahrzeichen der Stadt ausreichend Raum gegeben, um sich zu präsentieren. Das Entrée in der Neustadt hat einen anderen Charakter: Hier entsteht eine grüne und schattige Platzsituation unter dem Blätterdach der bestehenden Platanen, die eine einladende Atmosphäre erzeugen.

Alter Marktplatz Georgskapelle & Vorplatz zur Sparkasse
Der Querschnitt der Fußgängerzone weitet sich im Bereich der Georgskapelle und an der Sparkasse auf. An diesen beiden Aufweitungen entstehen besondere Situationen, wo neben großzügigen Aufenthaltsangeboten auch Spiel für Kinder angeboten wird. An der Georgskapelle entsteht durch ebenerdige Trittplatten ein Glockenspiel und an der Vorzone zur Sparkasse wird spielerisch der Ablauf von Braunkohleförderung erzählt.

KLIMASCHUTZ & BAUMSTANDORTE
Die im Bestand sehr heterogene Baumsetzung wird zu einem durchgängigen Rhythmus weiterentwickelt, der einen grünen Charakter und ein positives Mikroklima in der Innenstadt entfaltet. Durch ergänzende Setzungen und das Entnehmen einzelner Gehölze wird die heute diffuse Baumstellung neu strukturiert. Als lockere und verspringende Baumreihe zieht sich das neue Baumband entlang der Promenade und bildet so ein einheitliches Thema, ohne die wichtigen historischen Gebäude zu verstellen. Dominierende Baumarten sind neben verschiedenen Ahorn-Arten der besonders klimaresistente Baumhasel (Corylus colurna). Die Baumsetzung trägt maßgeblich zur Identität der Fußgängerzone bei. An den besonderen Platzsituationen verspringen die Baumreihen und formen etwa ein atmosphärisches Blätterdach wie an der Georgskapelle oder dem Grünen Tor, oder sie weiten sich zu einer großzügigen Platzsituation am Hubert-Rheinfeld-Platz. Die Bäume schaffen Schatten und verhindern die Aufheizung der befestigten Flächen. Die Baumbeete sind mit integriertem Regenwasserspeicher gemäß des “Stockholmer Modells” geplant, um eine optimale Entwicklung der Pflanzen und einen ressourcenschonenden Wasserhaushalt im Sinne einer ”Schwammstadt” zu sichern.

FUNKTIONALE GLIEDERUNG & VERKEHR
Die Fußgängerzone unterscheidet durch feine Nuancen in der Auswahl des Pflasters zwischen den Randbereichen vor den Gebäuden und dem zentralen Bewegungsraum des Boulevards entlang der “Via Libra”. Durch die Wechsel in der Pflastertextur bilden sich Funktionsbereiche, die vielfältig bespielt werden können. Die Fußgängerzone bleibt insgesamt weiterhin für Anlieferungen, Krankenwagen, Müllfahrzeuge und Feuerwehr befahrbar. Parksituationen bleiben in den Bereichen um das Rathaus und Medio Erft in ihrem Umfang erhalten. Für größere Veranstaltungen wie die wöchentlichen Märkte oder das Festival „Summer in the City“ sind weiterhin ausreichend Aufstellungs- und Rangiermöglichkeiten erhalten. In dem alltäglichen Betrieb sind die Eingänge der Fußgängerzonen durch Poller gesichert.

KUNST IN DER FUßGÄNGERZONE
Ein Großteil der Kunstwerke bleibt an ihrem ursprünglichen Standort erhalten. Die Bergheimer Lichtlinien finden sich nun im zentralen Platz-Spiegel auf dem Hubert-Rheinfeld-Platz wieder. Hier können sie am zentralen Ort der Stadt erlebt werden und weiterhin die verschiedenen Richtungen der Stadt zeigen. Der Pumpbrunnen steht nun am Verlauf der kanalisierten Mühlenerft, und deutet somit auf das verschwundene Gewässer hin. Der Brunnen „Der heilige Nepomuk“ wird vor der Georgskapelle entfernt und in die Nähe des Museums „Bergheimat“ gerückt. Hier findet sich auch der bronzene Stadtgrundriss wieder, der so neu in Szene gesetzt wird. Für die Situation am ehemaligen Kölner Tor wird neben einer Bodenintarsie eine Lichtinstallation vorgeschlagen, die auf die ehemalige Tor-Situation hinweist und nachts die Intarsie ausleuchtet.

MÖBLIERUNG & MATERIALITÄT
Ergänzend zur Leitlinie „Via Libra“ wird eine einheitliche Mobiliarfamilie mit individuellem Branding vorgeschlagen, die durch das Symbol der Waage inspiriert ist und an den jahrhundertealten Handel in Bergheim erinnert. Das elegante Stadtmobiliar wird entsprechend den jeweiligen Anforderungen des Ortes ausgeprägt. Eine einseitige Bank begleitet etwa die Altstadt, ein doppelseitiges Sitzmöbel findet sich in der Neustadt sowie den besonderen Platzsituationen.
Im Bereich des Hubert-Rheinfeld-Platzes und vor der Eingangssituation zur Altstadt wird auf den bereits verwendeten “Bergheimer Stein” zurückgegriffen. Erst in den Bereichen der Fußgängerzonen wird dieser auf durch kleinere Maße und Farbtöne neu interpretiert. Somit werden irritierende und überflüssige Materialwechsel vermieden. Der Platzspiegel des Hubert-Rheinfeld-Platzes hebt sich durch einen richtungslosen und feinen Kleinstein ab und definiert so klar die multifunktionale Platzfläche.
Im Bereich der Fußgängerzone changiert der Belag in feinen Nuancen. Den Gebäuden zugehörige Vorzonen zeichnen sich durch eine stärken Wechsel im Kontrast ab. Ergänzend mit den Setzungen des Mobiliars und der Bäume definieren sich so die Bereiche, in denen sich Gastronomen potenziell ausbreiten dürfen, ohne das Bild einer zusammengehörigen und großzügigen Belagsfläche von “Fassade zu Fassade” zu stören. Zwischen Altstadt und Neustadt werden Unterschiede in der Auswahl der verwendeten Farbtöne getroffen. Die Formate sind identisch, aber in Bereich der Altstadt hebt sich die Fußgängerzone durch einen Anteil von roten/gelben Farbtönen ab, die auf die Fassaden der historischen Gebäude abgestimmt sind. Im Bereich der Neustadt und der Erft bestimmen changierende Grautöne den Pflasterbelag.
Entlang der Fußgängerzone wird eine hochwertige und einheitliche Beleuchtung vorgeschlagen. Die Entwurfsidee differenziert zwischen den Platzsituationen wie Gehwegsbereichen. Auf den Hubert-Rheinfeld-Platz bildet sich die Beleuchtung als große und skulpturale Mastleuchten aus, währen sich die Beleuchtung in der Fußgängerzone zurücknimmt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept verfolgt mit der sog. Via Libra ein zentrales Leit- und Orientierungssystem, das auch gleichzeitig als taktiles Element dient. Entlang des in Ost-West-Richtung aufgespannten und mittig verlaufenden Bandes lagern sich die unterschiedlichen Stadträume an. Dieser konzeptionelle Leitgedanke wird grundsätzlich gewürdigt, weil das gestalterische Anliegen mit der Kommunikation von Informationen (auch über die Geschichte des Ortes) sinnfällig verbunden wird.
Die Abfolge und Ablesbarkeit von Plätzen - Vorplatz an der Sparkasse, Alter Marktplatz und der Platz am ehemaligen Kölner Tor - werden gewürdigt. Hier lassen sich unterschiedliche Nutzungen zur Belebung der Fußgängerzone schlüssig verorten und entsprechend umsetzen. Das Anliegen, Spielbereiche vorzusehen und den Bedürfnissen von Kindern Rechnung zu tragen, erscheint erfüllt, auch wenn die Lage des Spielbereiches unmittelbar an der St. Georgs Kapelle noch nicht optimal verortet erscheint.
Die Gestaltung des Konrad-Adenauer-Platzes wird kontrovers diskutiert. Die Zonierung mit einem Grünbereich zwischen Stellplätzen und dem „Grünen Forum“ scheint sinnvoll, wirft aber auch funktionale Fragen der Wendemöglichkeit auf. Der Garten der Erinnerung an der Klosterstraße wirkt überzeugend, sowohl in funktionaler als auch in gestalterischer Hinsicht.
Die vorgeschlagenen Baumarten (verschiedene Ahorn-Arten und klimaresistente Baumhasel) erscheinen geeignet. Der gewählte Bergheimer Stein wird in einem kleineren Format und in unterschiedlichen Farbnuancen in der Altstadt und in der Neustadt eingesetzt. Das Farbkonzept lässt noch Fragen, wie die des Übergangs des Farbspektrums und die Vermittlung zu der Farbgestaltung in den angrenzenden Bereichen, offen.
Aus der Sicht der Denkmalpflege wird der Entwurf positiv eingeschätzt. Die historische Wegebeziehung wird mit dem Band aufgegriffen und gestärkt. Das Steinformat wird begrüßt, weil es sich dem historischen Erscheinungsbild annähert. Allerdings wird der zu starke Kontrast zwischen dem Band und dem angrenzenden flächigen Belag kritisch gesehen.
Am östlichen Ende der Fußgängerzone, das als „grünes Tor“ konzipiert wird, wirft sich die Frage der fehlenden Sichtbeziehung zur Kölner Straße auf.
Fahrradabstellmöglichkeiten sind lediglich am Rathaus vorgesehen; dem Anliegen einer dezentralen Anordnung wird nicht hinreichend Rechnung getragen.
Unkritisch wird die technische Umsetzung im Hinblick auf den Anschluss an die Kanalisation und die notwendige Entwässerung eingeschätzt. Im Bereich des MEDIO werfen die vorgeschlagenen Baumstandorte Fragen der Realisierung auf.
Die bisherige Umgestaltung der Kleinen Erft wird beeinträchtigt und stellt vor diesem Hintergrund die Umsetzung einer modifizierten Gestaltung in Frage.
Insgesamt stellt der Entwurf mit seinen zentralen gestalterischen Aussagen einen guten Beitrag zu der gestellten Aufgabe dar.
Ehem. Marktplatz an der Georgskapelle

Ehem. Marktplatz an der Georgskapelle

Lageplan Bergheimer Alt- und Neustadt

Lageplan Bergheimer Alt- und Neustadt

Konzept

Konzept

Via-Libra

Via-Libra

Schnittansicht Altstadt

Schnittansicht Altstadt

Schnittansicht Georgskapelle

Schnittansicht Georgskapelle

Schnittansicht Neustadt

Schnittansicht Neustadt

Stadtmöbel

Stadtmöbel

Bergheimer Spuren

Bergheimer Spuren

Vertiefung Georgskapelle

Vertiefung Georgskapelle

Vertiefung Aachener-Tor

Vertiefung Aachener-Tor

Vertiefung Rathaus & Hubert-Rheinfels-Platz

Vertiefung Rathaus & Hubert-Rheinfels-Platz

Vertiefung Grünes-Tor

Vertiefung Grünes-Tor

Schnittansicht
Konrad-Adenauer-Platz & Grünes Forum

Schnittansicht Konrad-Adenauer-Platz & Grünes Forum