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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2021

Neubau des Staatlichen Beruflichen Schulzentrums in Freising

1. Preis

Preisgeld: 63.000 EUR

Schulz und Schulz

Architektur

Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH

Landschaftsarchitektur

PIRMIN JUNG

Tragwerksplanung

LINDENKREUZ EGGERT | Bildermacherei & Utopografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Leitidee
„Grün schafft Gemeinschaft“ lautet das Motto des Entwurfes. Viel Grün wird möglich, wenn wenig bebaute Fläche in Anspruch genommen wird. Das Ziel des Entwurfes liegt daher darin, Berufsschulzentrum, FOS-/WS-Erweiterung und Wohnheim sehr kompakt auf geringem Footprint zu organisieren, um maximal große Flächen für verbindende Grünräume höchster Aufenthaltsqualität zu gewinnen. Bildungseinrichtungen und Freiräume an der Wippenhauser Straße werden zu einem gemeinschaftlichen Lern- und Lebensort verwoben.

Städtebau und Freianlagen
Das Berufsschulzentrum ist mit großzügigem Abstand zur Wippenhauser Straße entlang der bestehenden Hangkante positioniert. Dadurch wird die vorhandene Topographie ausgenutzt und die Neubauten zeigen sich dreigeschossig zum Landschaftsraum und viergeschossig zum neuen zentralen Campusplatz. Die große Freitreppe im zentralen Innenhof der Schule verbindet die Gemeinschaftsbereiche mit dem Grünzug, der über weitere nördlich und südlich angeordnete Treppen und Rampen auch direkt mit dem neuen Wippenhauser Boulevard als fußgängerorientierte Langsamfahrstraße und Hauptverbindungsachse zur Freisinger Innenstadt vernetzt ist. Der Grünzug im Westen bietet einen hochwertigen innerstädtischen Erholungs- und Aktivitätsraum für alle Generationen. FOS-/WS-Erweiterung und Wohnheim schließen räumlich eng an das Berufsschulzentrum an, es entsteht ein kompaktes zusammengehöriges Ensemble. Der gemeinsame Werkstatthof bündelt die Anlieferung aller Einrichtungen. Die Pkw-Stellplätze des 1. BA werden in einer Tiefgarage unter dem Berufsschulzentrum gebündelt, die unter dem 2. BA erweitert werden kann. Der Großteil der Fahrradabstellplätze wird unter der Auskragung des Berufsschulzentrums in unmittelbarer Eingangsnähe angeboten. Der neu angelegte Boulevard ist durch großzügige Baumreihen, Grüninseln, Freitreppen und den offengelegten und in Szene gesetzten Wippenhauser Graben als zentraler Aufenthaltsort gestaltet. Zum westlichen Grünraum hin schließen Sport- und Verweilflächen an, auch für externe Nutzer.

Gebäudekonzept
Das Berufsschulzentrum ist so gegliedert, dass Räume menschlichen Maßstabs entstehen, die von den unterschiedlichen Bereichen als Lern-, Kommunikations- und Rückzugsbereiche in verschiedenen Größen und Charakteristika genutzt werden können. Ausgehend vom zentralen Bereich mit Foyer, Aula, Mensa und zugehörigem Innenhof sind die Cluster der einzelnen Fachbereiche über kurze Wege angebunden, die sich zu vielfältigen Mikroorten aufweiten. Große und kleine Höfe bringen Licht und Luft ins Innere und differenzieren den Baukörper, der durch die umlaufenden Fluchtwegbalkone wieder zu einem Ganzen zusammengezogen wird. Erschließungssystem und strukturelle Gliederung der Obergeschosse erlauben eine hohe Flexibilität der Flächenverteilung, auch bei sich ändernden Zuschnitten der Bereiche oder sich wandelnden Lernformen. Im Erdgeschoss sind die Werkstätten kompakt organisiert und auf den Werkstatthof ausgerichtet, die Sporthalle kann vom Boulevard aus separat erschlossen werden. Die Laufbahn ist auf Hallenebene als Laufschlauch angeordnet und komplettiert so das kompakt zugeschnittene Untergeschoss. 
Konstruktion und Material
Unter- und Erdgeschoss sind als Stahlbetonbau unter Verwendung von Ökozement konzipiert, um den Brandschutzanforderungen gerecht zu werden und die partielle Lastumlenkung über dem stützenfreien Forum zu gewährleisten. Die Obergeschosse sind als reiner Holzbau vorgesehen mit BSH-Stützen und Decken aus BSH-Rippen und Brettsperr-/Kreuzlagenholz-Platten, ausgesteift durch Treppenkerne und Diagonalverbände. Zur Abfangung des Clusters über der Sporthalle verlaufen durch das 2. und 3. OG Fachwerkträger, sodass die Hallenträger nur die Lasten aus dem 1. OG aufnehmen müssen. Das Erscheinungsbild der Fassaden wird von der Holzschalung aus vorvergrauten sägerauhen Fichtenbrettern und den filigranen Rettungswegebalkonen aus Stahl mit den eingehängten Photovoltaikpaneelen dominiert. Das innere Erscheinungsbild wird geprägt von Holzfenstern aus lasierter Weißtanne, PR-Fassaden aus BSH, geschlitzten Lüftungs-/Akustikdecken aus lasierter Weißtanne, weiß gestrichenen Lehmbauplatten der Trockenbauwände und Kautschukböden in den Klassenräumen. Der Boden des Forums wird mit regional gewonnenen Solnhofener Platten belegt.

Nachhaltigkeit
Grundlage des nachhaltigen Berufsschulzentrums ist die langfristige hohe Nutzerakzeptanz, die durch die städtebauliche Integration, das identitätsstiftende Erscheinungsbild und die hohe räumliche Flexibilität und Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen erzeugt wird. Hinzu kommt die ökologisch motivierte Baustoffwahl mit einem Maximalanteil an Holz zur Optimierung des Einsatzes an Grauer Energie. Die Reduzierung des Verbrauchs von Betriebsenergie basiert auf den Komponenten kompakte, hochgedämmte, wärmebrückenarme Hülle, Lüftung mit Wärmerückgewinnung, gute Tageslichtausnutzung mit präsenzabhängiger Beleuchtungsschaltung, aussenliegender Sonnenschutz, Nachtauskühlung über Fenster sowie Speicherfähigkeit der aktivierten Lehmwände. Ein hoher Anteil eigenerzeugter Energie wird durch die Beheizung mittels Wärmepumpe und Photovoltaikanlagen an den Fassaden und auf den begrünten Dächern sichergestellt. Das Regenwasser wird in Zisternen gesammelt und für die Bewässerung der Grünbereiche und schattenspendenden Bäume eingesetzt.
Das Lüftungskonzept sieht eine Kombination aus kontrollierter mechanischer Lüftung und freier Lüftung über Fenster vor. Die Trennung der Lüftungsanlagen von Schule und Sporthalle erlaubt deren bedarfsgerechte Konzeption. Für beide Anlagen ist die Zuluftführung zur Temperierung über Erdkanäle zu den Wärmerückgewinnungsanlagen in den Zentralen im 2. UG vorgesehen. Während in der Sporthalle horizontale Zu- und Abluftkanäle in der Trägerebene angeordnet sind, ist in den Klassenräumen die Zuluftführung über Wandauslässe mit Düsen und die Abluftführung mittels fassadenseitigem Deckenschlitz und Luftführung im Deckenzwischenraum angedacht. Die Fenster in den Fassaden erlauben in den wärmeren Perioden eine freie Lüftung und mittels Kippbeschlägen ebenfalls eine Nachtauskühlung, deren Effekt durch die Umstellung von Wärmepumpe und Fussbodenheizung auf Kühlung verstärkt werden könnte.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die beiden Bauabschnitte des neuen Schulzentrums an der Wippenhauser Straße besetzen selbstbewusst und eigenständig als solitäre Gesamtform das Grundstück. Überraschend selbstverständlich gibt die Gebäudefuge zwischen BA I und BA II einem schmalen Durchblick zur Landschaft von der Obervellacherstraße frei und klärt auch die Anlieferung der Metall- Werkstattbereiche. Durch die Anordnung der Gebäude im Westen des Grundstückes parallel zur Hangkante ergibt sich entlang der Wippenhauser Straße ein großzügiger Stadtraum der eine Eigenständigkeit entwickeln könnte. Die dargestellte Haltung der Freianlagen in der Perspektive wird kritisch gesehen. Im Gegenzug wird durch diese Setzung ein kultivierter Naturraum im Westen ermöglicht, der bis an die Schule heranführt werden kann. Der sehr kompakte Schulbau incl. seiner passgenauen Tiefgarage zeigt einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden, die Versiegelung wird zusätzlich minimiert durch das Biodiversitätsdach, das einen großen Rückhalt von Niederschlägen auf dem Dach verspricht. Die Kombination mit der textlich beschriebenen Fotovoltaik ist leider nicht zu erkennen. Die vermittelte Haltung der Freiflächen zum Gebäude ist kritisch zu hinterfragen. Der sich aufspannende große Freiraum (auf 2 Höhenniveaus) an der Wippenhauser Straße verbindet räumlich alle Schulen zu einem Campus. Der einheitliche Belag des gesamten Raumes von der Langen Point bis zum Wettersteinring kennzeichnet den Schulcampus spürbar für alle Passanten. Seine Ausformung lässt aber einen sorgsamen Umgang mit Versiegelung leider vermissen. Es ist zu prüfen, ob die guten Angebote der Aktivzone (die auch außerhalb der Schulzeit von den Nachbarn mitgenutzt werden können) weniger steinern gestaltet werden könnten und so dem Konzept der sparsamen Versiegelung besser entsprochen werden könnte. Zusätzlich ist zu prüfen ob die Dichte der Baumpflanzungen (1. Wuchsordnung) zu erhöhen ist, die maßgeblich zu einer verminderten Aufheizung versiegelten Platzflächen beitragen. Die offene Führung des Wippenhauser Grabens in der dargestellten Form ist in diesem Kontext nachvollziehbar. Der Anschluss der TG Zufahrt an der Wippenhauser Straße ist verkehrstechnisch nicht realisierbar, zudem wird bezweifelt, dass der Baumerhalt an dieser Stelle wie dargestellt möglich wäre. Die Anzahl der nachzuweisenden Fahrrad- und KFZ-Stellplätze ist deutlich unterschritten. Besonders positiv hervorzuheben ist die Freihaltung des westlichen Landschaftsraumes von Einbauten und Abgrabungen, abgesehen von dem nördlichen Einschnitt in die Topografie durch den Busbahnhof im Ideenteil. Diese Haltung ermöglicht eine großzügige ungestörte Grünverbindung (Grüne Hänge), die auch für außerschulische Nutzungen Potential bietet. Den Bezug des Gebäudes zu diesem Landschafstraum unterstreicht die große Freitreppe im Innenhof, den jeder Besucher beim Betreten der Schule bereits spüren kann. Die Anordnung der Sportflächen an der Schnittstelle zum Camerloher Gymnasium schaffen einen respektvollen Abstand zur Aula, die Höhenlage dieser Flächen auf dem oberen Boulevardniveau ist richtig, ob die zulässigen Lärm-Immissionswerte eingehalten werden können, müsste eine Prüfung klären. Die Situierung des Busparkplatzes ganz im Norden über die gesamte Grundstückstiefe überzeugt durch ihre unprätentiöse, funktionale Ausformulierung und die kurze Anbindung zum Umgehungsring. Die architektonische Grundidee dieser starken städtebaulichen Setzung wir konsequent für die Berufsschule in ein viergeschossiges Gebäude umgesetzt. Die unterschiedlichen Schulzweige unter einem großen Dach unterstützen das von Nutzer gewünschte pädagogische Konzept des Lernens von anderen, des gemeinsamen Lernens. Trotzdem kann jeder Fachbereich seine eigene Identität bewahren in den diese räumlich geschickt jeweils um die großen und kleinen Innenhöfe gruppiert wurden. Die Anordnung der drei großen und vier kleinen Höfe überzeugt durch ihre Lage und Dimensionierung und lassen eigenständige Raumcharakteristika im Innen- und Außenbezug erwarten. Nahezu alle Räume können natürlich belüftet und belichtet werden. Der durchgesteckte Aulabereich in Gebäudemitte des Erdgeschosses in Verbindung mit den nach oben und nach Westen offenen Freibereich lässt sowohl große räumliche und funktionale Qualitäten erwarten. Aber das Auffinden des Haupteinganges in Verbindung mit den dargestellten Freianlagen überzeugt nicht und muss geklärt werden. Die räumliche Beziehung in den Forumsbereich sollte nicht durch eingestellte Funktionen gestört werden. Das Grundrisslayout mit der meist einhüftigen Erschließung ist richtig gewählt, muss aber an einigen Stellen präzisiert bzw. nachgewiesen werden, z. B. ebenerdiger Sportlerzugang bei außerschulischer Nutzung. Die vorgeschlagenen Flucht- und Rettungswege erscheinen plausibel, müssen aber ebenfalls konkretisiert werden, z. B. hinsichtlich Rauchausbreitung oder Brandüberschlag der Geschoße usw. Kontrovers wird die Lage der Laufbahn im Untergeschoß diskutiert. Sie erscheint möglich wenn die Belichtung und Belüftung nachgewiesen wird. Offen bleibt die Frage ob eine Indoorlaufbahn die richtige Haltung für den Schulsport ist. Wohltuend reduziert ist auch die vorgeschlagene Fassadengestaltung mit gestalterisch gleichen Pfosten-Riegel- Elementen über alle vier Geschosse ohne hervorheben des Sockelgeschosses. Ein besonderes Augenmerk muss noch auf die Längsfassade zur Wippenhauserstrasse gelegt werden. Diese muss den Spagat zwischen großmaßstäblichen, stätischen Gebäude und Stadtkante zum Vorplatz bilden. Sie darf weder in die eine Richtung zu pompös noch in die andere Richtung zu kleinteilig erscheinen. Zudem wird sich die Filigranität der dargestellten Fassade nicht halten lassen, wenn alle Parameter wie Öffnungsfester, Fluchttüren usw. berücksichtigt werden. Insgesamt ist die Arbeit ein guter Betrag hinsichtlich der funktionalen Nachhaltigkeit. Die städtebauliche Setzung lässt Flächenbedarfsverschiebungen innerhalb eines Fachbereichs aber auch fachbereichsübergreifend leichter umsetzen als bei präzise zugeschnittenen Einzelgebäuden, die gemäß den heutigen pädagogischen Anforderungen geplant wurden. Die vorgeschlagene Tragstruktur und die Baumaterialien unterstützen diesen Gedanken. Große Innenhöfe bieten Möglichkeiten der natürlichen Belichtung sowie Belüftung der Lern- und Aufenthaltsbereiche. Vor dem Hintergrund der genannten Möglichkeiten zur natürlichen Belüftung und damit eines robusten Gebäudebetriebes, wird die Funktionalität der dargestellten Fassade hinterfragt. Positiv ist die Integration der Lehmwände zur Optimierung der Speichermassen und Feuchtesorption zu werten. Ebenso stellt das energetische und technische Konzept eine schlüssige Lösung dar. In diesem Zusammenhang wird lediglich die Integration der PV Module in den Fassaden kritisch diskutiert. Die Grundfläche des Entwurfes liegt durch die kompakte Bauweise in unteren Bereich. Der Footprint des Gebäudes ist minimiert, während die Geschossfläche und die Hauptnutzfläche über dem Durchschnitt liegen. Dies zeigt die Vorteile der Konzentration der Baumasse auf ein Gebäude, ohne dass dadurch architektonisch räumliche oder auch funktionale Qualitäten vernachlässigt werden. Insgesamt ist dadurch der Entwurf ökonomisch sinnvoll und lässt eine wirtschaftliche Errichtung erwarten. Die Arbeit überzeugt durch die starke architektonische Idee, die konsequent umgesetzt wurde und ist damit ein wertvoller Beitrag zum Bildungscampus an der Wippenhauser Straße.