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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2021

Entwicklung „Mühlenareal“ in Bad Liebenzell

Blick von der Wilhelmstraße

Blick von der Wilhelmstraße

Teilnahme

PIA Architekten

Architektur

SETUP Landschaftsarchitektur PartG mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Drei Stadträume – Eine Stadtstruktur

Das Wettbewerbsgebiet liegt im Herzen der Stadt Bad Liebenzell südlich der evangelischen Kirche St. Blasius auf dem Gelände der ehemaligen Mühle. Der Entwurf gliedert sich räumlich in den Wohnungsbau im Norden, eine verbindende grüne Mitte und ein laubenähnliches Parkdeck im südlichen Grundstücksbereich. Dabei nimmt die Bebauung die städtebauliche Körnung der umgebenden Stadtstruktur auf und folgt gleichzeitig dem natürlichen Verlauf des Hanges und seiner dramatischen Topographie. Die Wohngebäude in Form von drei einzelnen Baukörpern staffeln sich entsprechend des Geländeverlaufes in der Höhe und bilden einen fließenden Übergang zum Bestandsgebäude an der Hugo-Mäulen-Straße. Die versetzten Gebäudekubaturen lassen interessante und vielseitige Blickbeziehungen zu und ermöglichen weiterhin den optischen Kontakt zur Kirche. Des Weiteren wird durch die geschickte Positionierung der Baukörper eine sinnvolle Zonierung des Außenbereichs geschaffen, welcher attraktive und qualitätsvolle Aufenthaltsräume schafft.

Konzeption

Sowohl die Gebäude als auch die Ober-und Unterstadt werden durch eine grüne Mitte verbunden. Das Bestandsgebäude wird als Teil des Gesamtensembles erhalten und saniert. Zur Angleichung an die Neubauten wird hier eine Reduzierung der Gebäudekubatur durch Abbruch des östlichen und nördlichen Anbaus vorgenommen. Dadurch wird gleichzeitig dem Lengenbach mehr Raum zur Entfaltung gegeben.
Die barrierefreie Haupterschließung der drei Wohngebäude erfolgt im östlichen Baukörper. Durch die gemeinschaftlichen, grünen Wohnhöfe und Wege in den Außenanlagen werden die drei Häuser miteinander verbunden. Insgesamt entstehen inklusive des Bestandsgebäudes 21 neue Wohneinheiten. Die Stellplätze der Wohnbebauung sind erdgeschossig angeordnet und werden einerseits durch Doppelparker- andererseits durch Einzel-Stellplätze realisiert. Das Garagengeschoss wird dabei in die Geländemodellierung integriert und durch die darüber liegenden Wohnhöfe bespielt.
Die Fassaden der Gebäude weisen eine vertikale, klar strukturierte Holzlattung auf, mit einer dahinter liegenden Querlattung. Sowohl durch ein Wechselspiel von geschlossenen und offenen Flächen, als auch durch eine Aufweitung der horizontalen Holzlattung im Bereich der Öffnungen und Gebäudeeinschnitte, entsteht ein abwechslungsreiches Fassadenspiel.
Das Parkdeck nimmt diese Typologie und Materialität auf, wobei es sich als massiver Stahlbeton-Skelettbau unter einer transparenten Holzfassade präsentiert. Dadurch fügt es sich zurückhaltend in das neue Gesamtbild ein. Je eine Zufahrt von der Wilhelmstraße und der Hugo-Mäulen-Straße lassen insgesamt 38 öffentliche Stellplätze kompakt auf zwei Etagen entstehen.

Freiraumkonzept ‚Grüne Mitte‘

Mit der Öffnung und Renaturierung des Lengenbachs ergibt sich die Möglichkeit einer attraktiven fußläufigen Grünverbindung zwischen Unter- und Oberstadt. Entlang des Baches führt das neue Mühlgässle über den verlegten Fußgängerübergang barrierefrei von der Wilhelmstraße bis hoch zur Hugo-Mäulen-Straße. Über einen Holzsteg gelangt man auf die andere Uferseite. Weiter oben ermöglicht eine geschickt in den Hang integrierte Rampenanlage eine stufenlose Verbindung und zugleich einen geruhsamen Spazierweg mit vielen Ausblicken. Im Übergang zum Bach entstehen hier die „Mühlterrassen“ mit attraktiven Aufenthalts- und Spielbereichen. Die ehemalige Wasserstube wird zu einem Wasserbecken verkleinert und stiftet als Wasserkunst mit Mühlrad einen Identifikationspunkt im Mühlareal. Der alte Überlauf (Sickerwasser) wird umgelenkt und tritt unterhalb der Mühlterrassen in einem gefassten Quellstein heraus. Das Wasser fließt in Kaskaden über eine Rasentreppe bis zum Wasserbecken und treibt hier das Mühlrad an. Von dort gelangt es verrohrt zurück zum Lengenbach. So entsteht im neuen Mühlareal um den Bach eine grüne Mitte mit attraktiven Freiräumen.
Renaturierung Lengenbach
Der Bach wird nach seinem Austritt aus der Unterführung in ein natürliches Bett mit einer unbefestigten Sohle geleitet. Die teils steilen Uferböschungen werden durch Natursteinstützmauern abgefangen, um so dem Bach seine flachen Uferzonen zurückgegeben. Durch den mäandrierenden Verlauf erhält das Gewässer naturnahe Prall- und Gleituferbereiche, die die Entstehung unterschiedlicher Lebensräume am Wasser ermöglichen. Auch das Sohlgefälle variiert und wird durch Kiesrampen in flachere Abschnitte unterteilt. Die Uferzonen werden naturnah befestigt und erhalten eine standortgerechte Bepflanzung, die von Bäumen und Blühwiesen gesäumt wird.

Geländemodellierung

Die neue Wohnanlage liegt leicht erhöht über dem Bachtal und schiebt sich sanft in den Hang vor der Stadtkirche. Das parkartige, terrassierte Gelände umfließt die Baukörper so, dass die Wohngebäude ausreichend freigestellt und belichtet sind. Der Übergang zum privaten Grün ist fließend. Die zwei Wohnhöfe werden als Dachgärten ausgebildet. Gemeinschaftliche Anlagen zum Gärtnern, Sitzen und Feiern fördern das soziale Miteinander. Bänke vor den Eingängen und ein Spielbereich runden das Freiraumangebot ab. Natursteinmauern fangen das Gelände Richtung Kirchberg ab. Der terrassierte Hang wird von unten und oben begrünt. Oberhalb der Wohnhäuser werden Rasenwegen ergänzt und an die Ausgänge der Wohnhäuser angebunden.
Grünstrukturen und Biodiversität
Der ca. 10m breite Freiraum vor der historischen Kirchmauer soll als Refugium der Natur vorbehalten bleiben. Blühwiesen und Obstbäume säumen den begehbaren östlichen Teil. Im Übergang zum steil abfallenden Hang des Lengenbaches werden die Böschungen naturnah entwickelt, mit bodendeckenden Gehölzen und Sträuchern befestigt und gegen Zutritt gesichert. Einzelne Baumpflanzungen bilden eine grüne Kulisse und lassen gleichzeitig Blickbeziehungen in alle Richtungen offen. Auf dem neuen Parkdeck wird eine Dachbegrünung installiert, von der aus auch die verbleibenden freien Flächen der Fassade des Bestandsgebäudes begrünt werden können. Mit Baumpflanzungen erhalten auch die Straßenräume von Hugo-Mäulen-Straße und Wilhelmstraße einen grünen Rahmen.

Nutzungskonzept

Neben der Trennung von öffentlichem Parkraum zu den privaten Wohnräumen, setzt das Konzept auch auf eine klare Strukturierung der Grundrisse, welche bei Holzbauten von Vorteil sind. Es werden Wohntypologien in ausgewogenem Verhältnis und großzügigen Kopfwohnungen mit hellen Wohn-Essbereichen geboten. Dabei wird vor allem auf einen Mix aus 2-, 3- und 4- Zimmer Wohnungen jeweils mit privatem Freibereich gesetzt. In den Penthäusern wird der Blick auf die beeindruckende Dachkonstruktion freigegeben. Der Aufzug ermöglicht es in Haus 1 alle Wohneinheiten barrierefrei anzubieten. Darüber hinaus sind die Einheiten in den beiden anderen Gebäuden durch barrierefreie Bäder und schwellenlosen Austritten zu den Loggien möglichst barrierearm gestaltet. Die Gebäudetypologie ermöglicht allen Wohneinheiten in Verbindung mit den Laubengängen eine natürliche Querlüftung. Die offene, Laubengangerschließung fungiert als Kommunikations- und Begegnungsort und bietet den Bewohnern eine angenehme Aufenthaltsqualität.

Konstruktion – Materialität – Ökonomie

Die Wohngebäude präsentieren sich als kompakter Holz-Hybridbau mit gutem A/V-Verhältnis. Außenwände und tragende Innenwände werden als Massivholzwände aus Kreuzlagensperrholz hergestellt. Holzbetonverbunddecken, die die Einhaltung des Schallschutzes gewährleisten und die Kombination mit Holzstützen und –träger ergänzen das Tragsystem. Vor allem präzise Details, der hohe Vorfertigungsgrad und die Verarbeitung des natürlichen Rohstoffs Holz zeichnen die Holzbauweise aus und ermöglichen durch eine deutlich kürzere Bauzeit eine gesamtheitliche wirtschaftliche Lösung. Eine Ausnahme stellen hierbei das Untergeschoss und die erdberührten Bauteile dar, welche in Stahlbeton-Bauweise errichtet werden. Eine optimal gedämmte Gebäudehülle, sowie Holz-Alu-Fenster mit 3-fach-Isolierverglasung reduzieren Wärmeverluste und bieten einen erhöhten Schallschutz zur Wilhelmstraße. Durch bodentiefe Fenster gelangt möglichst viel Tageslicht in die Räume, was zum Wohlbefinden der Bewohner beiträgt. Eine Verschattung mit außenliegenden Senkrechtmarkisen verhindert einen zu hohen Wärmeeintrag im Sommer. Naturholzböden und in Teilbereichen sichtbare Holzwände und –decken im Innenraum prägen das qualitätsvolle Materialkonzept. Neben dem Aspekt der Wohn-„Gesundheit“ wird großen Wert auf den gesamten Lebenszyklus gelegt. Dort wo möglich, wird verschraubt und nicht geklebt, sodass ein Austausch bzw. Rückbau jederzeit gewährleistet ist. Die vorgehängte Fassade mit vertikalen Holzlamellen aus Weißtanne in Kombination mit der dahinter liegenden horizontalen Holzschalung spiegelt die ökologische Haltung des Gebäudekonzeptes wider. Die Parklaube nimmt die Materialität der Außenhülle als offene Holzlattung auf. Eine vertikale Begrünung nutzt die vertikalen Holzlamellen als Rankenhilfe und bildet einen Filter zwischen Innen- und Außenraum. Hierbei zieht sich die begrünte Mitte entlang der Fassade bis auf das begrünte Parkdeck und sorgt so für eine harmonische Verbindung. Insgesamt gewährleistet die ressourceneffiziente Nutzung nachhaltiger Baumaterialien wie Holz durch materialgerechtes Altern auch geringe Folge- und Betriebskosten und somit einen niedrigen CO2-Fußabdruck.

Ökologie – Energie – Mobilität

Im Herzen der Stadt Bad Liebenzell entsteht ein Quartier, welches sich als CO2-neutrales Gebäude durch eine ausgeglichene Jahresbilanz auszeichnet. Insgesamt erreicht der Entwurf durch die Kombination von hochwärmegedämmter Gebäudehülle und regenerativer Energiegewinnung den KfW-40-Standard in Holzhybridbauweise und strebt darüber hinaus ein einfaches bilanziertes Nullenergie-Gebäude an. Die Wärmeerzeugung erfolgt über Erdwärmesonden in Kombination mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe. Sofern die unterirdischen Heilquellen das nicht erlauben, kann alternativ auch auf eine Pelletheizung zur Wärmeerzeugen zurückgegriffen werden. Geheizt wird über eine Niedrigtemperatur-Fußbodenheizung, die ebenfalls durch Geothermie (ohne Kälteerzeugung) auch als Kühlung des Gebäudes genutzt werden kann. Eine Photovoltaik-Anlage sichert die Grundversorgung an Strom und unterhält neben der Wärmepumpe auch den Mobilitäts-Port, an dem E-Autos und E-Bikes geladen werden können.
Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss Grundriss

Erdgeschoss Grundriss

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Querschnitt

Querschnitt

Geländeschnitte Lengenbach

Geländeschnitte Lengenbach

Detailschnitt | Konstruktion und Materialität

Detailschnitt | Konstruktion und Materialität