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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2021

Wohnquartiersentwicklung Hasenkopf Marburg

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 27.000 EUR

lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh

Stadtplanung / Städtebau

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf weist als Alleinstellungsmerkmal eine Quartiersorganisiation in Form von Gehöften auf, die sich jeweils um einen Doppel- oder Zwillingsraum gruppieren. Dadurch entsteht eine markante städtebauliche Struktur mit ziselierten Gebäudekanten und Ecken, die eine besondere Raumsprache mit abwechslungsreichen Freiräumen erzeugen. Angeboten wird ein Gegenmodell zur sonst üblichen orthogonalen Siedlungsstruktur. Der Bewohnerschaft werden außergewöhnliche Wohnqualitäten und Blicke in die umgebenden Freiräume geboten. Der Entwurf dockt dicht an das bestehende Viertel im Südosten an und lässt so viel freie Landschaft unbebaut. Die zurückhaltende Flächenversiegelung ist positiv zu bewerten und die Besonnung der Gebäude ist durch ihre Stellung gegeben.
Die kompakten Baukörper ermöglichen unkonventionelle Grundrisse und Raumprogramme. Die Realisierung in Bauabschnitten wäre sehr gut machbar. Offen ist jedoch, ob sich die Qualität des städtebaulichen Entwurfs tatsächlich architektonisch im Segment des sozialen Wohnungsbaus umsetzen lässt.
An den gebäudebezogenen „Kranz“ der halbprivaten Freiräume um die Gebäude herum schließt die Allmende als ein zeitgemäßes Experiment der Freiraumaneignung an. Überzeugend ist die Anbindung an den bestehenden Stadtteil durch einen gut gefassten Quartiersplatz. Er bildet eine attraktive Adresse und einen gelungenen räumlichen Abschluss für die Edith-Stein-Straße.
Im Handlungsfeld des experimentellen Wohnens werden statt der Tiny-Houses Microappartments vorgeschlagen. Dies entspricht nicht der Vorstellung der Ausschreibung. Allerdings könnte die Flächenentwicklung an dieser Stelle in Kombination mit einer Wegeverbindung nachträglich ermöglicht werden.
Die Erschließung des Quartiers erfolgt über zwei Stichstraßen, die über einen zentralen Platz („Square“) eine Verbindung zum Bestandsquartier Stadtwald sowie an die K 68 herstellen. Auf diese Weise wird eine Busschleife durch das Quartier ermöglicht.
Das Pkw-Parken soll weitestgehend aus dem öffentlichen Raum herausgehalten werden; die Ausnahme sind einige Besucherparkplätze und Parkstände für Mobilitätseingeschränkte an den Stichstraßen. Die Verortung des ruhenden Verkehrs in einer Quartiersgarage bei gleichzeitig guter Anbindung des Fuß- und Radverkehrs ins bestehende Quartier fördert die nichtmotorisierte Mobilität. Hervorzuheben ist dabei die automatisierte Anlage, mit der die Möglichkeiten eines platzsparenden Parkraummanagements genutzt werden. Insgesamt werden mit einem Stellplatzschlüssel von 0,68 mehr als die geforderten Stellplätze angeboten. Die Anbindung/Erschließung der Parkierungsanlage an die Kreisstraße ist nicht eindeutig. Ob der Autospeicher tatsächlich finanzierbar wäre, ist zu hinterfragen. Die Platzierung der Parkgarage ist sehr gut gelöst, auch in der Nachbarschaft am Quartiersplatz stimmig, weil im Umfeld Infrastruktur angesiedelt werden könnte.
Die paarweise angeordneten Wohnhöfe können als Multifunktionsfläche auch die Befahrbarkeit der Ver- und Entsorgung ermöglichen. Damit könnte auf die fragwürdige verkehrliche Verbindung für LKW oder Versorgungsfahrzeuge über den Landschaftsraum verzichtet werden. Das Fahrradparken soll an den Häusergruppen zugeordneten Abstellanlagen stattfinden, die Trennung von Wohnen und Fahrradparken stellt dabei eine Hürde für eine attraktive Nutzung dar.
Ein engmaschiges Netz für den Fuß- und Radverkehr sichert die innere Erschließung und stellt die Verbindung zum Bestandsquartier und in die angrenzende Landschaft dar. Offen bleiben dabei die Qualität des Angebots und die Ausgestaltung der Anschlüsse. Eine fußläufige Verbindung zum Experimentierfeld fehlt allerdings.
Aus der klimaökologischen Perspektive ist zu berücksichtigen, dass die Dynamik der nördlich der Bebauung produzierten Kaltluft durch die gewählte städtebauliche Struktur vermutlich hangabwärts abgebremst wird, so dass insbesondere der östliche Teil des unteren Baureihe nicht mehr von der Kaltluft profitieren könnte. Zudem könnten versiegelte Hofflächen zur Überwärmung des Quartiers beitragen. Positiv herauszuheben ist die Allmende als von allen dort zukünftig Lebenden nutzbare Fläche zur Hitzeerholung am Tage. Voraussetzung hierfür ist deren Ausgestaltung als mikroklimatisch vielfältige Fläche. Ebenfalls positiv ist der vergleichsweise sanfte Übergang Übergangsbereich zum Stadtwald-Quartier, um die dort existierende Kaltluftbrücke zu erhalten.
Die kompakte Form und die Anordnung der Punkthäuser erhalten einen großen Anteil an naturbelassener Fläche auf dem Baugrundstück. Die Gebäude haben aufgrund ihres A/V-Verhältnisses sehr gute Voraussetzungen für eine energieeffiziente Nutzung. Die Dachflächen und die südorientierten Fassadenflächen eignen sich für die solaraktive Nutzung. Die Besonnung und Tageslichtverfügbarkeit ist in den Wohnungen mit Nord-/Ost- bzw. Nord-/West-Orientierung eingeschränkt. Unterbaute Flächen außerhalb des Gebäudefußabdrucks werden weitgehend vermieden.
Insgesamt stellt sich der Entwurf der Herausforderung, ein Quartier zu entwickeln, das klimafreundliche Lebensstile fördert, ja sogar fordert. Gezeigt wird ein Quartier mit Attraktivität für zukunftsgewandte Bewohnergruppen, das hinsichtlich des gewünschten breiten Wohnungsangebotes noch Entwicklungspotential bietet.