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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2021

Wohn- und Gewerbebau „Fleur de la Champagne“ auf dem Areal Blumenstrasse Süd/Gurzelen in Biel (CH)

Illustration

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1. Preis

Preisgeld: 36.000 CHF

Luna Productions

Architektur

Chaves Biedermann Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Architekturbüro K. Pfäffli

Architektur

Enerconom AG

Bauingenieurwesen

Holzing Maeder GmbH

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Das Terrain Gurzelen ist einer der Entwicklungsschwerpunkte der Stadt Biel. Sie gibt hier Land im Baurecht an Genossenschaften ab, welche mit einem starken Konzept für das Quartier überzeugen konnten.
La Fleur de la Champagne ist ein Wohn- und Gewerbebau, welcher das Wohnen und Arbeiten unterschiedlicher Menschen in einer gemeinschaftsfördernden, nachhaltigen und flexiblen Struktur ermöglicht.
Die öffentlichen Nutzungen wie Quartierladen, Beiz, Mobilitätsstation und Co-Working im Erdgeschoss verankern die Fleur im Quartier. Die verschiedenen Wohnungstypen und die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung ermöglichen die Integration unterschiedlichster Lebensentwürfe unter einem Dach.

Ein sechsgeschossiger Riegel für die Wohnnutzung bildet zusammen mit dem zweigeschossigen Gebäude der Stiftung Zentrum SIV den gemeinschaftlich genutzten Hof. Auf dem Dach der Stiftung entsteht auf halber Höhe zum Wohnteil ein grüner Dachgarten, als halbprivater Aussenraum für die BewohnerInnen, welcher mit der Terrasse Commune, der Laubenerschliessung der Wohnungen kommuniziert.

Das Gebäude ist komplett klimaneutral konzipiert. Der Holzbau ist kompakt und effizient in der Flächennutzung, klar und durchgängig in den Strukturen und so konzipiert, dass er mit einer minimalen Gebäudeausrüstung auskommt.
Wo immer möglich wird mit nachwachsenden Rohstoffen oder wiederverwendeten Elementen gearbeitet. Um den unterschiedlichen Bauteilen gerecht zu werden, wird eine konsequente Systemtrennung angestrebt, dies gilt auch zwischen Primär-, Sekundär und Tertiärstruktur.

Die Wohnungsvielfalt ist gross, und reicht vom Studio über die «normale» Wohnung bis zur Wohneinheit im Cluster. Hierbei spielt stets auch die Flexibilität eine grosse Rolle, so können Wohnungen zusammengelegt oder Zimmer dazu gemietet werden.

Die BewohnerInnen wirken im Zuge der gemeinsamen Entwicklung, des Selbstausbaus
und ihrer Möblierung aktiv an der Gestaltung der Siedlung mit, und werden so für ökologische Themen wie klimaneutrales Bauen und Biodiversität sensibilisiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt führt die quartiertypische Bebauungs- und Nutzungsstruktur fort und schliesst die Bauzeilen entlang der General- Dufour-Strasse mit einem Winkelbau (5 Geschosse plus Attika-Geschoss) zur Falkenstrasse ab. Der L-förmige Baukörper fasst zusammen mit dem Gebäude des Stiftung Zentrum SIV den Hofraum. Das Bauvolumen SIV bleibt dabei zweigeschossig und vermittelt so zur niedrigeren und feinkörnigeren Struktur entlang der Blumenstrasse und dem nördlichen Quartierteil. Das Erdgeschoss des Winkelbaus ist als zusammenhängende Fläche, gemäss den Verfasser*innen als offene Markthalle, konzipiert, und öffnet sich mit seinen Ateliers, Gewerbeflächen und Allmendräumen einerseits zum Quartier und andererseits zum Hof als lebendigem Begegnungsort. Der Hofraum als eigentliche Adresse wird über zwei Zugänge erschlossen. Einer an der Cornouillerstrasse, der andere über einen Durchgang an der Blumenstrasse neben dem Werkstattgebäude SIV. Das winkelförmige Wohngebäude hat ein strenges Raster und gliedert sich in zwei Zimmerschichten sowie eine zentrale Infrastrukturschicht mit Bädern, Reduits und Küchen. Alle Wohnungen sind auf diesem räumlichen Prinzip aufgebaut. Sie ermöglichen das Durchwohnen und weisen durch praktisch identische Proportionen und Grössen aller Räume auch eine hohe Flexibilität und Anpassbarkeit auf. Dies sowohl was den Wohnungsmix, als auch die innere Organisation der Wohneinheiten betrifft. Ein Teil der gemeinsamen Räume für Veranstaltungen, Sitzungen, Waschen und Werken befinden sich im 3. Obergeschoss mit direkter räumlicher Beziehung zum Dachgarten auf dem Gebäudeteil der Stiftung Zentrum SIV. Das Projekt formuliert auf sehr einfache Art und Weise unterschiedliche Freiraumqualitäten. Der Aussenraum gliedert sich in drei Teile: Hof, Dachgarten und die als «Terrasse Commune» bezeichnete breite Laubengangerschliessung. Der Hof wird als chaussierte Fläche vorgeschlagen. Weil er nicht unterbaut ist, können darin auch hochstämmige Bäume gepflanzt werden. Im Erdgeschoss verbindet sich das Gebäudeensemble über einen halböffentlichen Hof mit dem Quartier. Entlang der Gebäude und unter den Lauben definiert der feste Belag eine Zone mit erhöhter Privatheit. Das industrielle Gerüst der Treppentürme und der Lauben ist mit Pflanzen berankt, die sich den Hofraum mit der Zeit aneignen werden. Der grosse, attraktive Dachgarten wird über verschiedene Wege erschlossen und ist der «private Aussenraum» der Siedlung. Er soll Spielplatz, Aufenthaltsraum und Nutzgarten sein. Durch kleine Geländemodellierungen soll auch die Pflanzung von kleinen Obstbäumen ermöglicht werden. Die als «Terrasse Commune» bezeichnete Laubengangerschliessung ist das verbindende Element der Siedlung und führt die Idee der Gemeinschaft auf den Geschossen fort. Ihre grosszügige Breite ermöglicht Begegnung und Austausch, aber auch die Aneignung durch die Bewohner*innen. La Fleur ist ein wertvoller Beitrag, da er die Frage nach dem Charakter des Hofs und somit des Gesamtensembles anders beantwortet als viele andere Beiträge. Die Primärkonstruktion des Projekts ist eine Holzkonstruktion mit Stützen, Unterzügen und Holzdecken aus Brettstapelelementen. Die Fassade besteht aus Holzrahmenelementen, strassenseitig soll sie mit Kalkputz verputzt werden. Die Projektverfasser*innen schlagen ein sehr weitgehendes Konzept zur Entwicklung und Gestaltung der Siedlung vor. Mit Re-Use und Recycling von Baumaterial soll die graue Energie möglichst minimiert werden. Bei der Gestaltung der Terrasse Commune, bei den Erschliessungstürmen und bei den strassenseitigen Terrassen kommen wiederverwendete Stahlteile und Bleche zum Einsatz. Bauteile wie Regenwasser-Silo, Metalltreppen, Trapezbleche sollen bei entsprechender Verfügbarkeit aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommen. Bei der Haustechnik und im Innenausbau wird auf eine sehr weitgehende Systemtrennung geachtet. Das Projekt verfolgt ein sozialräumliches Konzept, dass dreischichtig ist: Geplant als Siedlung, die sich durch einen Haupteingang zur Cornouillerstrasse öffnet und zudem einen kleineren Eingang zur Blumenstrasse anbietet, öffnet sie sich ins Quartier. Im Sinne eines durch Öffnungszeiten gesteuerten «dritten Eingangs», über den der Strom der Besucher*innen in und aus dem Siedlungshof gesteuert werden kann, lässt sich die «Markthalle» zur Falkenstrasse verstehen. «La Fleur – sie blüht» ist in Bezug auf die Programmierung von Gemeinschaft zurückhaltend; viele nutzungsoffene Flächen werden bewusst als Prozess verstanden, den die Bewohner*innen selbst führen sollen. Am deutlichsten wird dies im EG. Ein «Dienstleistungscluster» fasst Co-Working, Villa Kunterbunt, Gemeinschaft, Quartierbeiz, Quartierladen und Gewerbe zusammen, ohne über tragende Bauteile schon Raumgrössen vorzugeben. Dieses Vorgehen eignet sich für eine Genossenschaft, die so vielfältig ist wie GURZELENplus, sie lässt individuelle Zuschnitte zu und ist zudem höchst nutzungsflexibel. Diese Stossrichtung hat auch der Hof. Mit «Produktion/Werken» (SIV Arbeitsräume gegenüber Wohnateliers) sowie «Aufenthalt/Spiel» (SIV Mensa gegenüber Co- Working und Villa Kunterbunt) werden lediglich zwei Ideen aufgeworfen, ohne bauliche Konsequenz im Hof nach sich zu ziehen. Insbesondere Familien mit kleineren Kindern, Ein-Eltern-Familien, alte Menschen und Alleinstehende werden durch die Innenhofidee, die offenen Erdgeschosse und vor allem auch durch die Erschliessung der Gebäude vom Hof aus auf verschiedenste Weise angeregt werden, integrative Nachbarschaftsformen auszubilden. Und diese sind durch den Entwurf als Siedlungsnachbarschaft gedacht (nicht als Hausnachbarschaft), eine der wesentlichen Voraussetzungen für heutige private Hilfestrukturen. Insgesamt bekennt sich «La Fleur – sie blüht» zu einem Bauträger, der die Idee einer genossenschaftlichen Siedlung hat und damit eine andere als die «klassische» Form des Zusammenlebens sucht. Das Projekt entwirft einen vielfältigen Ort für Menschen, die gerne in einer lebendigen Nachbarschaft leben oder dies erproben möchten. Die Bevölkerung des Quartiers wird insbesondere durch die Erdgeschossnutzungen an das Siedlungsleben herangeführt und durch die Ausgänge zum Hof auch zu bestimmten Öffnungszeiten daran beteiligt. Das Projekt kann als Leitbild des «Alleine wohnen, aber in Gemeinschaft leben» interpretiert werden. «La Fleur – Sie blüht» ist ein präzise aus dem städtebaulichen Kontext entwickeltes Projekt, welches die komplexen Anforderungen des Programms sowohl in Bezug auf die räumlichen und organisatorischen Vorgaben als auch auf die Aspekte der Nachhaltigkeit und die Wirtschaftlichkeit in sehr hohem Mass erfüllt. Weitgehend dem angestrebten hohen Anteil an Recycling, Re-Use und dem erwünschten Selbstbau geschuldet, bleibt das Projekt aus architektonischer und gestalterischer Sicht relativ vage. Es eröffnet damit die Möglichkeit, dass diese erste Siedlung der jungen Genossenschaft GURZELENplus in der Stadt Biel durch ihre Bewohner*innen, deren Initiativen und neue Formen der gemeinsamen Verwaltung und dynamischen Weiterentwicklung Bekanntheit erlangt.
Ansicht

Ansicht

Schwarzplan

Schwarzplan

Schnitt

Schnitt

Fassaden

Fassaden