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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2021

Integrierte Sekundarschule Eisenacher Straße in Berlin-Mariendorf

Aussenperspektive

Aussenperspektive

Anerkennung

Behnisch Architekten

Architektur

TREIBHAUS Landschaftsarchitektur Berlin/Hamburg

Landschaftsarchitektur

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Architektur

Die Schule als integrativen Prozess denken
Der Entwurf einer Schule ist nicht nur in Bezug auf die Architektur und Pädagogik, sondern auch in sozialer, politischer und kultureller Hinsicht ein herausfordernder Prozess. Sie kann auf sozialer und kulturverbindender Ebene eine wichtige Rolle spielen. Voraussetzung ist die Bildungsstätte nicht alleine als Platz zum Lernen und reproduzieren von Wissen, sondern als Ort für Kreativität zu sehen. Wir leben im postindustriellen Zeitalter, einer Epoche der Veränderung, in welcher es unmöglich ist die alten pädagogischen, architektonischen und sozialen Strukturen zu verwenden.

Junge Menschen dürfen nicht als homogene Gruppe wahrgenommen werden- wenn sie bestmöglich gefördert werden sollen muss man auf ihre unterschiedlichen Interessen, Neigungen, ihre bevorzugten Methoden und auf das individuelle Tempo eingehen.

In diesem Prozess spielt der Raum und somit die Architektur eine wichtige Rolle. Er wird, um es in den Worten von Loris Malaguzzi (Reggio) zu sagen zum dritten Pädagogen.

Auch wenn man seine Umgebung nicht versteht, sie Einen nicht explizit beeinflusst, Einem die Besonderheit nicht ins Auge fällt, wirkt sie schon ab einem sehr jungen Alter auf uns ein. So ist, wie jede andere Sprache auch, physischer Raum mitverantwortlich in welcher Art und Weise unser Denken geformt wird. Die Menschen leben in einer reziproken Verbindung mit ihrer Umwelt. Beide sind aktiv und formen einander im Lauf der Zeit.

Das Entwurfsziel ist es Raum zu schaffen, zu organisieren, der es Kindern ermöglicht ihre Potentiale, Fähigkeiten und Neugier auszuformulieren, allein oder gemeinsam zu forschen, Identität, Unabhängigkeit und Sicherheit zu festigen, mit anderen zu arbeiten und zu kommunizieren. Gleichzeitig soll er es Lehrenden ermöglichen sich unterstützt und eingebunden in ihrer Beziehung mit Kindern und Eltern zu fühlen, sich in geeigneten Räumen mit Kollegen und Eltern zu treffen und ihnen eine gewisse Art von Privatheit bieten. Letztes Glied in dieser Kette ist die Öffnung zur Gemeinschaft der Umgebung, nur so kann die Schule in Austausch mit ihrer Umgebung treten. All diese Gedanken setzen ein Haus voraus, in dem sich niemand ausgeschlossen fühlt, Inklusion vom bloßen Wort zum gebauten Raum wird.

Die formulierten Projekteziele der integrierten Sekundarschule an der Eisenacherstraße zeichnen eine neue Art Bildung zu denken auf. Es ergibt sich die Chance, Schule nicht nur als eine Aneinanderreihung von Räumen zum frontalen Auswendiglernen zu begreifen, sondern als kreativen Prozess, der Kinder auf allen Ebenen in ihren individuellen Entwicklungsschritten unterstützt.

Die Verortung und die Identifikation mit der Geschichte des Ortes.
Das Grundstück für den neuen Schulcampus befindet sich im Bezirk Tempelhof- Schöneberg im Ortsteil Mariendorf. Bis Ende 2020 war dieses noch durch die Bebauung einer Kleingartensiedlung und ihren grünen Gärten geprägt.
Das neu entstehende Gebäude versucht mit der Entstehungshistorie des Ortes respektvoll umzugehen und sich an der kleinteiligen, von Grün geprägten Struktur zu orientieren. Das Erdgeschoss formuliert sich als frei geformte Landschaftsebene aus, über welche die vier einzelnen Baukörper optisch und funktional miteinander verbunden werden. Wie selbstverständlich ergibt sich somit das Bild einer grün bewachsenen Plattform auf welcher die Gebäude verstreut stehen.

Im Westen verzahnen sich die Häuser mit dem neu entstehenden Park und lassen dadurch im Erdgeschoss den Lese- und Forschungshof entstehen. Durch solitäre Baumpflanzungen in diesen Höfen wird in den oberen Geschossen der Blick der Kinder vom gegenüberliegenden Klassenzimmer abgelenkt, es ergibt sich das Gefühl vom Lernen in den Bäumen. Im Süden entsteht eine weiche Form hin zum Schulhof, die Außenanlagen nehmen den Gedanken der vormals vorhandenen Durchwegung des Grundstücks wieder auf und schaffen dabei eine Verbindung zwischen dem Haupteingang an der Eisenacher Straße und der bestehenden Grundschule. An dieser Achse findet sich auch gut sichtbar der der Eingang zu den Sporthallen. Die Schule wird nicht als abgeschlossener Ort verstanden, sondern bildet durch die räumlich klare Adressbildung einen identitätsstiftenden Mittelpunkt der Quartiersgemeinschaft.

So frei sich das Erdgeschoss auf der einen Seite nach außen gibt, so klar ist auf der anderen Seite die Orientierung im Inneren. Der Haupteingang ist der Beginn der Schulstraße, über welche die Kinder ihre jeweiligen Compartments direkt erreichen können, hier bildet sich eine Art Adresse an den Treppenhäusern aus. Linker Hand befinden sich alle nur schulintern genutzten Funktionen, rechter Hand jene, die auch von der Öffentlichkeit und der anliegenden Grundschule gemeinschaftlich verwendet werden können.

Herzstück der Schulstraße ist das Foyer, welchem die Bibliothek, die Mensa, und der Mehrzweckraum zugeschalten werden kann. Die naturwissenschaftlichen Klassen orientieren sich hin zum ruhigen Park. Die Musikklasse und Lehrküche sind auch über den Hof zugänglich und können bei Bedarf von der Schulstraße abgetrennt werden, gleiches gilt für die WAT- und Kunstklassen. Die Sporthallen sind so organisiert, dass sie über die Schule direkt erschlossen werden können, der eigentliche Hauptzugang liegt aber zum Hof hin und kann von Externen auch bei geschlossener Schule verwendet werden.

Die Compartments sind die „Heimat“ der Schülerinnen und Schüler, es ist ein Zusammenschluss aus vier Klassen unterschiedlicher Altersstufen. Den Klassenräumen zuschaltbar wurden die Teilungsräume so angeordnet, dass jeweils zwei von ihnen zu einem großen Raum verbunden werden können.

Kernstück eines jeden Compartments ist das Forum, welches über einen Hof belichtet wird und zum freien Lernprozess einlädt. Hier kann alleine konzentriert oder im Team gearbeitet werden, es lädt zum Vorführen von Theaterstücken ein oder bietet Platz für kreative Lernmethoden. Auch die Lehrerinnen und Lehrer finden hier ihre Homebase und können sich im Raum für Teamkommunikation entfalten, wobei sie von hier aus gleichzeitig eine ideale Sichtbeziehung zum Forum haben. Durch die Pflegeräume und den Ruheraum wird der integrative Gedanke ergänzt und abgerundet.
Die Raumorganisation ist flexibel gedacht und wird durch die Konstruktion unterstützt, so wird sichergestellt, dass zukünftig auch auf neue Gedanken zum Lernen und den daraus resultierenden neuen Anforderungen an den Raum reagiert werden kann.

Bei der Materialität wird auf natürliche Baustoffe geachtet, so ist zum Beispiel die Brettsperrholzdecke sichtbar. Lediglich im Bereich der Fassade befinden sich Akustikelemente an der Decke, in die auch die LED Beleuchtung integriert wird.


Freiraum

Der Entwurf für die Freiflächen der neuen ISS knüpft an die Geschichte des Ortes als nacheiszeitliche, bewegte Landschaft sowie die der Kleingartennutzung an.

Fließende Räume verbinden den Pausenhof an der Eisenacher Straße mit der Schätzelberg-Grundschule. Die Freiflächen werden gerahmt von dem großzügigen Gertensaum im Osten, der mit vielen Bestandsbäumen die grün, voluminöse Raumkante definiert. Hier findet sich auch der Schulgarten. Im Westen schließt der neue Parkraum und Grünzug an, dessen Vegetation sich über den Dachgarten mit der Pausenfläche verzahnt. In der mäandrierenden Platzfläche aus gefärbtem Asphalt, liegen die Freizeitdünen und -senken aus Kies und wasserdurchlässigen EPDM, ausgestattet mit unterschiedlichen Angeboten für Bewegung, Betätigung und Zusammenkommen. Im Norden liegt der Sportbereich eingebettet im Grün.

Sechs Freizeitflächen, mal leicht eingesenkt als Entspannungssenke auf dem lebendigen Vorplatz, erhöht zur Kletterdüne, sowie niveaugleich mit Trampolinen, Tischtennis und Streetball, sind die Anziehungspunkte des Pausenhofs. Zwei weitere Freizeitflächen liegen in der Dachlandschaft in luftiger Höhe und laden zum Lernen, Loungen und Bewegen ein.
Eine Sitz- und Liegekante zieht sich durch den Pausenhof und korrespondiert mit der geschwungenen Kante des Vordachs. Der informelle Streifraum an den Rändern im Osten und Norden, bietet ruhige Angebote zur Erholung sowie frei verteilte Findlinge und Holzstämme zur Aneignung an. Auf dem Weg zum Schulgarten am Rasenspielfeld, findet sich eine große Tribüne als weiteres großzügiges Freiraumelement. Der Parkraum im Westen fließt in die Höfe. Austritte aus den angrenzenden Räumen in den grünen Lesesaal und den Blättersalon erweitern die Innenflächen hinaus ins Freie.

Die Anlieferung der Küche sowie die Entsorgung erfolgen von der Eisenacher Straße aus über den Vorplatz. Eine FW-Aufstellfläche, ebenfalls von der Eisenacher Straße erschlossen, wird in der Mitte des Pausenhofes angeordnet.
Die Bestandsbäume, größtenteils Obstbäume, werden soweit wie möglich erhalten und thematisch um klimaresistente ausgewählte Arten ergänzt. Die Dachflächen erhalten eine extensive Dachbegrünung. Die Entwässerung erfolgt soweit wie möglich dezentral in die angrenzenden Pflanzflächen.
Lageplan

Lageplan

Erdgeschoss

Erdgeschoss

Obergeschoss

Obergeschoss

Innenraumperspektive

Innenraumperspektive

Querschnitt

Querschnitt

Ansicht West

Ansicht West

Detailausschnitt Fassade

Detailausschnitt Fassade