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Studienauftrag | 04/2021

Gesamtsanierung Schule für Gestaltung in Bern/Biel (CH)

Teilnahme / 2. Phase

Graser Troxler Architekten

Architektur

Abplanalp Affolter Partner GmbH

Projektsteuerung

Büeler Fischli Bauingenieure GmbH

Bauingenieurwesen

Mebatech AG

Fassadenplanung

s3-engineering / Sustainable System Solutions GmbH

TGA-Fachplanung

HEFTI. HESS. MARTIGNONI. Aarau AG usic

Bauingenieurwesen

B3 | Engineering und Management am Bau

Brandschutzplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Projektvorschlag weist eine unglaubliche Akribie in der Analyse des Bestandes und ein hohes Mass an Detaillierung in den daraus abgeleiteten Massnahmen auf. Basierend auf der konstruktiven Problemanalyse wird eine Vielzahl an äusserst spezifischen Massnahmen vorgeschlagen. Angefangen bei der Ertüchtigung des Tragwerks über den neuen Dachaufbau, über die doppelseitige Dämmung der Fassadenhaut, bis zu den räumlichen Veränderungen durch die neuen Fluchttreppen und Erweiterung im Erdgeschoss. All diese Massnahmen werden mit dem Erhalt der wertvollen Substanz begründet. Sie bewirken zu einem grossen Teil aber leider, dass wesentliche Elemente nicht mehr sichtbar sind oder sogar komplett umgedeutet werden. Dies zeigt exemplarisch der Vorschlag zur Sanierung der Karussellfenster. Durch die aufgeclipten Dämmprofile wird das Verhältnis von Brüstung zum Fensterband und damit die Proportionierung der Fassade komplett verändert. Zudem wird die handwerkliche und ästhetische Qualität des Fensters nicht mehr erlebbar sein und damit stellt sich auch die Frage nach Aufwand und Ertrag. Die kompetente, detaillierte Analyse der bestehenden Fensterkonstruktionen und deren Beschläge ist fachlich sehr gut nachvollziehbar. Das beidseitige Aufdämmen der bestehenden, thermisch nicht getrennten Rahmenkonstruktionen und der Einsatz einer gut wärmedämmenden 3-fach-Wärmeschutz-Isolierverglasung mit Stufenausbildung ist aus technischer und bauphysikalischer Sicht notwendig, auf den Plänen nachvollziehbar dargestellt und kann technisch in dieser Form umgesetzt werden. Durch das Verbreitern der bestehenden Rahmen mit äusserer und innerer Aerogel-Hochleistungswärmedämmung und zusätzlichen Rahmenabdeckungen aus Aluminium wird die Bautiefe des bestehenden Fensters so erhöht, dass ein flächenbündiger Einbau einer windstabilen und zentral gesteuerten ZIP-Vertikalmarkise ermöglicht wird und dadurch der sommerliche Wärmeschutz sichergestellt werden kann. Auf die unbefriedigende Behaglichkeitssituation im Winter wie im Sommer wird mit einer Brüstungsdämmung und umfassend sanierten Fenstern sowie einer Automatisierung der Storen reagiert. Zudem wird eine Nachtauskühlung über motorisierte Fenster vorgeschlagen, um deren Effizienz zu garantieren. Zusätzlich sollen für die Verbesserung der Behaglichkeit im Winter die Radiatoren von einer Einrohr- auf eine Zweirohrverteilung geändert werden, womit eine homogenere Wärmeverteilung erwartet wird. Mit einer vollständigen Berechnung des Heizwärmebedarfs nach SIA 380/1 wird nachgewiesen, dass der Grenzwert (Primäranforderung Minergie) eingehalten wird. Obwohl eine PV-Anlage auf dem Dach und an der Fassade des Attikageschosses vorgesehen ist, wird nachgewiesen, dass der Standard Minergie aufgrund des hohen fossilen Anteils der Fernwärme nicht erreicht werden kann. Der Lösungsansatz zur Verbesserung der Energieeffizienz und des Innenraumklimas bei gleichzeitigem Erhalt der bestehenden Gebäudehülle wird konsequent verfolgt. Diese bis zur Ende gedachte Ertüchtigung der bestehenden Bauteile zeigt aber auch am deutlichsten das Unmögliche des Unterfangens. Die Autoren erkennen richtig, dass die bestehenden Rahmen entweder thermisch getrennt oder durch Applikationen verstärkt werden müssen. In der Konsequenz bedeutet das, dass zwar viele Teile der Fassade erhalten bleiben können, aber abgesehen von den inneren Brüstungsbereichen nicht mehr sichtbar sind. Die präzis dargestellten Details verdeutlichen auch, dass in bestehende Rahmen nicht ohne grossen Aufwand ein neuer Sonnenschutz eingefügt werden kann. Der Beibehalt der 360°-Drehfähigkeit verkompliziert die Aufrüstung zusätzlich. Beim Versuch, Neues auf Altes zu applizieren, ist weiter zu bedenken, dass die Gefahr besteht, dass das Neue beim Versagen des Alten gleich mit rückgebaut werden muss. Die Projektverfasser können die bauzeitliche Fassade in grossen Teilen zwar substanziell, nicht jedoch im Ausdruck und in ihrer Oberflächenhaptik erhalten. Die den Denkmalwert mitprägende sichtbare Konstruktionsweise wie auch die Altersspuren gehen infolge der aufgesetzten Dämmprofilen verloren. Beibehalten werden kann der spezielle Öffnungstypus der 360°-Wendefenster, die neue Rahmenstärke führt aber zu entsprechenden Anpassungen an der Mechanik. Kritischer werden die vorgeschlagenen architektonischen Massnahmen beurteilt. Die Idee einer »Stadtkrone « kann weder ideell noch formal überzeugen. Die Schule für Gestaltung hat aufgrund ihrer prominenten Lage und präzisen Architektursprache bereits eine hohe Ausstrahlungskraft und auch hinsichtlich der benachbarten Architekturikone von Hans Brechbühler empfiehlt sich hier eine gewisse gestalterische Zurückhaltung. Die neue Eingangsfront schmälert zudem die Qualitäten des für das Gebäude typischen freien Erdgeschosses. Der Lösungsansatz generiert im Vergleich mittlere Investitionskosten. Die konsequente Ertüchtigung senkt die Betriebskosten, jedoch birgt die Verbindung von neuen und alten Bauteilen Kostenrisiken im Unterhalt.
Fazit: Der Projektvorschlag verfolgt in aller Konsequenz den Erhalt der wertvollen Substanz. Dies wird von der Jury ausserordentlich geschätzt und entsprechend verdankt. Leider zeigen die Verfasser damit auch die deutlichen Grenzen des Bestandes auf und tragen dadurch wesentlich zum Entscheid bei, den Totalersatz der Fassade zu favorisieren.