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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Neues Stadtquartier Hoeckle Areal in Mössingen

Anerkennung

Preisgeld: 8.000 EUR

Eble Messerschmidt Partner Architekten und Stadtplaner PartGmbB

Stadtplanung / Städtebau

Ramboll Deutschland GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Entwurfsleitende Idee

Das neue Hoeckle-Quartier nördlich des Innenstadtgebiets bringt einen innovativen städtebaulichen Duktus in das Stadtleben von Mössingen. Mit seiner umfassend ganzheitlichen Orientierung gibt es Impulse für einen zeitgemäßen Strukturwandel des Gemeinwesens, indem es beispielgebend, offen und einladend wirkt.

Entwurfsleitende Idee ist, eine Metamorphose im West-Ost-Schnitt zu entwickeln vom Durchgangs-verkehrs-Charakter der Karl-Jaggy-Straße mit Gewerbeanrainern hin zum kleinkörnigen Siedlungsrand an der Lichtensteinstraße, die durch folgende Nord-Süd-Strukturen mit ihren vielfältigen Quervernetzungen gekennzeichnet ist:

- Der grüne Puffer mit Bestandsbäumen entlang der Karl-Jaggy-Straße wird zur Überflutungslandschaft weiterentwickelt.
- Die urbanen Wohnhöfe mit ihrer ineinander gewobenen offenen Blockrandbebauung entwickeln sich entlang einer Shared-Space-Erschließung mit gemeinschaftlichen Platz-Raum-Folgen.
- Die Siedlungsmitte wird als landschaftliche Klimafuge mit Regenwasserkonzept mäandrierend zum Spiel-, -Begegnungs- und Erholungsraum der Siedlung ausgebaut.
- Die grünen Wohnhöfe und Stadtvillen entlang der Lichtensteinstraße schaffen einen Siedlungsrand mit ruhigem Familienwohnen.
- Die Lichtensteinstraße als arkadische Alleenstraße mit Flutgraben bringt räumliche Anmutung in das heterogene Siedlungsumfeld.

Städtebauliches Konzept

Eine großzügige, von Nord nach Süd verlaufende Landschaftsfuge verbindet die westlich gelegenen urbanen Höfe mit den grünen Höfen des westlichen Wohngebiets. Die urbanen Höfe mit ihrer mehrheitlich 4-geschossigen Bebauung entwickeln sich als offene, ineinander verwobene Blockbebauung um als Shared-Space organisierte Platz-Raum-Folge mit hohem Grün- und Gemeinschaftsflächenanteil. Ihr westlicher Blockrand verortet im Erdgeschoss die geforderten Gewerbe- und Dienstleistungsflächen. Die östlich gelegenen grünen Wohnhöfe und Stadtvillen entlang der Lichtensteinstraße liegen gegenüber der Landschaftsfuge auf terrassenartig erhöhten „Bauschollen“. Damit steigert sich die Artikulation der Landschaftsfuge zur räumlich ablesbaren und identitätsstiftenden Gemeinschaftsfläche.
Auch die urbanen Höfe liegen aus Gründen des Überflutungsschutzes leicht erhöht.
Die mäandrierende Landschaftsfuge mit ihren Raumfolgen aus Wasserspielplatz, Quartiersplatz und kleinem Baumplatz an der Langen Straße ermöglicht die innere Begegnung und gleichzeitig die offene Verbindung in den umgebenden Stadtraum. Damit verwebt sie das Quartier über den Fritzenrain mit Steinlach und neuer Mitte.

Erschließungskonzept und Mobilität

Die Erschließung der urbanen Höfe erfolgt über 2 Anschlüsse an die Karl-Jaggy-Straße. Die Adresse des Gesamtquartiers bildet die Eingangstraverse zum Quartiersplatz mit dem multimodalen Mobility-Hub.
Der Mobility-Hub verortet Bushalteplatz, Fahrradstation, Lastenräder-Verleih, Fahrradwerkstatt, E-Car-Sharing und Besucherstellplätze in einer Quartiers-TG.
Die innere Erschließung gewährt der Shared Space mit seinen Platzfolgen der Blockinnenräume. Die grünen Höfe und die Stadtvillen werden von der Lichtensteinstraße erschlossen. Dort bieten großzügige Grünraumfugen der jetzigen und künftigen Nachbarbewohnerschaft einen einladenden Zugang zum Quartier. Verbindendes und identitätsstiftendes Element des Quartiers ist der Quartiersplatz.

In seiner Polarität aus urbanem Charakter und Wasserlandschaft präsentiert er ein vielfältiges Aufenthaltsangebot. Der Erhalt des Hausmeisterhauses als öffentlicher Ort für Vereine und Veranstaltungen erinnert an die Hoeckle-Vergangenheit.
Das Mobilitätskonzept mit seiner autoarmen Erschließung sieht dezentrale Tiefgaragen vor, die weitest-gehend von den Quartiersrändern aus erschlossen werden. Das Rückgrat der inneren Erschließung und der Wegevernetzung mit der Nachbarschaft bilden neben den Shared Space-Bereichen vor allem die attraktiven Fuss- und Radwege.

Nutzungs- und Wohnungsverteilung

Das Nutzungskonzept erfüllt die Forderung nach Mischnutzung, sozialer Vielfalt und neuen Wohnformen. Kleinräumige Gewerbeeinheiten und Dienstleistungsangebote befinden sich in der Erdgeschosszone der westlichen Blockrandbebauung. Baugruppen und der Genossenschaftsbau am Quartiersplatz steigern die Lebendigkeit der urbanen Wohnhöfe. Zur Platzbelebung tragen Quartiersladen und Cafeteria in Genossenschaftsträgerschaft bei. Dieses Gebäude könnte auch ein markantes Dachgewächshaus für eine neue Form des Urban Gardenings und der Gemeinschaftsbildung erhalten.
Sonderwohnformen und alternative Wohnformen können in den gemischtgenutzten Gebäuden an der Eingangstraverse integriert werden. Eine besondere Qualität könnte als Auftakt ein Senioren- und Pflegedienstleistungsgebäude mit Sozialstation, Tagespflege, Pflege-WG und betreutem Wohnen sein. Die grünen Wohnhöfe und Stadtvillen mit ihrem ausgewogenen Mix aus Eigentums- und Mietwohnungsbau sind dem Familienwohnen gewidmet. Generell werden Eigentums- und Mietwohnungen sowie kleine Gewerbeeinheiten in einer kleinteiligen Parzellierung gemischt.

Qualifizierte Dichte

Der wertvolle Baumbestand an der Karl-Jaggy-Straße, die Erfordernisse des Überflutungsschutzes, die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Klimastrategie durch urbane Naturintegration und der Wunsch nach vielfältigem Aufenthaltsqualitäten öffentlicher Räume verwebt sich zu einem großzügig-multifunktionalen Freiraumnetz aus Nachhaltigkeit, sozialem Angebot und Sinnes-Ästhetik.
In diesem Netz entwickelt sich eine angemessene und ökonomische Baudichte mit hohem Freiraumbezug.

Bauabschnittsbildung

Durch die klare Baufeldstrukturierung und dezentrale Erschließungsstruktur mit einzelnen Tiefgaragen lassen ergeben sich vielfältige groß- und kleinräumliche Bauabschnittsmöglichkeiten. Sinnvoll erscheint ein Auftaktabschnitt im urbanen Wohnhofbereich mit südlichem Anschluss an die Karl-Jaggy-Straße und im südlichen Bereich der grünen Wohnhöfe. Damit könnte der Quartiersplatz als Teil des 1. Bauabschnitts umgesetzt werden.

Architekturumsetzung

Die kleinteilige Parzellierung mit einer Stadthausstruktur erlaubt eine vielfältige Formen- und Materialsprache mit günstigen Voraussetzungen für einen hohen Anteil an nachhaltigem Holzbau.
Ziel ist eine lebendige Quartiersgestalt auf der Basis eines gleichzeitig differenzierten und harmonisierenden Material- und Farbkonzeptes.


Freiraumkonzept

Die Durchwebung des Städtebaus mit einer hohen Vielfalt an sowohl funktionalen als auch atmosphär-ischen Freiraumelementen schafft eine starke Identität. Eine besondere Qualität erzeugt dabei das belebende Element Wasser in der Klimafuge. Der nördliche Spielraum wird als Wasserspielplatz für alle Altersstufen ausgebildet. Der Quelltopf in Verbindung mit einer Regenwasserzisterne speist einen Bachlauf, der in eine offene Wasserfläche mit Retentionsfunktion mündet und umgewälzt wird.
Gesundes Grün, mikroklimatische Vielfalt und gemeinschaftsfördernde Platzflächen, der Kleinkinder-spielpunkt im Hof oder die selbstverständliche Organisation zwischen öffentlichen und (halb)privaten Bereichen unterstützen die Attraktivität und damit Nutzbarkeit des Freiraums. Die Anbindung an die Stadtmitte über den südlichen Platz macht die östliche Durchwegung auch für umgebende Anwohner attraktiv. Die östliche Platzfolge mit dem Shared-Space Bereich und den angebundenen Innenhöfen schafft ein eigenständiges und belebtes multifunktionales Quartierserlebnis.

Schwammstadtkonzept und Regenwassermanagement

Das Ziel ist die Berücksichtigung von Starkregenereignissen mit einem integrierten und auf dem lokalen Wasserhaushalt basierenden Regenwassermanagement.
Zentraler Entwurfsgedanke eines klimaangepassten Umgangs mit Regenwasser ist der Schutz des Gebietes vor Starkregenabflüsse aus dem nordöstlich angrenzenden Bereich. Dabei soll eine Lösung im Quartier und ohne Verlagerung der Problematik auf die Nachbarschaft geschaffen werden. Die dafür entwickelte Topographie, lenkt Regenwasser um das Gebiet herum und speichert zugleich Teile des Regenwassers vor allem im Grünzug an der Kral-Jaggy-Straße aber auch dezentral im Gebiet. Das Gebiet schafft dadurch einen positiven Beitrag zur Lösung dieses Problems für den Gesamtort. Aufbauend auf dieser Topographie wird ein Schwammstadtkonzept integriert, welches das Regenwasser dezentral bewirtschaftet, mit dem Ziel trotz Überbauung den örtlichen Wasserhaushalt abzubilden. Die nord-südlich verlaufenden Grünfugen bilden dabei das Rückgrat und ergänzen Maßnahmen auf den privaten Grundstücken inkl. begrünten Flachdächern, während die Baufelder mit den Gebäuden auf erhöhten Schollen sitzen.

Nachhaltige Energieversorgung

Das Quartier „Hoeckle Areal“ soll in Zukunft für den schonenden Umgang mit sowohl ökologischen als auch ökonomischen Ressourcen stehen. Für die Bebauung kommt den Themen der Energieeffizienz, der Berücksichtigung erneuerbarer Energien sowie geringer Lebenszykluskosten der Bebauung eine hohe Bedeutung zu.

Energieeffizienz

Passive, konzeptionelle Maßnahmen zur Reduktion von Heizwärme- und Kühlbedarfen, Maßnahmen zur Minimierung des Strombedarfs, der Lebenszykluskosten der technischen Anlage sowie Möglichkeiten zur lokalen und CO2-neutralen Energieversorgung greifen im Konzept ineinander.
Die Gebäude selbst bieten mit ihrer hohen Kompaktheit (geringes AV Verhältnis) geringe Angriffsfläche zur Auskühlung. Die Dächer werden als Flachdächer ausgeführt, die sehr gute Voraussetzungen für eine Nutzung als PV-Flächen bereitstellen. Das vorgeschlagene Konzept kann mit PV-Anlagen im Besitz der Wohnungseigentümer als eine Refinanzierung des ökologischen Invests oder über ein Contracting-Modell umgesetzt werden.
Grundsätzlich wird dabei für alle Gebäude eine energetische Performance entsprechend einem KfW-Effizienzhaus 55 oder KfW 40 angestrebt. Für die Bauteile bedeutet dies stark reduzierte U-Werte und eine Ausstattung mit einer Lüftungsanlage. Für kostengünstiges Wohnen kann auch eine dem hygienischen und bauphysikalisch erforderlichen Luftwechsel entsprechende Mindestlüftung vorgesehen werden. Für die Kühlung wird eine passive Lösung mittels Nachluftspülung angestrebt.
Durch das angestrebte Nahwärmenetz sind dabei die Gebäude selbst in ihrer Wärmeübergabe weitgehend frei – neben hochwertiger Fußbodenheizung lässt sich auch kostenreduziertes Bauen mit Heizkörpern umsetzen.

CO2-Neutralität und Erneuerbare Energien

Die Energieversorgung zielt auf die Nutzung von lokal anliegenden energetischen Ressourcen ab. Dazu wird zunächst für das gesamte Quartier eine solaraktive Dachgestaltung mit Photovoltaik vorgesehen.
Weiterhin wird ein zeitgemäßes Nahwärmenetz vorgeschlagen, das auf den Komponenten BHKW, ggf. einem Holzvergaser, Wärmepumpen, Erdsonden und Solarthermie auf dem Dach der Energiezentrale beruht.
Wärme aus der Solarthermie auf dem Dach des Quartierseingangsgebäudes wird dabei entweder direkt im Netz verteilt oder aber in den Erdsonden gespeichert, wo die solare Energie durch die Wärmepumpen genutzt wird.
Möglich ist hier auch die Einbindung weiterer umliegenden Dächer mittels PvT-Kollektoren (kombinierte Photovoltaik und Solarthermie). In Abhängigkeit der durch die Wärmepumpen bereitgestellten Energie und der genutzten Energiequelle für das BHKW (bei Verwendung von Holzvergasern Biogas) lässt sich so für das Quartier insgesamt eine CO2-neutrale Lösung entwickeln.
Aktuell werden folgende Anteile als wirtschaftlich erachtet: BHKW 35% / Wärmepumpe 65%; 50% Biogas für das BHKW; 70%ige Dachflächennutzung – u.a. im Rahmen des Fördervorhabens Wärmenetze 4.0 des BMWi. Dabei werden ein deutlich reduzierter Endenergiebedarf und Primärenergiebedarf, sowie stark reduzierte CO2-Emission erreicht – bei einem deutlich über 60% liegenden regenerativen Energieanteil.

Nachhaltige Bauweisen

Neben der Energieversorgung wird auch die Umsetzung von nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauweisen für sehr wichtig erachtet. Gute Beiträge können hier CO2-bindende und energieeffiziente Holzbauweisen leisten. Eine wohngesunde Materialwahl und Haustechnik sowie Fassaden- und Dachbegrünungen sollen das nachhaltige Gesamtkonzept abrunden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf 1017 bietet eine interessante städtebauliche Grundfiguration, indem er eine Nord-Südverlaufende „Landschaftsfuge“ anbietet, die zwischen „urbanen Höfen“ im Westen und „grünen Höfen“ im Osten vermittelt. Entlang der Lichtensteinstraße werden nur zwei Baufelder als Block-Hof ausgebildet und stattdessen im Nordteil Stadtvillen angeboten. Dadurch wird es möglich, drei urbane Höfe auf der Westseite auszubilden und diesem Entwurfsthema mehr Gewicht zu verleihen. Der Entwurf fügt sich damit relativ sensibel in seinen Kontext ein. Entlang der Lichtensteinstraße entsteht eine abwechslungsreiche Abfolge von offenen und geschlossenen Räumen. Nach Norden hin hält der Entwurf durch Retentionsflächen Abstand zur Bestandsbebauung. Zur Karl-Jaggy-Straße verzichtet der Entwurf auf eine große städtebauliche Geste und belässt den vorhandenen Baumbestand weitgehend. Die Adressbildung beschränkt sich auf die Setzung eines Mobility-Hubs mit breiter Zufahrt zur Quartiersmitte.

Die Jury würdigt die gelungene Ausgestaltung der Landschaftsfuge, die ihr Gesicht immer wieder wechselt (Baumplatz im Süden, Klimafuge in der Mitte, und Wasserspielplatz im Norden) und eine gute Wegeverbindung von der Innenstadt ins Quartier und weiter in die nördlichen Wohngebiete darstellt. Die Ost-West-Wegeverbindungen sind demgegenüber weniger stark ausgebildet. Insgesamt erscheint die Klimafuge allerdings zu schmal ausgebildet, um über die Funktion der Wegeverbindung hinaus als attraktiver, das gesamte Quartier gliedernder öffentlicher Raum wahrgenommen zu werden.

Dieser Eindruck wird durch die starke Inszenierung der „urbanen Höfe“ verstärkt, die ebenfalls eine Nord-Süd-Verknüpfung erhalten und damit in gewisser Weise in Konkurrenz zur Klimafuge treten. Die urbanen Höfe bieten gleichwohl gute Möglichkeiten, gewerbliche und soziale Nutzungen in das Quartier einzubeziehen. Es bleibt allerdings fraglich, welche Aufenthaltsqualitäten die Höfe selbst entwickeln, zumal sie zum Teil für den Erschließungsverkehr geöffnet sind und durch Zufahrten zu Tiefgaragen gequert werden. Eine Stärke des Entwurfs liegt in der Ausgestaltung des Quartiersplatzes: Das umgenutzte Pförtnerhäuschen, neue Bauten und eine „Solarlaube“ rahmen den Platz. Der Übergang zum Retentionsraum wird durch Sitzstufen inszeniert.

Der Entwurf baut auf einem durchdachten Energiekonzept auf. Er setzt die Nutzungen schlüssig, so werden Baugenossenschaften dort platziert, wo sie Impulse für den öffentlichen Raum setzen können. Der Städtebau offeriert unterschiedliche Baukörper bis hin zu Stadtvillen und damit eine Bandbreite von Wohntypen. Insbesondere die grünen Höfe lassen eine hohe Wohnqualität erwarten.

Insgesamt fügt sich der Entwurf durch die überwiegend dreigeschossige Bebauung in Baumassen und Körnigkeiten einerseits gut in die Umgebung ein, bietet aber andererseits relativ wenig Geschossfläche und operiert mit relativ geringen Abstandsflächen, was insbesondere entlang der Klimafuge als unzureichend bzw. „zu dicht“ bewertet wird.