Award / Auszeichnung | 10/2021
BDA Preis Bayern 2022
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Die Kita Karoline Goldhofer liegt in der ehemaligen Parkanlage des Stifter-Anwesens
Kita Karoline Goldhofer
Auszeichnung | Bauen im Bestand / Denkmal
heilergeiger architekten und stadtplaner BDA
Architektur
Bauherren
LATZ+PARTNER LandschaftsArchitektur Stadtplanung
Landschaftsarchitektur
TGA-Fachplanung
Tragwerksplanung
Energieplanung
Lichtplanung
Ingenieurbüro Anwander - Arbeitssicherheit & Brandschutz
Brandschutzplanung
Projektdaten
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Gebäudetyp:
Kindergärten, Vorschulen
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Projektgröße:
keine Angabe
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Status:
Realisiert
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Termine:
Fertigstellung: 06/2019
Projektbeschreibung
Die drei Gebäudeteile des alten Wohnhauses werden erhalten, freigestellt und unter einer neuen Hülle aus Polycarbonatstegplatten eingestellt. Die entstehenden Zwischenräume sind Raumerweiterung für die Kitafunktionen und Element des nachhaltigen Energiekonzepts. Die neue Hülle ist Kollektor von Licht und Energie. Sie erlaubt, die Bestandswände ungedämmt und als historische Schicht zu erhalten. Das Energiekonzept ist kybernetisches Zusammenspiel von Raum, Konstruktion und Gebrauch. Durch die Einsparung von „grauer Energie“, Baustoffen und einer CO2-Reduktion, die bereits heute das Klimaziel 2050 erfüllt, werden die Stärken des Bestands und des Gebrauchten auch im Sinne der Reggio-Pädagogik für den Klimaschutz aktiviert.
Das Konzept des Wiederverwendens und Aktivierens ist erlebbar: Materialität und Details des Bestands bleiben wie vorgefunden. Ergänzte Konstruktion ist sichtbar roh. Neue Möbel vom Schreiner unterstützen den Gebrauch des Alten.
Die Kita sucht nach architektonischen Antworten auf die relevanten Fragen des Bauens: Wie nutzen wir Bestand und schonen Ressourcen? Wie reduzieren wir CO2 und gewinnen Raum? Wie wird Klimaschutz als Bereicherung erfahrbar?
Beurteilung durch das Preisgericht
Die gestalterisch hervorragende Kindertagesstätte «Kita Karoline Goldhofer» in Memmingen von Heilergeiger Architekten steht für einen vorbildlichen Umgang mit Bestand und Ressourcen. Im Auftrag der Alois Goldhofer Stiftung verwandelte das Architekturbüro die Villa der Goldhofers samt Garage und Schwimmbad in einen Kindergarten. Für die Umnutzung wurden das Dachgeschoss zurückgebaut und die Gebäude freigelegt. Im nächsten Schritt umhüllten Heilergeiger Architekten die verbliebene Struktur, also rund 75 Prozent des Bestandes, mit recycelbaren, je nach Energiebedarf ein- oder zweischaligen transluzenten Polycarbonatplatten.
Geschickt integriert das Architekturbüro die neue Nutzung in die vorgefundenen Räume. So befindet sich nun in der ehemaligen Garage die Küche, die einstige Vorfahrt wird als Essbereich genutzt. Aus den Wohnräumen sind Ateliers geworden, die türkisfarbenen Fliesen des alten Schwimmbads blitzen noch hier und da im Spielhaus der ganz Kleinen hervor und mit einer Rutsche geht es ins Untergeschoss, wo Werkstätten und ein multifunktionaler Bewegungsraum untergebracht sind. Die abgebrochenen Materialien hingegen finden sich mitunter in der Freiraumplanung wieder, sofern sie nicht mit Schadstoffen belastet sind. So dienen die ehemaligen Dachziegel nun als Grundstücksbegrenzung und Sitzelemente.
Das vorbildliche energetische Konzept erfüllt mit einem CO2-Verbrauch von 4,98 Kilo pro Quadratmeter die Zielvorgabe der Bundesregierung für das Jahr 2050. Mithilfe einer 365-Tage-Simulation wurde das Haus energetisch optimiert. Der passivsolare Energieeintrag über die Fassaden ist ein wesentlicher Bestandteil für die Erwärmung des Hauses in den kalten Jahreszeiten. Im Sommer unterstützt die Speichermasse des Bestands und eine Regenwasserzisterne die natürliche Kühlung des Gebäudes. Eine Photovoltaikanlage liefert den Großteil des zum Betrieb benötigten Stroms.
Was bewusst erhalten bleibt, sind die Materialien, Oberflächen und die Struktur der Bestandsgebäude. So spannt sich zwischen Wohnhaus, Garage und Schwimmbad nun ein verbindender, großzügiger Begegnungsraum auf – bezeichnenderweise «Piazza» genannt. In den Räumen erzählen Klinker, Putz, Naturstein und Glasbausteine Geschichten aus einer anderen Zeit und verweben sich mit der Fantasie der Kinder, die den Rundbogen des ehemaligen Eingangs in ein Rosentor verzaubern und den Kamin zur Drachenhöhle erklären. Das Konzept der Wiederverwendung ist also auch im Kita-Alltag begleitendes Element: Das Alte wird nicht als Schwäche, sondern als Stärke verstanden.
©heilergeiger architekten und stadtplaner BDA
Der Bestand scheint durch die neue Hülle hindurch
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Details des Bestands bleiben und das Ergänzte ist roh
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Möbel vom Schreiner unterstützen den Gebrauch des Alten
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Das Spielhaus macht das alte Schwimmbad erlebbar
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Die Bestandsfassade umschließt mit der Hülle aus recycelbarem Polycarbonat den hohen Multifunktionsraum
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Die transluzente Hülle prägt die Atmosphäre in den Raumerweiterungen
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Die Kita folgt dem Geländeversprung und formt hier den zweigeschossigen Multifunktionsraum
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Überlagerung von alten und neuen Schichten
©Nicolas Felder, Wiggensbach
Spielen zwischen den alten Bäumen und auf der großzügigen Wiese