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Award / Auszeichnung | 10/2021

BDA Preis Bayern 2022

Erweiterung Landratsamt Neustadt an der Waldnaab

DE-92660 Neustadt an der Waldnaab, Stadtplatz 38

Auszeichnung | Gewerbe- & Verwaltungsbau

Bruno Fioretti Marquez

Architektur

capattistaubach urbane landschaften

Landschaftsarchitektur

ifb frohloff staffa kühl ecker

Tragwerksplanung

Landkreis Neustadt an der Waldnaab

Bauherren

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Staatliche und kommunale Bauten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2016
    Fertigstellung: 03/2019

Projektbeschreibung

Entlang der ehemaligen Stadtmauer und der extrem geformten Topographie ergänzt der Neubau das im Barockschloss beheimatete Landratsamt.
Als Reminiszenz an die historische Stadtmauer und als prägendes Element des Neubaus zeichnet eine monolithische Sichtbetonwand mit gezielt gesetzten Öffnungen die Grundstückgrenze nach und formt einen neuen Raum zwischen Stadt und Schloss. Um die Fernsicht des Schlosses freizuhalten, orientiert sich die Gebäudehöhe des Neubaus an der Sockelkante des historischen Bestands. Dem Verlauf der Topographie folgend wandelt er sich von einem eingeschossigen Baukörper im Norden in einen dreigeschossigen Baukörper an der Südseite und prä-sentiert sich schließlich in dem introvertierten, terrassierten Hof als moderner, viergeschossiger Verwaltungsbau mit einer leichten, offenen Holzfassade.
Im Innern zeichnet sich der Neubau durch eine klare, einbündige Grundrissorganisation aus: die Büros für 100 Mitarbeiter werden durch offene Wartebereiche, Besprechungs- und Konferenzräume ergänzt und orientieren sich mit ihren raumhoch verglasten Fassaden zum ruhigen und begrünten Innenhof.
Ähnlich einer Burganlage, deren meterdicken Wände genutzt wurden, um Alkoven auszubilden, nimmt das massive Wandelement die Erschließung und die Nebenräume auf, was den Eindruck einer massiven Stützmauer verstärkt. Eine Besonderheit ist die viergeschossige, einläufige Treppe, die gezielt und punktuell über ein Oberlicht und eine Fensteröffnung belichtet wird.
Die Hybridbauweise mit der massiven, monolithischen Wand in Kombination mit der leichten Holzkonstruktion basiert auf regionalhistorischen Vorbildern. Neben dem kulturellen Aspekt ist die Materialwahl immer auch eine Frage der Nachhaltigkeit, die sich neben dem Wärmedämmkoeffizienten auch in der Dauerhaftigkeit, dem Aufwand an Ressourcen und der Recyclingfähigkeit ausdrückt.
Während die massive Wand mit ihrer Speichermasse dem Raumklima dient und mit Beständigkeit assoziiert wird, hat die leichte Holzkonstruktion aus vorgefertigten Elementen eine extrem kurze Bauzeit und ist unter den Aspekten der Klimabilanz sowie der atmosphärischen und psychosozialen Wirkung konkurrenzlos. Mit dem Ineinandergreifen des architektonischen Konzepts, der baulichen Umsetzung und der technischen Komponenten gelang es, die haustechnischen Anlagen auf ein Minimum zu reduzieren - die Räume werden ausschließlich über eine individuell steuerbare Fußbodenheizung und eine flexible Elektroverteilung versorgt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Erweiterung des Landratsamts in Neustadt an der Waldnaab befindet sich im historischen Stadtkern, der sich auf einem langen und schmalen Höhenrücken erstreckt. Statt den Neubau in die Höhe ragen zu lassen, schieben Bruno Fioretti Marquez den abgewinkelten, U-förmigen Baukörper in die steile Topografie hinein, sodass sich zwischen Schloss und Neubau ein terrassierter, ruhiger und öffentlich zugänglicher Innenhof aufspannt. Die Ausformulierung des Baukörpers ist eine Reminiszenz an die historische Stadtmauer. Auf den ersten Blick scheint sich der Neubau eben wie eine solche Stadtmauer nur über ein Geschoss zu erstrecken. Erst beim zweiten Blick fällt auf, dass sich hinter der Wand aus Sichtbeton der Verwaltungsbau in das Erdreich gräbt. Durch dieses klare architektonische Konzept gelingt es Bruno Fioretti Marquez, den Erweiterungsbau des Landratsamts sensibel in das historische Ensemble zu integrieren.


Bautechnisch handelt es sich bei dem Neubau um einen Holzhybrid: Mit 60 Zentimeter Dicke dient die massive Außenwand aus Leichtbeton als Speichermasse dem Raumklima. Die leichte Holzkonstruktion bildet den Rahmen für Büro-, Besprechungs- und Besucherräume. Sie alle sind mit einer raumhohen Dreifachverglasung zum Innenhof orientiert. Sämtliche Räume werden ausschließlich über eine individuell steuerbare Fußbodenheizung und eine flexible Elektroverteilung versorgt. Beheizt wird der Bau zukünftig über Fernwärme einer Biogasanlage. Eine Photovoltaikanlage liefert einen Teil der Energie für den Betrieb des Gebäudes.


Im Vergleich zum abgerissenen Altbau bietet das neue Landratsamt Platz für mehr als doppelt so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das besondere Element des Neubaus ist die einläufige, imposante Treppe entlang der Außenmauer, die alle vier Geschosse miteinander verbindet und zu einem informellen Ort des Austauschs für das Kollegium geworden ist. Der grüne Innenhof hat sich zu einem beliebten Ort für Familien entwickelt und dient häufig als attraktiver Hintergrund für Hochzeitsfotos. Das darf durchaus als Indiz verstanden werden, dass die schlichte wie bescheidene Architektur ihren Platz in der Bevölkerung gefunden hat.


Durch das gelungene Zusammenspiel von Architektur, baulicher Umsetzung und technischen Komponenten gelingt es Bruno Fioretti Marquez, die haustechnischen Anlagen und den energetischen Verbrauch auf ein Minimum zu reduzieren und ressourcenschonend zu bauen. Das macht das neue Landratsamt zu einem vorbildlichen Bau für künftige Projekte öffentlicher Auftraggeber.