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Nicht offener, einphasiger, städtebaulich-freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb | 10/2021

Neuer Stadtteil Holtenau Ost in Kiel

2. Preis

Preisgeld: 34.000 EUR

Pesch Partner Architektur Stadtplanung GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Blaugrüne Stadt Holtenau-Ost: Die außergewöhnliche Lage und Größe des Grundstücks zwischen Waldsaum und Ostsee gliedert sich in unterschiedliche Teilräume mit besonderen Eigenschaften und Stimmungen. Aus diesen Merkmalen ergibt sich die Chance, Quartiere mit einzigartiger städtebaulicher Prägung zu entwerfen: Die Ostseeterrassen im Süden, anschließend an den bestehenden Stadtteil und mit Orientierung zum
Wasser, das Waldquartier mit seinen in die Gehölze eingefügten Wohninseln, das zentral gelegene urbane Quartier, das wir als vertikale Gartenstadt interpretieren, und schließlich der Maritime Gewerbepark Holtenau, in dem Technologie, Dienstleistung und Produktion in ein hochwertiges Freiraumgerüst integriert sind.

Mit ihrem spezifischen Charakter verbinden sich diese Quartiere über attraktive Freiräume zur Blaugrünen Stadt Holtenau-Ost. Über die Bündelung des motorisierten Verkehrs auf wenigen Straßen und die Zusammenfassung der notwendigen Stellplätze in Mobilitätshubs kann ein humanes Wohn­ und Arbeitsumfeld geschaffen werden - mit weitgehend fahrverkehrsfreien begrünten Straßenräumen, die allen dort Wohnenden und Arbeitenden für Erholung, Begegnung und Spiel zur Verfügung stehen.

Die Promenaden entlang der Förde, der Fährplatz am Anleger, der Quartiersplatz am Hangar, der Platz an der Reede und der Square in der Arbeitswelt tragen die Atmosphäre des neuen Stadtteils, der im Westen durch die erhaltenen und ergänzten Waldstrukturen gerahmt wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die „blaugrüne Stadt“ nennen die Verfasser ihren Beitrag und tatsächlich entwickelt sich Wald und See ein zusammenhängender, sehr dichter Siedlungsteppich in dem die Teilquartiere dicht gefügt beieinanderliegen. 4Teilräume bilden sich dabei heraus: die Ostseeterrassen, das Waldquartier, das urbane Quartier und der maritime Gewerbepark. Mittels unterschiedlicher Bautypologien und Körnungen entstehen jeweils eigene Atmosphäre und Identität, die die örtlichen Potentiale und Aufgaben versinnlichen. Freiraum und Landschaft fließen dabei im Vergleich der Arbeiten sparsam in die Siedlungsstruktur ein, vorrangig als präzise definierte Fugen, als baumbestandene Stadtstraßen oder als kleinteilige Plätze und Pocket parks im Siedlungsteppich. Das Urbane Quartier als zentrale Scholle wird verschieden bewertet: Der modulare Siedlungsteppich aus Kleinblöcken und Solitären arbeitet mir versetzten Raumfolgen und kommt dadurch spannend und abwechslungsreich daher. Andererseits wirkt die Struktur auch labyrinthisch und entwickelt im Hinblick auf den Wasserbezug wenig räumliche Tiefe, die Gebäudetypen und -kubaturen sind wenig abwechslungsreich und variabel. Das Repertoire der Freiräume in seiner Körnung und Vielfalt wird allerdings gewürdigt, insbesondere Marktplatz und Fährplatz liegen gut und sind angenehm dimensioniert. Angesichts der geringen Durchlässigkeit des Quartiers konzentriert sich die übergreifende Frequentierung des Freiraums stark auf die umlaufende und durchgängig gleichartig behandelte urbane Promenade. Im Hinblick auf die Belebung der Promenade (und andererseits der Ruhe im Quartier) zeigt das Urbane Quartier hier ein Strukturmerkmal, das eher positiv gesehen wird. Die Ostseeterrassen werden kontrovers diskutiert. Sie bilden eine kraftvolle und klare Kulisse am Ufer. Allerdings beanspruchen sie straßenseitig auch Tabuflächen am Wald und erscheinen Manchem als Eröffnung gegenüber der Bestandssiedlung sehr wuchtig. Trotz der Einfügung in den Hang wirken sie nicht allzu ortsspezifisch und wenig adaptiv. Sehr gut bewertet wird dagegen der Vorschlag zur Nachnutzung der Piers mit den Floating Homes und der experimentellen Arbeit mit Aquaponik und Aquafarming. Zu beachten wäre, dass die vorhandene Buhne nicht langfristig erhalten werden kann. Im Waldquartier wollen die Verfasserinnen von den bestehenden Gehölzen profitieren und Wohngruppen in die Lichtungen setzen. Gerade entlang der Haupterschließungen wird diese Intention angesichts der angebotenen Blockbebauung nicht eingelöst, hier erscheint die bauliche Dichte viel zu hoch, um eine deutliche Differenz zu den anderen Quartieren auszubilden. Die zunehmende Auflockerung der Bebauung im Westen wird gewürdigt, dennoch fällt auch hier der Waldabstand der Neubebauung zu gering aus. Der Maritime Gewerbepark zeigt mit der blockartigen Clusterbildung und dem Square am zur Music Hall umgebautem Hangar stadtgestalterische Ambition und arbeitet dennoch mit brauchbaren Körnungen für die gewerbliche Nutzung. Dies entspricht dem Anspruch der Ausloberin an ein zeitgemäßes Quartier zum Arbeiten in privilegierter Lage. Besonders gewürdigt werden die präzise geschnittenen Fugen in Ost- West-Richtung. Die verbliebenen dominanten Elemente der Feuerungsanlage verschaffen dem Orte auf selbstverständliche Weise seine Identität und bauen den Bezug zum Flugfeld im Westen auf. Das überplante Baufeld auf dem AbZ Grundstück steht nicht zur Verfügung. Das Mobilitätskonzept entspricht den Anforderungen, hier gefallen die sorgfältigen Behandlungen auch der Haupterschließungsstraßen als Alleen und die kleinteilige Verteilung von Mobility Hubs / Parkhäuser als gut handhabbare Stadtbausteine. Die Aussagen zum Klimakonzept stellen den machbaren Stand der Technik dar, eine Neigung zur Aufheizung wird angesichts der kompakten und dichten Stadtstruktur nicht vollständig zu vermeiden sein. Die Arbeit ist insgesamt gut durchgearbeitet und kann eine Vielzahl guter Orte entwickeln. Der Ansatz der 4 kontrastierenden Quartiere funktioniert nicht an allen Stellen, wird aber dennoch als taugliche Strategie gewürdigt. Die Flächenbeanspruchung der Arbeit ist sehr ökonomisch zulasten einer weitergehenden inneren Präsenz der Landschaft. Vielleicht ist es aber genau diese Effektivität inmitten intakter Landschaftsräume, die den spezifischen Beitrag zur Nachhaltigkeit dieser Arbeit ausmacht.