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Einladungswettbewerb | 09/2021

Neues Büroquartier Hitachi Columbus Campus in Mannheim

3. Preis

Preisgeld: 8.000 EUR

Behnisch Architekten

Stadtplanung / Städtebau

Planstatt Senner

Landschaftsarchitektur

Transsolar Energietechnik GmbH

Bauingenieurwesen

knippershelbig GmbH

Tragwerksplanung

Eberl-Pancan Brandschutzplaner

Brandschutzplanung

Béla Berec Architektur-Modellbau-Gestaltung

Modellbau

Erläuterungstext

Vision
An der B38 in Richtung Mannheimer Innenstadt gelegen, entsteht der neue Hauptsitz von Hitachi ABB Power Grids, einem weltweit führenden Technologieunternehmen. Das neue Gebäudeensemble soll die Zukunft der Arbeit symbolisieren. Eine, die den öffentlichen Raum und Büroräume verbindet, die Grenzen zwischen Innen und Außen verwischt, Flexibilität und Diversität ermöglicht, klimaneutral ist und all diese Themen in einer prägnanten urbanen Geste vereint.
Eine Solarüberdachung, die 100% des Stroms für den Campus aus der Sonne erzeugt, steht symbolisch für das Ziel des Columbus-Quartier, ein zukunftsorientiertes Umfeld zu schaffen, bei dem die sozialen und ökologischen Visionen Mannheims im Vordergrund stehen. Die zukünftigen Mieter sind in vier Gebäuden untergebracht, deren Giebelformen an die traditionellen und industriellen Giebeldächer Mannheims erinnern und einen Kontrast bieten zu der sonst so typischen Kistenarchitektur entlang deutscher Schnellstraßen. Die skulpturale Dachlandschaft schafft eine für den Ort einzigartige Topografie, die die technischen, sozialen und ökologischen Ziele des Campus vereint und den Optimismus für die Zukunft Mannheims symbolisiert.

Lageplan
Der Lageplan nutzt die besonderen örtlichen Gegebenheiten Mannheims und betont die Kerngedanken des FRANKLIN-Columbus Masterplans. Das Hitachi-Gebäude ist strategisch entlang der B38 positioniert, und definiert so eine starke Präsenz am Eingang nach Mannheim. Die Anordnung der vier Gebäude ist so gewählt, dass eine diagonale Achse von der nordöstlichen Ecke des Blocks die Käfertaler Waldluft in Richtung Südwesten durch das Grundstück bewegt und dadurch die Arbeitsräume und gemeinschaftlichen Außenräume stets mit frischer Luft versorgt. Alle erforderlichen oberirdischen Parkplätze werden außer-dem im Gebäude 2 entlang der Fürther Straße untergebracht, um eine Auto-freie Grünfläche auf dem Campus zu schaffen.
Die geplante Bebauung auf dem Campus betont die vier städtebaulichen Kanten und öffentlich Nutzungen werden strategisch so platziert, dass sie die großen Grünflächen und urbanen Korridore des Columbus-Masterplans nutzen und beleben. Ein Ausstellungsraum für Hitachi Power Grids befindet sich ebenerdige an der Ecke zur Bundesstraße und dem zentralen Park im Westen des Campus um einen Austausch mit der Öffentlichkeit zu schaffen. Besucher haben hier die Möglichkeit sich über das Unternehmen und die Welt der Technologie, Technik und Nachhaltigkeit zu informieren. Ein Restaurant öffne sich westlich in Richtung des zentralen Parks und zieht die Öffentlichkeit an, die von Vogelstang im Süden über die Fußgängerbrücke das Quartier erschließt. Weitere Angebote wie eine Betriebsbibliothek, Café, Kinderbetreuung und Kinderspielplatz liegen strategisch günstig an prominenten Standorten, um die soziale Infrastruktur für die angrenzenden Bewohner als auch für die Berufstätigen an einem Ort zu vereinen und aufzuwerten. In den Zwischenräumen der vier Baukörpern entstehen vier Gassen - Parkgasse, Columbusgasse, Waldgasse und Boulevard Gasse - welche durch ihre jeweilige Lage und Ausrichtung unterschiedliche und ganz besondere Raumqualitäten schaffen. Beim Betreten des Campus lösen sich die starken städtebaulichen Außenkanten in informellen landschaftliche Gebäudeformen im Inneren auf. Die Geometrien der Gebäude schaffen Grünflächen in unterschiedlichen Maßstäben, die eine Vielzahl von Arbeits- und Freizeitaktivitäten für die Büros sowie die Öffentlichkeit erlauben. Terrassen in den ersten drei Geschossen der Gebäude erweitern die Büroarbeitsflächen in den Außenraum und aktivieren und beleben so den zentralen Innenhof und geben diesem eine urbane Qualität.

Überdachung
Das symbolische Herzstück des Campus - die Solarüberdachung - bildet sich aus einer hybride Struktur aus Holz und Stahl, welche für Standard-Solarmodule (1 m x 2 m) ausgelegt ist. Die Module passen in die Zwischenträger, deren Abstände zueinander genau zwei Meter betragen und in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet sind, um zudem den Sonneneintrag zu maximieren. Mit 5200 m2 bifazialen Solarmodulen ermöglicht der Entwurf eine Versorgung des Campus ausschließlich durch die Nutzung von Solarenergie. Gleichzeitig ist die Solarüberdachung in einer Art und Weise gestaltet, die durch ein besonderes räumliches und sinnliches Erlebnis einen hohen Nutzerkomfort bietet. Die Solarpaneele sind leicht gedreht, um eine optimale Belichtung zu gewährleisten und als Lamellen Schutz vor direktem Sonneneinfall in die Büroräume zu bieten. Die Form der Solarüberdachung greift die Umrisse der darunter-liegenden Gebäude auf und bildet zudem die Überdachung der vier Zugänge zum Campus. Eine Geste, die die Öffentlichkeit in den halb überdachten zentralen Freiraum einlädt, ähnlich einer überdachten Arkade.

Fassade
Die Fassade ist so konzipiert, dass sie Tageslicht und Frischluft in den Innenräumen maximiert und gleichzeitig eine hochwertige Isolierung bietet, um den Energieverbrauch zu senken und den Benutzerkomfort zu erhöhen. Mit zwei Meter breiten Fassaden-Modulen und fünf verschiedenen - auf den Fassaden-Modulen basierenden - Fensterelementen öffne das Fassadendesign ein breites Spektrum an möglichen Bau-weisen wie beispielsweise vorgefertigter Brettsperrholzbauweise, Elementfassaden oder Ständerwänden mit vorgefertigten Fensterelementen. Die Standardmodule mit Fensterelementen verfügen je nach Ausrichtung auch über den entsprechenden externen Sonnenschutz. Je nach Sonnenausrichtung und jeweiliger Lage unter der Solarüberdachung wird die Gesamtfläche der Fenstermodule angepasst, mit großflächigen Fensterelementen ohne Verschattung in den durch die Solarüberdachung geschützten Bereichen. Die Ostfassade entlang der Fürther Straße und Westfassade entlang des öffentliche Parks erhalten Fenster mit vertikalem Sonnenschutz.
Ein weiteres Merkmal der Hitachi-Fassade sind die, aufgrund der prominenten Lage an der Bundesstraße, großflächigen horizontalen Fensterbänder, die Transparenz zum Innenraum schaffen und auf die Öffentlichkeit einladend wirken. Als Lärm- und Luftschutz verfügen diese Fensterelemente über eine vorgehängte Glasfassade mit dahinterliegenden horizontale Lamellen, die die Räume vor der südlichen Sonneneinstrahlung schützen.

Zukunft der Arbeit
Neue Technologien und die COVID-19-Pandemie haben die Wichtigkeit des physischen Raums für Büroarbeitsplätze mehr und mehr in den Hintergrund rücken lassen. Infolgedessen muss der Büroarbeitsplatz zukünftig mehr denn je als ganzheitliche Umgebung und nicht nur als Gebäude oder einer Reihe von Gebäuden wahrgenommen und gedacht werden. Eine solche Umgebung verschmilzt Gebäude mit Landschaft, physischen Ort mit globaler, digitaler Präsenz verwischt die Grenze zwischen Arbeit und Erholung und leistet einen großen Beitrag zur Aufhaltung des Klimawandels. Mitarbeitern, die sich dafür entscheiden im Büro zu arbeiten, soll nicht nur ein Arbeitsplatz außer-halb ihrer Wohnräume zur Verfügung gestellt werden, sondern sollen auch Vorteile, wie Restaurants im Freien, Kinderbetreuung oder eine Vielfalt an verschiedenen Arbeits-bereichen im Innen- und Außenraum angeboten werden.

Da Mannheim eine der wärmsten und sonnigsten Städte Deutschlands ist, hat die Solarüberdachung zwei wichtige Funktionen, um den Arbeitsplatz der Zukunft zu schaffen, der für den Standort einzigartig und symbolisch für die Mission von Hitachi Power Grids ist: Die Überdachung liefert zum einen erneuerbare Energie, die den Campus mit Solarenergie versorgt und fungiert zum anderen auch als große Verschattungsstruktur für die Arbeitsplätze im Innen- und Außenraum. Die Arbeitsbereiche im Freien sind sowohl in den heißen Sommerwochen als auch an regnerischen Tagen Dank der Solarüberdachung ausreichend geschützt. In Zeiten von COVID adressiert diese Geste eine ungewisse Zukunft mit Infektionskrankheiten. Die Überdachung bietet eine Infrastruktur, die Arbeit und Aufenthalt im Außenraum ganzjährig möglich macht. In den Wintermonaten können sich die Mitarbeiter unter dem “Auge” der Überdachung oder in den speziell für die Sonneneinstrahlung in den Wintermonaten konzipierten Terrassen treffen. Im Sommer können auch die Außenterrassen des gastronomischen Angebots als Arbeitsplätze im Freien genutzt werden. Im Herbst können die Gassen, die mit dem zentralen Innen-hof verbunden sind, zudem für gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen für die Nutzer zur Verfügung stehen.
Die Innenräume der Gebäude zeichnen sich durch offene und flexible Grundrisse aus, die so gestaltet sind, dass sie maximalen Zugang zu Tageslicht und Frischluft entlang der Fassaden erhalten. Arbeitsplätze befinden sich innerhalb der autonomen Tageslicht Zonen und bedienbare Fenster ermöglichen es den Nutzern zudem, die Belüftung der Räume zu steuern. Arbeitsplätze für Gruppen von 45-50 Personen sind so definiert, dass visuelle und soziale Verbindungen auch mit anderen Arbeitsgruppen entstehen können. Gemeinschaftsbereiche wie Teeküchen, Ruheräume oder große Begegnungsorte in den Außenräumen bieten Möglichkeiten für interdisziplinäre oder auch zwischenbetriebliche Begegnungen und Austausch.
Jedes Gebäude verfügt über ein zentrales Atrium, das den sozialen Mittelpunkt des jeweiligen Gebäudes bildet. Das Atrium schafft durchgroßzügige Innenraumbegrünung und Sichtverbindungen zu den außenliegenden Gärten auch in den Wintermonaten eine Verbindung zum öffentliche Außenraum. Außenterrassen auf mehreren Geschossebenen bieten ein zusätzliches Angebot des Arbeitens im Freien oder Veranstaltungsorte für Videokonferenzen, Präsentationen, Lunch Meetings oder auch einfach Orte zum Pause machen und Entspannen. Das Staffelgeschoss jedes Gebäudes befindet sich unter dem Satteldach und beherbergt das symbolische „Wohnzimmer“ für jedes Unternehmen, welches ein intimes, loftartiges Gefühl verleiht. Im Hitachi-Gebäude öffne sich das Staffelgeschoss in einen Dachgarten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Kernqualität der Arbeit ist die Schaffung eines geschickt gefassten, räumlich interessanten inneren Freibereichs. Durch 4 richtig platzierte, breite Verbindungsräume gelingt eine glaubhafte Vernetzung mit allen 4 angrenzenden Straßen- und Landschaftsräumen. Kontrovers diskutiert wird, ob es sich bei diesem inneren Freibereich um einen Innenhof einer Blockstruktur handelt, gar um das Innere eines Großgebäudes oder um einen auch nach außen hin und zu allen Tageszeiten einladenden Campus in Form einer verbindenden Freifläche differenzierter Bebauungen. Insbesondere die Nutzbarkeit des Freibereichs nach Büroschluss wird kritisch gesehen. Städtebaulich und in Bezug auf die großmaßstäbliche Nachbarschaft positiv gesehen wird, dass die Verfasser:innen eine gestalterisch kohärente Großstruktur vorschlagen. Gleichzeitig lässt sich diese kaum in Einzelteilen oder in zeitlicher Abfolge realisieren. Ebenso wird kontrovers diskutiert, dass sich der Gebäudeteil von Hitachi in der Großstruktur nicht hervorheben kann, er wird Teil des Ganzen. Die Qualität der Gebäudekubatur findet sich nicht in der äußeren Fassade wieder. Die alles über-spannende PV-Pergola schafft große verschattete Bereiche und räumliche Unruhe. Positiv wird die Gestaltung der Fassaden zum inneren Freibereich gesehen: Die Gestaltung ist belebt, vielfältig und mit viel Anteil hölzerner Fassadenelemente, dies wird positiv zur Erzielung einer fast wohnlichen Atmosphäre gesehen. Es wird kontrovers diskutiert, ob dieses atmosphärische Angebot für die Aufgabe passend ist und vor allem nachts angenommen werden wird. Überzeugend ist, dass durch landschaftliche Betrachtung des Innenhofes das architektonische Konzept im Innen- und Außenbezug kraftvoll gestärkt wird. Durch dezente Modellierung und kleine Brüche werden trotz Tiefgarage funktionierende Pflanzinseln und überzeugende Räume zur individuellen und gemeinschaftlichen Bespielung geschaffen. Der südöstliche Eingang ist im EG nur durch Räume für Fahrrad- und KFZ-Abstellen flankiert, dies wird kritisch gesehen. Am inneren Freibereich sind alle Gebäudezugänge angeordnet, hier kann zumindest untertags glaub-haft ein belebter Innenbereich entstehen. Alle Eingänge in die 4 Gebäude münden in attraktive und richtig angeordnete gebäudezentrale Atrien. Um diese Atrien mit großzügigen Treppenanlagen sind auf der Etage zu gemeinschaftlichen Nutzungen aufgeweitete Erschließungsbereiche angeordnet, hinter denen die ruhigen Büroarbeitsplätze folgen: Hier ist ein vielversprechender Ansatz zur Erzielung Neuen Arbeitens gelungen, der gleichzeitig Kommunikations- wie auch Konzentrationsräume schafft. Vom inneren Freibereich treppen sich die Gebäude nach oben hin zurück und schaffen hier Offenheit und zusätzliche attraktive Freibereiche auf der Etage. Das Nutzungsprogramm Hitachi wird stark übererfüllt. Grundsätzlich ist die Grundstücksausnutzung zu hoch. Der 1. BA ist zu groß, um ihn anzupassen müsste allerdings die Zufahrt zur TG anders gelöst werden. In qualitativer Hinsicht erfüllt der Entwurf die Anforderungen der Ankermieterin nach innovativen Arbeitswelten vielversprechend. Die Gebäude haben ein günstiges A/V-Verhältnis und einen angemessen geringen Fensteranteil. Das Verhältnis BGF zu NUF stellt sich sehr günstig dar. Die Chancen nachhaltigen Betriebs werden dadurch als günstig eingeschätzt. Neben einem zukunftsweisenden und innovativen Energiekonzept sind auch die Begrünungsansätze sowie die gute Durchlüftung der Anlage positiv anzumerken. Zu kritisieren ist, dass die Holzelemente der Fassade baulich schlecht geschützt sind. Trotz Modellierung des Hofes können durch die Anordnung einer flächigen Tiefgarage keine Großbäume gesetzt werden. Das hohe Defizit an Stellplätzen für KFZ ist nicht tragbar. Die Zufahrt der Tiefgarage ist gut gelöst. Die Anordnung der oberirdischen Stellplätze in einem Gebäudesockel wird kritisch gesehen, da sie die Beziehung zur Fürther Straße, dem Hauptzugang zum gesamten Stadtteil, verstellt.

Das Tiefgaragenraster von 8,1 m passt zu dem Raster in den Obergeschossen. Durch die orthogonale Anordnung des Stützenrasters ergeben sich in der Nordfassade Abweichungen vom Stützenraster zum Fassadenraster, wenn dieses um das Gebäude immer eine gleichbleibende Breite von 1,35 m hat. Die Abstützung um den Treppenraum ist noch nicht vollständig. Die Konstruktion des „Fliegenden Daches“ wurde zu optimistisch dargestellt. Die Profile werden bei 30 m Spannweite deutlich größer werden. Die Aussteifung des Gebäudes ist ausreichend über die Kerne gegeben. Der Entwurf zum 1. BA ist insbesondere auf Grund des offenen Atriums, welches wesentlicher Be-standteil der Rettungswegführung ist und vor dem Hintergrund der gewählten Brandabschnittsflächen brandschutztechnisch nur mit anlagentechnischen Maßnahmen (autom. Feuerlöschanlage, maschinelle Entrauchung im Atrium – Parametrierung über eine CFD-Simulation) genehmigungsfähig, da bauliche Lösungen aus wirtschaftlichen und gestalterischen Gründen ausscheiden. Die dargestellten notwendigen Treppenräume werden im EG konsequent ins Freie geführt, wobei sich teilweise sehr lange Treppenraumerweiterungen ergeben. Trotz Sprinklerung ist für den 1. BA eine flächendeckende Brandmeldeanlage mit automatischen Brandmeldern (Kenngröße Rauch) erforderlich, um die Alarmierung der anwesenden Personen sicherzustellen und die Maßnahmen zur Rauchableitung rechtzeitig aktivieren zu können. Insgesamt gelingt der Arbeit ein beeindruckendes städtebauliches und gestalterisches Statement so-wie die Ausformulierung interessanter und innovativer gemeinschaftlichkeitsorientierter Außen- und Innenräume. Die Arbeit gab Anlass zu kontroversen Diskussionen, ob die angebotenen Qualitäten passend sind für den Ort und die Nutzung und ob sie die notwendige Flexibilität und Realisierbarkeit in zeitlich versetzten Schritten erlaubt.