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Award / Auszeichnung | 09/2021

Hannes-Meyer-Preis 2021 – Architekturpreis des BDA Sachsen-Anhalt

Besucherzentrum Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe

DE-39638 Gardelegen, An der Gedenkstätte 1

Lobende Erwähnung

BHBVT Gesellschaft von Architekten mbH Berlin: Haberer Vennes Jaeger

Architektur

Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt

Bauherren

ifb frohloff staffa kühl ecker

Bauingenieurwesen, Tragwerksplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Denkmäler, Gedenkstätten

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 10/2019

Projektbeschreibung

Leitidee
Das Besucher- und Dokumentationszentrum besetzt in seiner linearen Form den südlichen Rand der Gedenkstätte entlang des historischen Weges, den die Opfer beschritten haben. Hierdurch wird nach außen hin ein sichtbares Zeichen gesetzt bei gleichzeitig minimalen Eingriffen in die vorhandene Gesamtanlage. Das Gebäude führt die vorhandene Hecke optisch fort und fügt sich so selbstverständlich in die Umgebung ein. Die Gedenkstätte erfährt mit dem Besucherzentrum zur Landschaft hin einen räumlichen Abschluss und bildet mit der neu geschaffenen Eingangssituation den Auftakt der gesamten Anlage.

Architektur
Das Gebäude bringt mit seiner reduzierten Formensprache die Außergewöhnlichkeit der Bauaufgabe zum Ausdruck und nimmt sich respektvoll gegenüber dem Ort zurück. Der monolithische Baukörper aus Sichtbeton ist nach außen hin nur durch den eingeschnittenen Eingangsbereich, eine Fensteröffnung sowie einen auf die Stadt Gardelegen bezogenen Erker gegliedert. Das Gebäude vermittelt durch seine Gestaltung direkt, dass es sich nicht um eine profane Bauaufgabe oder eine Nebenanlage innerhalb der Gedenkstätte handeln kann. Das Bauvolumen erscheint in seiner Wahrnehmung durch den Besucher wesentlich kleiner als das Bauprogramm vermuten ließe. Erreicht wird dies, indem das Gebäude in Blickrichtung des ankommenden Besuchers konisch zuläuft und so in seiner perspektivischen Wirkung verschlankt wird. Beim Betreten des Neubaus gelangt man zunächst in einen Auftaktraum mit Garderoben und einer Sitzgelegenheit. Von hier wird der Blick über ein 13m breites Panoramafenster auf die Gedenkstätte gelenkt. Dem Besucher bietet sich auf diese Weise eine erste Orientierungsmöglichkeit zum Verständnis der gesamten Anlage. Von hier aus betritt man einen ca. 40m langen Wandelgang, von dem sämtliche Funktionsbereiche erschlossen werden. Der Bürobereich bildet mit einem vorgelagerten Tresen den Empfang. Durch die transparent aufgelöste Trennwand wird das angrenzende Wäldchen mit seiner Lichtung auch vom Inneren erlebbar. Den Abschluss dieses Weges bildet die Dauerausstellung mit dem großformatigen Erker, der den Blick auf die Stadt Gardelegen als Ausgangspunkt der Geschehnisse richtet.

Konstruktion und Materialien
Das Bauwerk ist in monolithischer Bauweise aus 71 cm starken Wänden in Leichtbeton mit Blähtonzuschlägen errichtet. Dies ermöglicht eine minimalistische Architektursprache unter Verzicht der sonst üblichen baukonstruktiven Details. Die äußere Oberfläche ist in sägerauer Brettschalungsoptik ausgeführt um eine einheitliche Wirkung ohne sichtbare Schalungsfugen zu erzielen. Die inneren Wände sind glatt geschalt zur Aufnahme der Ausstellungsgestaltung. Das Gebäude soll eine die Zeit überdauernde kraftvolle Anmutung entwickeln und mit dem Alterungsprozess eine natürliche Patina entwickeln. Dem gegenüber sind die Innenausbauten in dunkel lasierter Eiche gestaltet, um hier gegenüber dem Besucher eine haptische angenehme Anmutung im Kontrast zum Sichtbeton zu erreichen. Der Boden ist im Sinne der einheitlichen Raumwirkung als geschliffener veredelter Estrich ausgeführt.

Nachhaltigkeit
Die schwere, monolithische Bauweise ermöglicht aufgrund ihrer Speichermasse ein ausgeglichenes Raumklima. Die Beheizung erfolgt über ein Flächenheizsystem mittels Geothermie, so dass das damit verbundene, niedrige Temperaturniveau ideal genutzt werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Besucherzentrum zeichnet in seiner lang gestreckten Form am südlichen Rand der Freiluftgedenkstätte die historische Spur der über 1000 ermordeten Häftlinge nach. Seit 1944 wurden systematisch die Konzentrationslager vor dem Eintreffen der Alliierten geräumt und die Häftlinge auf Todesmärsche getrieben. Isenschnibbe steht exemplarisch für diese Gräueltaten.
Im Bewußtsein des historischen Erbes hält sich das Besucherzentrum in seiner reduzierten Formensprache respektvoll zurück und ordnet sich dem Ort unter. Der zurückhaltende Ausdruck und die einfache Erschließung bietet eine gute Orientierung und verknüpft über die vielfältigen Sichtbezüge in die umliegende Freiluftgedenkstätte das Innen und das Außen.
Die monolithische Bauweise der Wände aus 71cm starken Leichtbeton mit Blähtonzuschlägen zeigt eine dem Ort angemessen schöne Haptik. Die Innenräume sind gut proportioniert und entfalten in der klaren Detailisierung eine kraftvolle und respektvolle Architektursprache.
In ihrer Schlichtheit bieten sie Raum und Zeit für eine gedankliche Reflexion auf das historische Erbe. Die Jury würdigt die Ausdruckskraft der Gedenkstätte als Grundlage für den Ort des „nicht Vergessens“.