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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2021

Schlossplatz Detmold – Aufwertung öffentlicher Raum in der denkmalgeschützten Parkanlage

Anerkennung

Preisgeld: 3.750 EUR

GREENBOX Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

SCHLOSSPLATZ DETMOLD

„Eine Spaziergang durch die Geschichte“
In unserem Entwurf überlagern und transformieren wir die historischen Schichten des Schlossplatzes in eine neue zeitgenössische Ebene. Es entsteht eine atmosphärische Collage mit vielfältig nutzbaren Freiraumtypologien, die in der Geschichte des Ortes verankert sind.

Der Schlossplatz hat im Lauf der Geschichte zahlreiche Umgestaltungen, Umnutzungen und Transformationen erlebt. Unterschiedlichste weltanschauliche oder politische Einflüsse haben den im Herzen Detmolds gelegenen Platzraum für sich interpretiert und überformt. Historische Spuren wurden verdeckt oder blieben in anderer Funktion und Ausprägung erhalten. Wird der Schlossplatz mittels historischer Karten untersucht, zeichnen sich die Spuren der einzelnen Epochen mit ihren unterschiedlichen räumlichen Qualitäten ab. Der Fundus, der aus dieser Analyse entsteht, dient als Grundlage für konkrete Gestaltungentscheidungen und lässt die spannende Geschichte des Schlossplatzes räumlich erlebbar werden. Die ehemalige Meierei als Treffpunkt und Versorgungsstätte des Hofes, die schattige Esplanade samt Schlossplatz vor der heutigen Stadthalle, die großzügigen Rasenflächen vor dem Schloss, spannungsvolle Akzente wie der freistehende Springbrunnen samt Schmuckpflanzung und die Elemente des englischen Landschaftsgartens insbesondere das malerische Raumbild des Arboretums.
Diese historischen Schichten werden in unserem Entwurf überlagert und zu einer neuen zeitgenössischen Ebene transformiert. In der Überlagerung entsteht eine spannungsvolle Auseinandersetzung mit der Geschichte und der jeweiligen räumlich atmosphärischen Ausprägung. In diesem Sinne interpretieren wir den Ort wie ein historisches Schriftstück, das in der Kulturgeschichte auch als Palimpsest bezeichnet wird: Ein bereits beschriebenes Manuskript, das durch Schaben oder Waschen gereinigt und danach erneut beschrieben wird, ohne die alte Glyphe vollständig zu entfernen. Aus den unterschiedlichen zeithistorischen Schichten werden Inhalte ermittelt, sichtbar gemacht, übertragen und umgewandelt.
In seiner Ausprägung bleibt der Schlossplatz weiterhin ein Ort der Ruhe und Kontemplation. Die ruhige und schlichte Gestaltung inszeniert eine Bühne für die beeindruckenden Architekturen des Weserbarocks. Durch großzügige Grünflächen und Bepflanzungen entfallen die undefinierten Flächen des Bestands und der unaufgeräumte Hinterhof-Charakter wandelt sich zum Garten der Stadt. Ein klares Grundgerüst mit unterschiedlichen räumlichen Qualitäten schafft neue Lieblingsorte, die im Alltag zum Verweilen einladen.

Ein Platz unter Bäumen
In Anlehnung an die ehemalige Esplanade entsteht eine schattige und multifunktionale Platzfläche, die durch die hochstämmigen Bäume über ein Blätterdach mit spannendem Schattenwurf verfügt. Durch das Aufasten der Bäume, sowie das verspringende und lockere Raster der Baumsetzung, definieren sich Flächen, die temporär bespielt werden können. Platzintarsien bilden sich durch die ruhige wassergebundene Wegedecke, auf der durch punktuelle Setzungen von großzügigen Möbeln und Beleuchtung, Akzente gesetzt werden. Die Stadthalle bekommt so einen Vorplatz, der Veranstaltungen aller Art ausrichten kann, zum Verweilen und Spielen einlädt und durch die neuen Baumsetzungen einen positiven Beitrag für das Mikroklima erwirkt. Im Bereich der Esplanade und den angrenzenden Pflasterflächen, entsteht eine potenzielle Fläche zum Anlegen von Rigolen zur Wasserspeicherung und Bewirtschaftung der neuen Pflanzungen.
Mitten im Landschaftsgarten
Unmittelbar angrenzend liegt als Kontrast zur Esplanade die malerische Szenerie des Arboretums. Die vielen exotischen und imposanten Bäume werden erhalten und laden zum Verweilen und Ausruhen im Halbschatten ein. Gesäumt werden die Bäume durch Blühwiesen, die für Veranstaltungen zurückgeschnitten werden und somit flexibel bespielbar sind. So können beispielsweise für „Lippe-Kulinarisch“, Garnituren und Festzelte auf den Flächen aufgestellt werden, um ein Miteinander zu ermöglichen.

Neue Treffpunkte
Zur Fußgängerzone gelegen, an dem Außenbereich des Café-Extrablatt, entsteht ein neuer Treffpunkt für Jung und Alt. Die Boule-Fläche mit offenem Platz-Charakter ist großzügig gestaltet und lädt unter Freunden, Kollegen und Familien zum Freizeitauftakt ein. Weiter westlich gelegen liegt der neue Platz am Muschelbrunnen, ein idyllischer Raum mitten im Grünen. Mit dem neuen Sitzelement und dem Bestandbrunnen ergibt sich ein weiterer spannender Ort für den Schlossplatz.

Schloss in Szene
Der Bereich vor dem Schloss bleibt wie auch im Bestand weitestgehend Baum frei, um die zahlreichen Blickbeziehungen nicht zu verstellen. Die beiden großzügigen Schlosswiesen bilden die Bühne für das imposante Schloss und inszenieren das wertvolle Bauwerk. Im Alltag sind sie Liege- und Spielwiese für AnwohnerInnen und BesucherInnen. Für die zahlreichen Veranstaltungen werden sie als Festwiesen definiert und bilden Platz für Bühnen oder für eine freie Bestuhlung.

Zonierung, Material und Naturschutz
Der Entwurf bietet eine Vielzahl verschiedener räumlicher Atmosphären, die im Alltag auf unterschiedliche Weise angeeignet werden können. Die Umfahrung verläuft als Haupterschließung entlang der Fassaden und ermöglicht durch den richtungslosen Pflasterbelag sowie die Breite von fünf Metern ein Befahren durch PKW, Feuerwehr und Anlieferung. Sie bildet den Rahmen für die innere fußläufige Erschließung samt den großzügigen Grünflächen, sowie der wassergebundenen Wegedecke der Esplanade. Die befestigten Flächen reduzieren sich auf ein sinnvolles Mindestmaß und werden den Anforderungen durch regelmäßige oder temporäre Belastungen gerecht.
Es erfolgt eine behutsame Auseinandersetzung mit dem Baumbestand. Es werden lediglich die Bäume gefällt, die bereits Schäden aufweisen und die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleisten könnten. Für jeden Baum, der entfernt wurde, sieht der Entwurf mindestens drei weitere Neupflanzungen als Ersatz vor. Des Weiteren wurden die Baumstandorte im Voraus auf ihre jeweilige Bedeutung im historischen Kontext überprüft, um keine Sichtbeziehungen zu verstellen. Für die Neupflanzungen im Bereich der Esplanade werden klimaresiliente Arten (Gleditsia triacanthos) verwendet.
Die bestehenden Denkmäler erfahren einen respektvollen Umgang in der Gestaltung. Sie werden in ihrer Wirkung unterstützt und zugänglicher gemacht. Darüber hinaus fügen sie sich in das neue Wegesystem ein und bleiben an ihren ursprünglichen Standorten erhalten. Der Springbrunnen in Anlehnung an die Form der „Lippischen Rose“ wird wieder als Highlight auf den Schlosswiesen erlebbar gemacht und freigestellt.
Materialien und Ausstattungselemente werden d als ruhige und zurückhaltende Elemente eingesetzt. Neben den großzügigen Grünflächen wird ein in Grautönen changierendes, kleinteiliges und richtungsloses Pflaster verwendet, das von einer hochwertigen Natursteinbordüre gerahmt wird. Für die Platzflächen der Esplanade wird eine ruhige und homogene Fläche aus wassergebundener Wegedecke verbaut. Einbauten wie Beleuchtung, Fahrradbügel oder Abfallbehälter werden im einheitlichen Farbton „Eisenglimmer“ gesetzt. Besondere Ausstattungselement sind die punktuell gesetzten „Zeitfenster“, die den grafischen Bezug zur jeweils vor Ort räumlich prägenden Zeitschicht aufzeigen. Alle Wege sind verkehrssicher beleuchtet und auch bei Nacht problemlos passierbar. Eine dezente Lichtinszenierung der Fassade hebt das Schloss und die rahmende Bebauung des Schlossplatzes ästhetisch hervor und lässt sie erstrahlen. Es wurde darauf geachtet, mit wenigen Blickpunkten eine große Wirkung zu erzielen, um eine unnötige Lichtverschmutzung zu verhindern.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen entwickeln mit Ihrem Beitrag einen Raum, der die historischen Prämissen neu und zeitgenössisch interpretiert. Es entsteht ein Ort mit differenzierten Aufenthaltsqualitäten. Dabei übersetzen sie die bisherigen Elemente Wiesen und Plätze in eine moderne Formensprache und entwickeln vor Stadthalle und Marstall eine neue Esplanade in Anlehnung an das historische Original. Sie reichern den Raum mit zusätzlichen Nutzungen an und zonieren ihn insgesamt schlüssig. Die räumliche Körnung der einzelnen Elemente und die Proportionen wirken stimmig und ergeben großzügige und gut nutzbare Aufenthaltsbereiche mit verschiedenen subtilen Erlebnisangeboten (intensiv/extensiv // Licht & Schatten).
Insbesondere die lichte und leichte Esplanade wird positiv gesehen. Diese steht kontrastreich einem malerischen Arboretum gegenüber. Leider trägt der poetische Ansatz der Kontraste an dieser Stelle räumlich nicht wirklich. Wichtige Blick- und Wegebeziehungen zwischen Rosental und Dykasterialgebäude werden zugunsten der Entwurfsidee aufgegeben. Das ist, auch mit Blick auf die Nutzbarkeit, nicht nachvollziehbar. Das Arboretum scheint für intensiv bespielte Märkte nicht wirklich geeignet. Fraglich ist, warum die Esplanade für intensive Marktnutzungen nicht stärker bespielt werden kann. Positiv wird die Anordnung der Boulebahn in unmittelbarer Nähe der Cafés gesehen. Dagegen ist die Anordnung der Parkplätze und die Trennung von fahr- und fußläufigem Verkehr im südöstlichen Bereich nicht nachvollziehbar und wertet diesen Teil des Schlossplatzes eher ab.
Die Denkmäler erfahren einen respektvollen Umgang. Die Wiesenflächen sind weitgehend freigehalten von Bäumen und Ausstattung und können zur Wasserrückhaltung genutzt werden. Vertiefende Aussagen lassen die Verfasser an dieser Stelle leider vermissen. Material und Ausstattung sind dem Ort angemessen. Kosten und Pflegeaufwand liegen im Rahmen.
Insgesamt leistet die Arbeit einen inhaltlich wertvollen Beitrag, der jedoch die formulierten Ansprüche nicht immer an der richtigen Stelle verortet.