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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Umgestaltung Theaterplatz in Aachen

1. Preis

Preisgeld: 63.000 EUR

club L94

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Obermeyer Infrastruktur GmbH & Co. KG

Bauingenieurwesen, Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Die Entwicklung des Aachener Stadtraums und seiner städtebaulichen Strukturen wurde durch vielfältige Einflüsse geprägt und ist bis heute im Wandel. Ausgehend von der ursprünglichen Besiedlung im Bereich der Burtscheider Thermalquellen durch die Kelten und Römer, wurde Aachen zur römischen Zeit als Heilbad für das Militär ausgebaut. Basierend auf einem an wichtigen Überlandverbindungen ausgerichteten Achsenkreuz entstanden die rasterartigen Strukturen eines römischen Stadtgrundrisses. In der karolingischen Zeit erfuhr Aachen mit dem Bau der Kaiserpfalz eine besondere Bedeutung und wurde machtpolitisches Zentrum des fränkischen Reiches. Im Mittelalter entstanden die beiden ringförmigen Festungsmauern, die den Aachener Stadtgrundriss bis heute prägen und seine Erschließungsstruktur bestimmen. Bis heute sind Überreste dieser Stadtmauern zu finden, so auch im Bereich des Betrachtungsraums am Theaterplatz, der unmittelbar an die historische Barbarossamauer angrenzt. Um das Jahr 1801 wurde der Kapuzinergraben zum Kapuzinerboulevard, der als begrünter Flanierbereich gestaltet wurde. Im Zeitraum von 1822-25 wurde auf dem Gelände des ehemaligen Kapuzinerklosters das Theater Aachen auf Grundlage der Planung von J.P. Cremer und K.F. Schinkel geplant. Ursprünglich als baumbestandenes Rondell gestaltet, wird die Mitte des historischen Theaterplatzes ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts von einer Denkmalanlage geprägt, die Kaiser Wilhelm I. zu Pferde zeigt. Im Zuge des Neubaus kam es ab dem Jahr 1826 auch zur Planung der Theaterstraße, die als Sichtachse und repräsentativer Flanierraum die Verbindung mit dem Burtscheider Kurbezirk im Osten herstellen sollte und als erste Straße den mittelalterlichen Stadtgrundriss durchbrach. Die Planung sah eine Gliederung des Straßenraums in drei Abschnitte vor, die auch heute noch ablesbar ist.
Der Theaterplatz bildet heute einen der zentralen Freiräume in der Freiraumstruktur der Aachener Innenstadt und ist der wichtigste Trittstein zwischen Hauptbahnhof, Elisengarten und Dom.

KONZEPT
Grundlage für eine Neugestaltung des Theaterplatzes und eine deutliche Erhöhung der Aufenthaltsqualität, bildet die Entscheidung der Stadt Aachen den Platzraum vom Individualverkehr zu befreien.

Gestaltungskonzept
Der Theaterplatz wird zu einer eleganten, belebten, urbanen Adresse - zu einer Bühne für das Zusammenleben in der Stadt.
Das neue Stadtparkett, das durch die große offene Platzfläche mit neuem Bodenbelag abgebildet wird, dient hierbei als Schauplatz für das bunte Treiben der Stadt. Das Gestaltungskonzept des Platzes nimmt das grundsätzliche Thema des Theaters von Drama und Komödie (Thalia und Melpomene) aus der Fassade des Theaters auf. Die spannenden Kontraste findet man zum einen im materiellen Dialog zwischen dem hellen Theater (Komödie) und dem dunklen Brunnen (Drama) wieder. Des Weiteren programmieren die Menschen den Planungsraum im Sinne einer Bühne des städtischen Lebens: Alle Nutzungen stehen, im Sinne des Dramas und der Komödie, unter dem Motto des Dialogs zwischen verschiedenen Akteuren der Aachener Stadtgesellschaft. Wir zeigen hierbei, dass jeder die Hauptrolle in seinem Stück spielt, lassen aber auch viele Rollen aufeinandertreffen und sich so gegenseitig beeinflussen. Die Dialoge können hier im unterschiedlichsten Sinne stattfinden, entwickeln vielfältige Qualitäten und tragen so dazu bei die Stadtgesellschaft zu stärken. Es können sich klassische Dialoge zwischen Freunden und Familie beim Essen an einer Tafel unter den Bäumen entwickeln, kurze Dialoge bei flüchtigen Treffen, physischer Dialog zwischen Zuschauern und Aufführenden bei Veranstaltungen, Austausch durch Spiel von Erwachsenen und Kindern, u. v. m…

Freiraumkonzept
Der Theaterplatz und die Theaterstraße werden über neue, flankierende Baumpflanzungen künftig stärker in das Freiraumnetz der Stadt Aachen integriert. Die Theaterstraße und der Theaterplatz werden dadurch wieder zur Flaniermeile und verbinden die Premiumfußwege 3 und 4 vom Hauptbahnhof über den Kapuzinergraben mit dem Elisengarten und dem Domplatz. Der Theaterplatz wird so wieder wichtiger Bestandteil der innerstädtischen Platzabfolge.

ENTWURF
Stadtbühne
Der Bodenbelag des Platzes verwandelt den Theaterplatz in eine Bühne für das Zusammenleben in der Stadt: Der gesamte Platz erhält einen hellen, graubeigen Granitplattenbelag, dessen lineare Verlegung in Bändern an einen Parkettboden einer Theaterbühne erinnert. Die Platzränder und die Busspur erhalten hierbei ein kleinteiligeres Plattenformat in starrer Betonbauweise. Alternativ könnte in der Busspur auch mit Ortbetonflächen und im Platzbereich mit Betonplatten gearbeitet werden. Die Platzmitte wird zu einer Stadtbühne aus größeren Plattenformaten, um die Eleganz der Adresse zu verstärken. Durch den hellen Belag wird dem Albedo-Effekt gegen die zunehmende Erhitzung der Stadt im Sommer Rechnung getragen. Die vermeintliche Rückseite des Theaters wird als zweite Vorderseite entwickelt und als Probebühne für die Hochschule für Musik und Tanz genutzt.

Theaterbrunnen
In Anlehnung an die Stadtgründung der Stadt Aachen als Heilbad wird ein neuer Brunnen zum zentralen Gestaltungselement des Theaterplatzes. Die Form und Lage des neuen Brunnens orientiert sich dabei an dem ursprünglichen Bild des Baumrondells bzw. der runden Denkmalanlage. Der Wasserspiegel setzt somit die lange Tradition der Stadt Aachen als Heilbad fort und reiht sich in eine Perlenkette der Brunnen von Theaterplatz und Kapuzinergraben über den Emilienbrunnen bis zum Domplatz ein. Der Wasserspiegel erhält eine eigene Choreographie in Anlehnung an die unterschiedlichen Theateraufführungen: Meistens spiegelt das ruhige Wasser die malerische Fassade des Theaters, den Himmel und die Wolken (der Vorhang ist geschlossen)…dann entsteht ein mystischer Nebel (die Spannung steigt)…Fontänen beginnen zu sprudeln (der Vorhang öffnet sich)…die Vorstellung beginnt…mal laut (hohe, viele Fontänen)…mal leise (wenige, niedrige Fontänen)…
Der Wasserspiegel steht in Sinne des Konzeptes aus Drama und Komödie im Kontrast zur hellen Bühne und zum hellen Theater. Er kann aus einem dunklen, fast schwarzen Beton- oder Naturstein hergestellt werden. Ein Rahmen aus verschleifenden Stufen ermöglicht das Sitzen am Wasser mit Blick auf das Theater. Im Sommer wird der Wasserspiegel zu einer großen Attraktion für Kinder und damit zu einem Wasserspielplatz. Die Fläche des Wasserspiegels kann multifunktional für Barfuß-Konzerte, OpenAir Kino, Puplic Viewing, usw. genutzt werden. Der geforderte Löschwassertank wird unterirdisch mit der Pumpenkammer des Brunnens kombiniert.

Theatergärten
Die Raumkanten des Theaterplatzes sind derzeit in ihrem Fassadenbild heterogen. Baumreihen auf der Nordseite und der Südseite filtern die Fassaden und erzeugen künftig einen grünen Platzraum. Klimabäume wie z. B. Sophora oder Gleditschie bilden mit ihrem charakteristischen, leichten Habitus schattige Aufenthaltsorte und eine angenehme Aufenthaltsqualität vor der Erdgeschosszone. Die Baumreihen werden in einem codeartigen Band aus grünen Baumscheiben, Ausstattungselementen wie Bänken, Fahrradständern und Bushaltestellen sowie Minigärten, Aktionsflächen für Kunst, ggf. Tischtennis und Schach, lange Tafeln für die Außengastronomie und Behindertenstellplätzen (4 Stk.) ergänzt. Die kleinen Stadtgärten bieten vielfältige Nutzungen für die Bürger*Innen und erzeugen ein angenehmes Mikroklima.

Paubach
Der Paubach wird als Bestandteil der Blauen Infrastruktur in das Stadtbild und in die Perlenkette der Brunnen intergriert. Bezugnehmend auf den ursprünglichen Umgang mit Wasser in der Stadt Aachen wird der Paubach an der Südseite des Kapuzinergraben als Gerinne in einer kastenförmigen Rinne wieder sichtbar gemacht und die sinnliche Qualiät des Wassers ans Licht geholt. In Anlehnung an die historischen Bachgerinne werden folgende Maße vorgesehen: B=50cm, T=12cm, Wassertiefe ca. 5cm. Punktuelle Überdeckelungen über den Paubach ermöglichen Querungen des Gewässers für Fußgänger.

Lichtkonzept
Neben den Baumreihen bilden Lichtstelen zwischen den Bäumen einen funktional gut ausgeleuchteten Rahmen um den Theaterplatz. Auf den beiden Vorplätzen des Theaters sorgen Solitärleuchten für eine intensivere Ausleuchtung und betonen die Adresse des Theaters. Für eine besondere Atmosphäre in den Abendstunden sorgen hingegen die Illumination der Theaterfassade und eine Lichtinszenierung des Wassersspiegels mit seinen Wasserspielen. Die Probebühne für die Hochschule für Musik und Tanz wird mit Bodenleuchten inszeniert.

Kunst
„Der fröhliche Hengst“ bildet weiterhin eine dreidimensionale Dominante und bleibt somit weit sichtbares Wahrzeichen des Theaterplatzes in der Pferdestadt Aachen.

FUNKTIONALES
ÖPNV
Für den Busverkehr wird eine beidseitig des Theaters verlaufende Verkehrsführung vorgesehen. Sie erzeugt weniger Verkehrsfläche durch eine Bündelung der verschiedenen Verkehrsarten (ÖPNV, Anlieferung, Radverkehr) auf jeweils eine Fahrspur. Wendefahrten bleiben weiterhin möglich. Ein weiterer Vorteil ist die gleiche und somit geringere Verkehrsbelastung beider Theaterseiten. Der Bereich wird verkehrsrechtlich als Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich mit Tempo 20 Km/h ausgewiesen. Die Möglichkeit einer Straßenbahn über den Kapuzienergraben bleibt erhalten

Fahrräder
Durch den Entfall des MIVs und des geringen Geschwindigkeitsniveaus erhöhen sich die Qualitäten für Fahrradfahrer und Fußgänger. Die Fahrradfahrer teilen sich zukünftig ihre Fahrbahn im Wesentlichen lediglich mit den Linienbussen der ASEAG. Fahrradabstellmöglichkeiten (176 Stk.) werden sowohl in den Bändern der Theatergärten als auch zwischen den Bäumen am Kapuzinergraben platziert.

Taxen und Anlieferung
Stellplätze für 6 Taxen werden in einer Haltebucht gegenüber dem Theater platziert, die sicher durch die vorgesehenen Fußgängerschutzanlagen (Fußgängerampeln) erreicht werden können und damit auch für Fußgänger die sichere Querung gewährleisten. Die Anlieferung der anliegenden Läden und Gastronomiebetriebe erfolgt über die vorgesehene Busspur. Am Theaterplatz können die Lieferfahrzeuge neben dem Theater an der Platzfläche. Für den Kapuzinergraben ist ein Halten im Straßenbereich vorgesehen. Die Flächen für die Anlieferung des Theaters werden von Einbauten freigehalten: Insgesamt betrachtet wird der Ansatz verfolgt multifunktionale Verkehrsflächen mit einem geringen Geschwindigkeitsniveau zu entwickeln

Entwässerungskonzept
Die neuen Baumpflanzungen an den Platzrändern werden Teil des Entwässerungskonzeptes. Die Regenrückhaltung erfolgt ausschließlich unterirdisch. Alle anfallenden Regenwassermengen entwässern direkt über die Baumscheiben, die Vegetationsflächen oder über Rinnen in unterirdische Baumrigolen geleitet und von dort versickert oder verzögert an die Kanalisation abgegeben.


KOLLISIONSPRÜFUNG BESTANDLEITUNGEN UND GEPLANTE LEITUNGSFÜHRUNGEN
Das Planungskonzept sieht Baumreihen im Bereich der bestehenden Leitungstrassen vor. Zum Schutz der Leitungen und guten Standortbedingungen für die Neupflanzungen sollten die Leitungen verlegt bzw. die Planungen zur Verlegung der Leitungstrassen angepasst werden. Die optimale Trassenführung liegt im Bereich unterhalb der Busspur.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überrascht auf den ersten Blick durch ihren einfachen und klaren Ansatz. Die Freiraumgestaltung fügt sich ruhig und intelligent in die innerstädtischen Platz folgen und die bestehenden Grünstrukturen ein. Der Platz erhält insgesamt einen ruhigen und eleganten Charakter und strahlt trotz seiner formalen Ausprägung eine positive Leichtigkeit aus. Die Arbeit ist einer der Entwürfe, die im besonderen Maße die stadträumlichen Qualitäten beider Stirnseiten des Theaters aufgreift. Die Idee des Teppichs entfaltet auch auf der Ostseite das Potential, dass hier nachhaltig eine hochwertige Adresse entstehen, die gleichzeitig die funktionalen Ansprüche an dieser Stelle erfüllen kann. Der Teppich setzt die gestalterische Priorität auf den Platzraum und ordnet dabei die verkehrlichen Funktionen diesem Leitthema unter.
Die beidseitige Busführung wird grundsätzlich begrüßt, da der Flächenverbrauch für den Verkehr insgesamt minimiert wird. Der Entwurf arbeitet mit recht breiten Fahrbahnen, die eine gemischte Nutzung Bus/ Rad ermöglichen sollen, gleichwohl durch fehlende Differenzierung aber ggf. auch Konflikte mit dem Lieferverkehr auslösen können.
Die Arbeit bietet auf dem Kapuzinergraben keine eigenständige Radverkehrsführung an. Kontrovers diskutiert wurde die Busverkehrsführung im Übergang Theaterstraße – Theaterplatz. Die Ausbildung der rechteckigen Platzfläche kann einerseits „bremsend“ wirken, andererseits sind für eine problemlose Befahrbarkeit mit Bussen vermutlich Anpassungen erforderlich. Die Bushaltestellen sind zu kurz geplant. Es gibt keinen barrierefreien Zugang zum Theater. Dies müsste in weiterer Bearbeitung mitgedacht werden. Die Idee der grüngeprägten „Theatergärten“ auf der Nordseite kann überzeugen und kann in der weiteren Ausarbeitung flexibel notwendige Funktionen aufnehmen.
Das bühnenartige Wasserspiel auf dem Vorplatz wird positiv bewertet. Durch die leichte Topographie entsteht ein qualitätsvoller Ort zur Selbstaneignung im Eingangsbereich des Theaters. Die Flexibilität und Multifunktionalität des Platzes ist in diesem Zusammenhang zu prüfen. Das „Stadtsofa“ im rückwärtigen Bereich des Theaters ist aufgrund der Lade- und Lieferanforderungen nicht realisierbar.
Die Setzung des Lichtelementes auf dem Vorplatz erscheint an dieser Stelle schlüssig und schafft wertvolle Sichtbeziehungen zum Kapuzinergraben. Das gezeigte Mobiliar ist in seiner Ausgestaltung noch ausbaufähig.
Die Idee von punktuellen Wasserspots entlang des Kapuzinergrabens auf östlicher Seite erscheint für Aachen interessant, die konkrete Ausformulierung ist im weiteren Prozess zu prüfen.
Positiv wird auch gesehen, dass das Niederschlagswasser Rigolen unter den Bäumen zugeführt und das überschüssige Wasser in Speicher weitergeleitet wird. Der Löschwassertank wird unter dem Brunnen angeordnet und über die Regenwasserpumpen gespeist. Allerdings fehlt die Berücksichtigung der Versorgungsleitungen bei der Planung von Einbauten und Bäumen.
Der Ansatz eines parkettartigen Pflasters wird begrüßt, die farbliche Abstimmung sollte im Hinblick auf eine ruhige Wirkung im Stadtraum geprüft werden.
Insgesamt überzeugt der Entwurf durch sein starkes und einfaches Konzept, das trotz der in der weiteren Planung notwendigen Detailanpassungen seine robuste Grundidee erhalten kann.