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Mehrfachbeauftragung | 10/2021

Neues Wohngebiet im Niersenbruch

3. Preis

SARAH GRAEFER ARCHITEKTUR

Architektur

Marcus Wagner Architektur

Architektur

Erläuterungstext

LEITBILD
Das im Stadtgrundriss fehlende Puzzlestück des Plangebietes im Niersenbruch zeichnet sich durch seine besondere Lagegunst an der Schnittstelle zwischen Siedlungs- und Landschaftsraum aus. Die landwirtschaftliche Nutzfläche gliedert sich durch qualitätvolle Baumbestände, die linear die Grenzen der alten Ackerfluren nachzeichnen und in etwa den heutigen Eigentumsgrenzen entsprechen. Diese offene Feldflur mit ihren imposanten alten Baumreihen ist die eindrucksvolle Charakteristik, die den Standort im Niersenbruch prägt und auszeichnet.
Eingebettet ist dieser Baumbestand in Vegetationsstreifen, die in ihrem ursprünglichen Zweck– als Erosionsschutz‚ Faunahabitat und Versickerungsflächen- die negativen Folgen einer intensiven Boden- und Flächennutzung kompensieren. Diesen identitären Baumbestand in vollem Umfang zu sichern, seine eindrucksvolle räumliche Wirkung und den ökologischen Nutzen der Vegetation zu erhalten und im neuen Kontext der Siedlungsstruktur fortzuschreiben, ist der Leitgedanke des städtebaulichen Konzeptes.

STÄDTEBAULICHES KONZEPT
Keil-, bzw. bandartigen Freiräume gliedern als landschaftliche Ausgleichs- und Erholungsräume die Fläche und lassen drei neue Nachbarschaften entstehen.
Neben der räumlichen Gliederung tragen diese Streifen zu Verdunstungskühle, CO2-Bindung, Erhaltung der belebten Bodenzone und Artenvielfalt bei. Landschaftselemente und Siedlungsstrukturen stehen im Entwurf gleichwertig nebeneinander und folgen damit dem gesamtstädtischen Leitgedanken- „Das Beste aus Stadt und Land“- zusammenzubringen.

GRÜN
Die zwei mittleren Grünräume nehmen die historischen Baumreihen auf. Sie werden an den Rändern des Plangebietes durch zwei schmälere Grünstreifen ergänzt. Im Westen als Distanz- und Retentionsfläche zum bestehenden Siedlungskörper, im Osten erfährt der notwendige Lärmschutzwall eine Nutzungsintensivierung zur Streuobstwiese und Weinhang.
Die teils keilförmigen Grünräume ziehen sich ausgehend vom Kranichweg bis zur südöstlichen Grundstücksgrenze durch das neue Quartier. Über jeweils einen daran anschließenden Fuß- und Radweg vernetzen sie sich weiter bis zum Fasanenweg und binden auch Grundschule im Südosten und die Kindertagesstätte im Südwesten an.

VERKEHR
Die Erschließung für den PKW-Verkehr erfolgt von drei Seiten. Im Westen von der Wiesenbruchstraße, im Osten von der Saalhoffer Straße und im Norden vom Kranichweg. Dieser wird im Sinne einer sparsamen Verwendung bereits vorhandener Infrastrukturen zu einem beidseitig bestanden Straßenraum ergänzt.
Die Ost-West verbindenden Durchgangsstraßen treffen sich mittig im zentralen Quartiersplatz. Der Verkehrsfluss wird hier von allen Seiten verschwenkt. Von der mittigen Haupterschließung gehen im Westen und Osten jeweils eine ruhige Wohnstraßen ab und erschließen im Zielverkehr die beiden äußeren Nachbarschaften. Der mittige Quartiersplatz wird durch den vorbeiführenden Verkehr in gedrosseltem Tempo zusätzlich belebt.

NUTZUNG
Entlang der Ost-West Erschließung akzentuieren punktförmige Geschosswohnungsbauten den Straßenraum. Kleinteilige Nutzungsmischung mit Quartiersdienstleistungen und Sondernutzungen können hier die Erdgeschosszonen beleben und aufwerten. Auch ebenerdige Fahrradabstellräume sind hier in den Erdgeschossen vorgesehen.
Der Platz an der Quartiersmitte wird besetzt durch einen längeren Sonderbaukörper. Entsprechend demografischer Notwendigkeiten sollen hier eine integrative Wohngruppe und betreutes Wohnen
beheimatet werden. Um den Austausch mit dem Quartier zu fördern, sind hier offene Nutzungen wie Werkstätten oder eine gemeinsame Quartiersküche vorgesehen.

BEBAUUNG
Der Arbeitstitel „Drei Felder Nachbarschaft“ sucht bewusst die Assoziation zum alten landwirtschaftlichen Prinzip der Drei-Felder-Wirtschaft. Hier wird das Ackerland in drei Felder aufgeteilt und mit wechselnder Fruchtfolge bewirtschaftet. Diese Wechselbeziehung beschreibt die unterschiedliche Charakteristik der drei entstehenden Baufelder, die Ausgangspunkt dreier Nachbarschaften mit unterschiedlicher Identität sind.

AM WINKELACKER (Städtische Fläche)
Die Nachbarschaft am Winkelacker ist gekennzeichnet durch giebelständig gesetzte Einfamilienhäuser entlang eines sich leicht meandrierenden Straßenraumes.
Der Straßenraum ist als multifunktionaler Raum mit Aufenthalts-, Spiel und Kommunikationsflächen in den Aufweitungszonen ausdifferenziert.
Das Motiv der giebelständigen Bebauung dient zur besseren Präsenz und Gliederung des Raumes. Die Grundstückeinfriedungen zum Straßenraum sind wechselseitig einmal mit niedrigen Mäucherchen und gegenüberliegend mit Heckeneinfriedungen bestanden.
Geparkt wird auf den Grundstücken- in wahlweise zu berankenden Carports oder offenen Stellflächen.

IM BINNENFELD (VivaWest)
Die mittlere Nachbarschaft „Im Binnenfeld“ ist die größte Nachbarschaft im Gebiet- und liegt eingebettet zwischen den beiden großen Grünräumen. Über die Gärten und Wegeverbindungen haben alle Bewohner schnelle, bzw. teils direkte Zugänge zu diesem naturnahen Spazier- und Erholungsraum.
Die tieferen Gärten in den Seitenbereichen können als Nutzgärten bewirtschaftet werden. Aufgestapelter Grünschnitt soll im Randbereich der Grundstücke als Benjeshecke einen Übergangsbereich zum Grünraum formulieren, und die Biodiversität fördern.
Bautypologisch ist die Nachbarschaft geprägt vom Wechsel zwischen Einfamilienhäusern und Doppelhäusern, die teils im Wechsel mit Traufe und Giebel den Straßenraum bestehen.
Die feldartige Mitte wird hier über minimierte Wohnwege erschlossen, das Parken ist für diesen Bereich gesammelt an den Nord-Süd orientierten Straßen in kleineren Buchten zusammengefasst. In den übrigen Bereichen wird wie zuvor beschrieben auf den Grundstücken geparkt.
Der rote Quartiersplätz mit ziegelfarbigem Belag und dem Geschoßwohnungsbau mit gemeinschaftlichem Wohnen fördert sowohl räumlich als auch sozial eine Mittenbildung.
Diagonal gegenüberliegende befindet sich der Spielplatz im grünen Übergangsraum zum Pumpwerk und als naturnaher Spielraum im direkten Übergang zu einem der Landschaftskeile.

AM STREUOSTHANG (VivaWest, Nord/ Städtische Fläche, Süd)
Die östliche Nachbarschaft formuliert das Doppel- und Einzelhausmotiv entlang eines schmalen Straßenraumes, der sich an seinen beiden Endpunkten räumlich zu einer hofartigen Situation aufweitet. An diesen Köpfen sitzen jeweils auch punktförmige Geschosswohnungsbauten. Insgesamt profitiert dieses Quartier von der Nähe zu den Baumdenkmälern, die auf den Rückseiten der Grundstücke die Bebauung prägen.
Den östlichen Abschluss dieses Quartiers bildet der Lärmschutzwall zur Saalhoffer Straße, der mit Einer Streuobstplantage und einem in Süden nutzbaren Weinhang- diese Abstandsgrünfläche deutlich aufwertet und nutzbar macht.

ABWASSER UND ENERGIESKIZZE
Das Prinzip der kompakten Nachbarschaftsfelder mit den angrenzenden Landschaftsräumen bietet in der weiteren Durcharbeitung beste Voraussetzungen für ein nachhaltiges Wasserhaushalts- und Energiekonzept. Gründächer, möglichst unversiegelte, gärtnerisch geprägte private Grundstücke und die linearen Landschaftsräume bieten ein kombiniertes Stufensystem der Regenrückhaltung und des verzögerten Abflusses bei Starkregenereignissen. Gleichzeitig sorgen die hieraus resultierende Verdunstungskühle und die linearen Landschaftsräume als Frischluftschneisen für eine mikroklimatische Optimierung der Siedlungsstruktur.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau
Die Arbeit trägt den Titel „Drei Felder Nachbarschaft“ und sucht bei der Konzeption von drei Baufeldern bewusst die Assoziation zum alten landwirtschaftlichen Prinzip der Drei-Felder-Wirtschaft. Die Verfasser greifen das ortsbildprägende Element der beiden in Nord-Süd Richtung verlaufenden Grünräume des vorhandenen Baumbestandes auf und ergänzen dieses durch zwei schmalere „Grüne Bänder“ in den Randbereichen. Durch diese Maßnahme wird das Areal klar gefasst und gegliedert. Es entstehen drei ablesbare Felder, die jeweils eigenständige Nachbarschaften beherbergen. Orthogonal zu den vier grünen Bändern schlagen die Verfasser eine Erschließungsachse vor, die die Saalhoffer Straße mit der Wiesenbruchstraße verbindet. Durch die Setzung der Mehrfamilienhäuser an dieser Erschließungsstraße wird die Achse baulich akzentuiert. Ein rechteckiger Platz, der sich mittig an der Achse aufspannt, soll als kommunikative Mitte des neuen Quartiers fungieren.

Freiraum
Keil-, bzw. bandartige Freiräume gliedern als landschaftliche Ausgleichs- und Erholungsräume die Fläche. Die zwei bestehenden Grünzüge sollen als Freiraum möglichst naturbelassen bleiben. Der vorhandene Baumbestand wird integriert. Die privaten Gärten orientieren sich zu großen Teilen zu den Grünzügen und stärken somit diese. Das östliche neue grüne Band in Form eines bepflanzen Lärmschutzwalls wird kontrovers diskutiert. Die Frage der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung (Streuobstweise, Weinhang) lässt Fragen offen und das Erscheinungsbild in Form eines Walls zur Saalhoffer Straße überzeugt nicht. Auch der westliche neue schmale Grünstreifen scheint eher formal. Die Zugänglichkeit zu den „grünen Adern“ erfolgt nur an wenigen Stellen. Hier wäre es wünschenswert, wenn eine stärkere fußläufige Vernetzung stattfinden würde.

Bebauung
Zwei der drei Nachbarschaften sind als „Straßendorf“ angelegt, die mittlere Nachbarschaft durchzieht eine Ring-Erschließung. Es wird kritisch diskutiert, inwieweit vor allem die westliche Nachbarschaft – bestehend aus einem Großteil von Einfamilienhäusern - in ihrer langgestreckten, linearen Struktur angemessen ist. Zwar zeigen sich immer wieder Aufweitungen in den Straßenräumen; jedoch können diese nur bedingt überzeugen. Alle geforderten Haustypen wurden nachgewiesen. Grundsätzlich wird begrüßt, dem neuen Quartier eine „gemeinsame Mitte“ zu geben. Ob allerdings der wenig gefasste Platz dies leisten kann, wird bezweifelt. Der Quartiersplatz erhält keine räumliche Fassung durch die angrenzende Freifläche sowie durch die flankierende eher offene Baukörperstellung. Die Platzgestaltung wird zudem durch die Lage und Anzahl der Stellplätze und die Durchfahrbarkeit sehr stark durch Verkehrsanlagen geprägt und schränkt die gewünschte Nutzung ein. Die Nutzungsangebote werden vor dem Hintergrund der bestehenden Infrastruktur in der Umgebung als kritisch angesehen bzw. entsprechen nicht der derzeit absehbaren Nachfrage.

Erschließung
Die Erschließung für den PKW-Verkehr erfolgt von drei Seiten. Im Westen von der Wiesenbruchstraße, im Osten von der Saalhoffer Straße und im Norden vom Kranichweg. Die Erschließung durch die drei Nachbarschaften erfolgt bei zwei Nachbarschaften in Form von Sackgassen-Erschließungen. Die damit verbundenen notwendigen Wendehammer und der evtl. doppelt anfallende Verkehr (Parkplatzsuchende) werden kritisch bewertet. Das Fuß- und Radwegenetz verknüpft das neue Quartier in Richtung Fasanenweg mit der Grundschule und der Kindertagesstätte. Supermarkt / Verknüpfung mit der Stadt Die gezeigte Variante der Einbindung eines neuen Nahversorgers und die Ausbildung kleinerer Platzabfolgen mit der Anbindung des neuen Quartiers in Richtung Süden können vollumfänglich überzeugen. Hier leistet die Arbeit einen wertvollen Beitrag. Alle Leistungen wurden erbracht. Die Arbeit wurde darüber hinaus sehr detailliert ausgearbeitet.