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Einladungswettbewerb | 11/2021

Städtebauliche Gestaltung und genossenschaftlicher Wohnungsbau „Am Teilsrain” in Wörthsee

4. Preis

Preisgeld: 6.000 EUR

einszueins architektur ZT GMBH

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Carla Lo Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Modellwerkstatt GERHARD STOCKER

Modellbau

Erläuterungstext

Das „Genossenschaftliche Wohnen am Teilsrain“ komplettiert eine nachhaltige Entwicklung des Zentrums der Gemeinde Wörthsee. Unter besonderer Rücksicht auf das dörfliche Gefüge wird dem gemeinschaftlichen Miteinander genauso wie dem privaten Rückzug die entsprechenden Räume gegeben.

Architektur und Landschaft

Die Proportionen der kompakten quaderförmigen Baukörper stehen miteinander in Relation, sind im Sinne einer ländlichen Bebauungsstruktur aber nicht ident. Gestreut angeordnet gruppieren sich die sieben Baukörper um eine gemeinsame „Grüne Mitte“, sie bietet Raum für Kommunikation wie für Rückzug. Von hier aus werden sämtliche Wohnungen erschlossen.

Die Grüne Mitte verzahnt sich in abgestufter Gewichtung mit ihrer unmittelbaren Umgebung. So werden Verbindungen zum „Ankommen“ im Osten und zur Landschaft geschaffen, zum Anger im Norden und zum neuen Quartiersplatz im Westen. Untergeordnete Wegeführungen schaffen schnelle Verbindungen zum gemeinschaftlichen Garten.

Fünf Baukörper verfügen über drei Geschoße, zwei Baukörper verfügen über vier Geschoße. Diese beiden sind durch ihre talseitige Lage im Osten, absolut gesehen nur wenig höher als andere dreigeschossige Baukörper und bis auf wenige Zentimeter liegt die fertige Oberkante auf gleicher Höhe mit dem Lebensmittelmarkt im Süden. Die Frontlängen orientieren sich an der Bebauung am Quartiersplatz und sind zumeist deutlich kürzer.

Gemeinschaft und Typologie

Über die Grüne Mitte werden alle Wohnungen, Gemeinschaftsräume und Sondernutzungen erschlossen. Die Laubengangerschließung ist zur Mitte orientiert und bildet eine kommunikative Übergangszone zwischen privat und gemeinschaftlich.

Die sieben Baukörper sind über die vertikale Erschließung zu Paaren verbunden und die Paare in jeweils einem Geschoß miteinander über Laubengang-Brücken. So entstehen vielfältige Wege zu Nachbar*innen, Dachterrassen und Freiraum. Es sind vier Stiegen und Aufzüge projektiert.

Gemeinschaftsräume

Räume zur gemeinschaftlichen Nutzung oder unterstützende Infrastruktur finden sich vorrangig im Erdgeschoß von drei Baukörpern, deren Erscheinungsbild sich von den übrigen Baukörpern unterscheidet. So bleiben Wohnnutzungen unter sich und die Gemeinschaftsräume können ihre Qualitäten voll entfalten.

Die Gemeinschaftsküche mit Kinderspielbereich stellt den zentralen Raum der Gemeinschaft für das Projekt dar. Sie ist aufgrund ihrer Lage in Haus 4 in der Grünen Mitte sehr präsent und kann sich durch den direkten Weg zum neuen Quartierplatz zum Dreh- und Angelpunkt der Wohngemeinschaft entwickeln.

Im Erdgeschoß von Haus 7 werden verschiedenste Synergien zwischen der Gästewohnung, dem Co-Working und der Praxis geschaffen. Letztere teilen sich den Eingang und die Sanitärflächen wie Teeküche. Gleichzeitig kann auch der Wohnraum der Gästewohnung, speziell in der unbelegten Zeit, dem Co-Working als Besprechungsraum oder Ruheraum zugeschlagen werden. Gemeinsam nutzen alle die tiefen Arkaden als Raum für Begegnungen untereinander und mit der Hausgemeinschaft.

Gegenüber von Co-Working und Praxis liegt die Werkstatt / Atelier in Haus 1 in direkter Nähe zur Grundstückszufahrt. Der nutzungsneutrale Raum kann in Zukunft auch anderwärtig (z.B. als zusätzlicher Praxisraum, Jugendraum mit Tischtennis etc.) genutzt werden. Haus 1 nimmt darüber hinaus einen Fahrradraum, die Garagenrampe und den Müllraum auf.

Zwei begrünte Dachterrassen bieten zusätzliche Rückzugsräume im Freiraum.

Konstruktion und Wohnkonzept

In eine quadratische Grundrissfläche von 360 x 360 cm lassen sich sämtliche einschreiben. Gleichzeitig sind 360 cm ein ideal geringes Achsmaß für den konstruktiven-systemischen Holzbau. (CLT-Decken nur in 14 cm Stärke)

Während die Außenwände maximal vorgefertigt mit Fenstern und Fassade auf die Baustelle geliefert werden, wird im Inneren die Flexibilität für Generationen hochgehalten. Massive Konstruktionsvollholzstützen bzw. Leimbinder bilden ein offenes Raster, in das sich die unterschiedlichen Wohnungstypen einschreiben lassen. So ist es auch möglich, bei derselben Kubatur den Wohnungsschlüssel zu ändern.

Die Wohnungen verfügen in allen Lagen und Varianten über einen zweiseitig belichteten Wohnraum, der mit den wohnungsbezogenen Außenräumen in enger räumlicher Verbindung steht. Die den Laubengang erweiternden Einschnitte schaffen Raum zum Austausch und Miteinander für die nächste Nachbarschaft.

Durch die zumeist versetzte Anordnung des Koch- und Eingangsbereichs entstehen großzügige räumliche Gefüge. Die Zimmer werden über den Wohnraum erschlossen. In der Konsequenz funktionieren die Wohnungen nahezu ohne Gangflächen. Dadurch wird Raum zum Arbeiten zu Hause oder andere Nutzungen freigespielt.

Ökologie und Klimaresilienz

Die hoch vorgefertigte Holzständer-Systembauweise wird als bewusster Beitrag gesehen, die Global Warming Potentials so gering wie möglich zu halten. Speziell in der ländlichen Umgebung und den maximal vier Geschoßen kann der Holzbau seine Qualitäten voll ausspielen.

Keine Hitzeinseln: gut durchlüfteter Städtebau, begrünte Dächer, Minimum an versiegelten Flächen, Grüne Mitte als natürliche Klimaanlage

Schutz vor Überhitzung: ideal lüftbare Wohnungsgrundrisse, außenliegende Verschattung, hinterlüftete Fassaden, leicht erhöhte Raumhöhe

Ressourcenschonung: leichte Konstruktion (Stützen und Unterzüge)

stoffliche Kreisläufe oder biologisch abbaubare Materialien: Holzfassade, Zellulosedämmung, lose Schüttungen etc.

Reduktion von LKW-Fahrten: ein Bauteil nicht unterkellert, mit Erdaushub z.T. die Senke auffüllen

Biodiversität: Der Teilsrainer Anger bietet mit Magerwiesen, alten Obstbaumsorten und Nistkästen genauso wie die begrünten Dachflächen ein Rückzugsgebiet für Insekten

Mobilität

Die Wohnungen/ Laubengänge bieten Raum für Fahrräder und Kinderwägen, in den Wohngeschoßen werden 13 Abstellräume geboten, ein Fahrradraum in Haus 1 bietet mit einem einfach bedienbaren Doppelstockparker-System Platz für ein Fahrrad je Wohnung sowie für Shared-Lastenräder. Im Untergeschoß werden an jeder Stiege direkt über die Fahrgasse bzw. über eine extra große Liftkabine erreichbare Fahrradräume angeboten. Fahrradbügel im Außenraum ergänzen das Angebot für Gäste und kurze Wege. Der motorisierte Individualverkehr auf dem Grundstück wird auf kürzest mögliche Wegstrecken reduziert.

Erscheinungsbild und Fassade

Die Bebauungsstrukturen rund um den Wörthsee sind in eine abwechslungsreiche Kultur- und Naturlandschaft eingebunden und bilden ein harmonisches Erscheinungsbild. Das Projekt fügt sich durch seine städtebaulichen Überlegungen und sein Erscheinungsbild basierend auf dem Baustoff Holz in diese Landschaft.

Vertikale Holzfassaden mit unterschiedlichen Bearbeitungsgraden bilden die Basis des Materialkonzeptes. Die zwei Fassadentypen erzeugen eine Ensemblewirkung und betonen gleichzeitig die Kleinteiligkeit. Baukörper mit reiner Wohnnutzung im Erdgeschoß unterscheiden sich von jenen Baukörpern mit gemeinschaftlichen Funktionen.

Besondere Lebendigkeit erzeugt die dreidimensionale Tiefe der Baukörper durch die wohnungsbezogenen Loggien und Laubengangerschließungen. So sind auch bei Haus 1, 4 und 7 die Laubengänge durch eine durchlässige Lattung, die als Absturzsicherung dient, eingehaust.

Bewitterte Bodenflächen der Loggien, Vordächer und Laubengänge werden schalltechnisch entkoppelt, ohne Aufbau aus STB-Fertigteilen hergestellt.

Planungsbeteiligung

Strukturierte Planungsbeteiligung auf verschiedenen Ebenen

- Arbeitsgruppen für übergeordnete Themen (Erschließung, Ökologie, Mobilität…) und Spezialthemen (Ausgestaltung Gemeinschaftsküche, Co-Working…)

- Partizipative Standardisierung der Wohnungsgrundrisse im Detail für alle Typen

- Individuelle Sonderwunschpakete für die eigene Wohnung

Die Planungsbeteiligung folgt dabei einem einfachen Schema: Zu Beginn des Planungsprozesses können gemeinsam noch sehr weitreichende Entscheidungen getroffen werden, die wenig bis kaum Kosten nach sich ziehen. Über den Verlauf des Planungsprozesses verkehren sich diese Möglichkeiten ins Gegenteil, bis gegen Ende kaum noch wirkmächtige Entscheidungen getroffen werden können und auch schon kleinere Änderungen viel Kosten nach sich ziehen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schaffen durch die versetzt angeordnete Positionierung einzelner Baukörper einen gut dimensionierten Hof, der die Topografie durch Höhenstaffelung aufnimmt. Die Baukörper nehmen in ihrer Körnung die in Wörthsee vorhandene Bebauung auf und lassen durch Öffnungen in Nord-/ Süd und Ost-/Westrichtung eine öffentliche Durchwegung zu und grenzen den Hof nicht ab. Eine Weiterführung des durch den Hof geführten Weges nach Norden zur Schluifelder Straße wäre wünschenswert.
Der Übergang zur Nachbarbebauung am westlichen Rand wird diskutiert und scheint in der Höhenausbildung bzw. Positionierung noch nicht optimal gelöst. Der Hofbereich erscheint gelungen dimensioniert und verspricht mit den angrenzenden Loggien/Terrassen ein lebendiges, nachbarschaftliches Miteinander. Der nördlich gelegene Grünraum kann im Hinblick auf seinen öffentlichen Charakter überzeugen, ist großzügig dimensioniert und verspricht gute räumliche Qualitäten. Die allgemeine Anordnung der Freiflächengestaltung erscheint als sehr durchdacht: Gärtnern im Westen, Grillen im Osten, öffentliches Spielen im Norden als kommunikatives Freiraumgelenk zwischen kommunalem und genossenschaftlichem Wohnen. Der Abstand zum Supermarkt mit ausreichend Abstandsgrün ist gut, ebenso der kleine Auftaktplatz zum Quartier im Südwesten. Der städtebauliche Vorschlag für das kommunale Wohnen im Norden könnte sensibler ausformuliert sein. Die Erschließung im Südosten ist sehr ehrlich dargestellt, erfüllt die funktionalen Ansprüche in Gänze und kann auch multifunktional gut genutzt werden.
Die Wohnungen werden über dem Hof zugewandte Laubengänge erschlossen. Am Laubengang schlagen die Verfasser Aufweitungen an den Zugängen zu den Wohnungen vor, die den dahinterliegenden Wohnraum vom eigentlichen Erschließungsweg abrückt und somit private Freibereiche am Laubengang schafft. Außerdem werden dadurch mögliche Begegnungsflächen geschaffen. Es gibt keine Individualräume an den Laubengängen.
Die Grundrisse funktionieren sehr gut. Bei den durchgesteckten Wohnungen liegen Küchen und Wohn-räume an den Laubengängen, Schlafräume in den geschützten Bereichen. Die Wohnungen werden ausschließlich über Küchen erschlossen. Alle Gemeinschaftsräume liegen richtig im Erdgeschoß mit Kontakt zum gemeinschaftlichen Hof. Die Fassadengestaltung wirkt auf den Darstellungen etwas eintönig und nur bedingt ansprechend. Am südöstlichen Ende wird ein ausreichend dimensionierter Wendeplatz für die Ver- und Entsorgung vor-geschlagen. Von dort wird auch die Tiefgarage über eine in das Gebäude integrierte Abfahrt erschlossen. Die stringente Grundrissorganisation mit einem einheitlichen Raster lässt eine kostengünstige Erstellung, z.B. in der vorgeschlagenen Vorfertigung in Holzständerbauweise, zu. Die vorgeschlagene Holzbauweise und die Minimierung der Stahlbetonanteile lassen eine nachhaltige Bauweise erwarten.
Die begrünten Flachdächer werden begrüßt, sie lassen auch eine großzügige Nutzung durch Photovoltaik zu.
Skizze

Skizze