modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Neubau Ateliers und Werkstätten der Kunst der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

Kunsthochschule mit Blick in Richtung Bartholomäuskirche

Kunsthochschule mit Blick in Richtung Bartholomäuskirche

2. Preis

Preisgeld: 30.000 EUR

gernot schulz : architektur GmbH

Architektur

urbanegestalt

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext


Städtebauliche Qualität

Städtebauliche Wahrnehmung

Die Burg Giebichenstein als Kulturinstitution mit überregionaler Ausstrahlung im Stadtkörper der Seebener Straße hervorgehoben zu adressieren und kontextuell zu verankern ist Ziel der städtebaulichen Neukonzeption. 

Entsprechend dem baulichen Rhythmus der Seebener Straße bildet eine Folge von Gebäuden und Fugen zwischen den Gebäuden die neue Bauflucht.

Die Fugen ermöglichen den Blickkontakt zum Bartholomäushügel mit dem visuellen Fixpunkt der Kirche. Dadurch, dass die rückwärtigen Ateliers eingeschossig bleiben, kann auch der begrünte Berghang wahrgenommen werden. Die Waldkante am Fuß des Hügels wird aufgelöst und auf die Grundstücksfläche geführt. Der rückwärtige Hof verwebt sich als perspektivisch von KFZ-Verkehr frei gehaltener Werkgarten und Experimentierraum der Burg-Studierenden mit dem Grün des Bartholomäushügels.

 

Lösungsvorschlag zur Einfügung

Dem Duktus der Seebener Straße aus straßenbegleitenden Baukörperfluchten und Fugen in der Bebauung, die auf rückwärtige Nutzungen und Qualitäten (wie z.B. beim benachbarten Museum im historischen Straßenbahndepot)  verweisen, wird Bezug genommen. Die Baukörper fügen sich in das Höhenprofil der Bauten an der Seebener Straße ein, verweisen dabei jedoch durch ihr architektonisches Bild der Fassaden und der Dachlandschaft auf die institutionelle und kulturelle Bedeutung des Inhalts. Die Materialität nimmt mit der Klinkerfassade Bezug auf die Nachbarbebauung – insbesondere das historische Straßenbahndepot – überführt im Weiteren durch die matt spiegelnde Aluminium-Dachlandschaft das architektonische Bild in eine zeitgenössische und dem Inhalt entsprechende Sprache.

 

Adressbildung

Den beiden Fugen in der Bauflucht werden zwei urbane Freiräume zugeordnet. Ein Empfangsplatz vis-à-vis und somit im Dialog mit der Burg, ein Ort des Ankommens und Willkommens, der zudem die Atmosphäre eines Ausstellungsraums erhält.  Ein Gartenplatz, der aus dem schützenswerten Baumbestand eine kleine grüne Stadtoase generiert, zu dem der Außenbereich der Mensa publikumswirksam ausgerichtet wird. Zwischen beiden Plätzen ist das Foyer mit der Mensa als einladender Weg-Raum angelegt. Dem Empfangsplatz ist zudem der studentische Aufenthaltsraum zugeordnet, der optional auch der „Bespielung“ des Empfangplatzes dienen kann, z.B. als „Designstore“ o-ä.

 

Architektur und Baukonzept

architektonische und innenräumliche Gestaltungsqualität

Der Grundriss ist entlang eines linearen Boulevards in West-Ost-Richtung organisiert, welcher wechselseitige Ausblicke auf die Stadt und den grünen Bartholomäushügel bietet. Nördlich des Boulevards, der den täglichen Treffpunkt der Studierenden auf Ihrem Weg zwischen Ateliers und Werkstätten darstellt und immer wieder Nischen, Sitzgelegenheiten und Ausblicke bietet, befinden sich in zwei Gebäuden zum einen die Professoren-Büros sowie die Arbeits- und Lernräume der Kunstpädagogik, zum anderen die Werkstätten. 

Die separierte Lage der Werkstätten verhindert Schallübertragungen aus den Maschinen in das restliche Gebäude. Die hervorgehobene und einsehbare Situation an der Seebener Straße hebt dennoch die Wichtigkeit des Machens und Herstellens in der Ausbildung an der Burg Giebichenstein hervor. Wir schlagen gemeinsame loftartige hallenartige Räume für die Werkstätten vor, um den Wissensaustausch und das „über die Schulter gucken“ zu fördern. Lediglich emmissionsträchtige Nutzungen werden separiert.

Der über dem bereits beschriebenem Weg-Raum aus Foyer, Ausstellungsbereich und Mensa sich erhebende Baukörper ist das Zentrum des neuen Gebäudes. Die zweigeschossige Halle des Foyers gibt allen repräsentativen und kommunikativen Ideen des Hauses Raum, kann sowohl den Ausstellungsbereich als auch die Mensa räumlich erweitern oder alle drei Raumbereiche zu Einem zusammenfassen. 

Die südlich des Boulevards situierten Ateliers und das Audio-Video-Studio eröffnen eine eigene Welt der Konzentration und des Dialogs zwischen Studierenden und Lehrenden, verzahnt mit dem grünen Bartholomäushügel.

Die einfache Architektursprache aus weiß lasierten Wandflächen und tektonischen Deckenuntersichten mit fensterartigen Öffnungen zur Galerie und zum Himmel verweist auf das Thema „Bild“ in allen künstlerischen Dimensionen. Alle und Alles ist miteinander im visuellen Dialog, ohne dass die Möglichkeit zum konzentrierten Arbeiten an Rückzugsorten verloren ginge.

Die Ateliers entstehen als ebenerdige Räume im rückwärtigen Grundstücksbereich mit Nord-ausgerichteten Sheds als natürliche Belichtung. Über große Tore öffnen sich die Ateliers optional auf Werkhöfe, die wiederum mit dem bewaldeten Kirchenhügel der Bartholomäus-Anlage in optischer Verbindung stehen und diese Nachbarschaftsqualität tief in den Neubau hineinwirken lassen. Bei Verschluss der Tore ist konzentriertes zurückgezogenes Arbeiten im Atelier möglich. Bei Öffnung aller Werktore entsteht eine enfiladenartige Raumfolge aus Werkhöfen und Ateliers, was weitere Nutzungsoptionen (z.B. Öffentlichkeitstage, Abschlussausstellungen etc.) ermöglicht.


Identitätsstiftende Wirkung in Bezug auf das zukunftsgerichtete Selbstverständnis in Bezug auf Studium und Lehre der BURG

Die Stadt, Stadtgesellschaft und die Akteure der Burg auf Augenhöhe zusammen zu bringen, dies möchte der vorliegende Entwurf für den Neubau an der Seebener Straße leisten. „Mit dem was da ist“, so lautet der Titel einer aktuellen Fachtagung im September 2021 an der Burg, dies könnte auch der Titel des Neubaus sein: kontextuell entwickelt aus den Atmosphären des Ortes und der Programmatik der Hochschule, errichtet unter Verwendung regional beschaffbarer nachhaltiger Baustoffe. „Sichtbar Werden“ ist das neue Selbstverständnis der Institution Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.


Qualität der Programmerfüllung

Die Bausteine des Raumprogramms sind zu einem offenen dialogfähigen Ganzen gefügt. 

Konstruktions-, Tragwerks- und Gebäudehüllenkonzept / Materialität

Die skizzierten baukonstruktiven Ideen sind an Nachhaltigkeitsaspekten orientiert:

Wo immer aus statischen und brandschutztechnischen Aspekten möglich, wird eine Primärkonstruktion aus vorgefertigten Holz-Elementen gewählt, soweit diese regional und ortsnah bezogen werden können. In Kombination mit Stahlbeton – möglichst unter Verwendung von ortsnah gewonnenen Recyclingbetonen – entsteht eine Stahlbeton-Holz-Hybridkonstruktion. Hierbei wird angestrebt, dass die Oberflächenstruktur von Beton und Holz die gleiche Haptik aufweist und eine weiße deckende Lasur aller Wand- und Deckenbereiche homogene Raumoberflächen – bespielbar für die Kunst – entstehen lässt. 

Fensterkonstruktionen und die Dachlandschaft werden aus natur-eloxiertem Aluminium erstellt, einem Werkstoff, der schon heute zu nahezu 100% aus der Wiederverwertung gewonnen wird. 

Alle Fassadenbereiche, die erdgeschossig oder stadtseitig orientiert sind, erhalten eine selbsttragende Fassade aus ortsnah bezogenem Abbruchklinker, den wir uns auch als Bodenbelag des Hauses wünschen. In allen Bereichen wird Wert auf wieder lösbare und sortenrein rückbaubare Konstruktionen sowie dem Kreislauf rückführbare Materialien gelegt.

 

Lichtqualität im Gebäudeinneren

Das neue Haus ist erfüllt von Licht. Blendfreies großzügiges Nordlicht fällt über die signethaften Sheds der Dachlandschaft in alle Ateliers und oberen Werkstätten. Die Werkstätten im EG erhalten Seitenlicht über industriell anmutende Fensterbänder. Die Kommunikationsräume Foyer, Mensa und Boulevard erhalten direkt einfallendes Tageslicht und stellen somit eine erholsame Abwechslung zum Nordbelichtung der Arbeitsräume dar. Die großen Decken-Lichtkonchen des Foyers inszenieren den wechselnden Lichteinfall im Tages- und Jahreszeitenverlauf. Die Ausstellungsräume erhalten – mit Ausnahme des „Über-Ecke-Schaufensters“ zum Vorplatz – eine künstliche Belichtung über Decken-Grundbeleuchtung und individuell zu setzende Spots, so dass auf Belichtungserfordernisse und -güten Bezug genommen werden kann.

 

Landschaftsarchitektur und Freiraumkonzept

Landschaftsarchitektonische Gestaltungsqualität

Das Freiraumkonzept nimmt Bezug auf den Dialog zwischen städtischer Urbanität auf der Nordseite entlang der Seebener Straße und dem großzügigen Grün des Bartholomäushügel. Dieses „dazwischen Sein“ soll überall im Haus und auf den Freiräumen spürbar werden und die Qualitäten der Umgebung in die Freiräume des zu beplanenden Grundstücks hineingezogen werden.

Stellplätze für Räder sind an sämtlichen Zugängen verteilt, für Insider auch hinter dem Haus. Stellplätze für Autos sind westlich und östlich der Hochschule auf kurzem Weg von der Seebener Straße erreichbar. 12 dauerhafte Plätze werden ausgebaut, die temporären Stellplätze sind westlich im Zufahrtsbereich und im Werkgarten auf Schotterflächen angeordnet. 


Verknüpfung von Innen- / Außenraum und Umgebung

Empfangsplatz und Gartenplatz setzen das Hochschulleben der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in unterschiedlicher Weise mit dem städtischen Kontext in Beziehung. Der Empfangsplatz ist als architektonisch definierter Raum angelegt, markant und elegant in seiner atmosphärischen Ausstrahlung und als Außenausstellungs-„Raum“ bespielbar. Die steinerne Materialität des Bodens und der umfassenden Wände sind einheitlich.

Der Gartenplatz erlaubt einen niederschwelligen Zugang, eine Betonrampe führt über den Staudengarten, die drei alten Baumkronen beschirmen den Raum, ein auskragendes Betondeck erlaubt die Pause im städtischen Grün.

Der Werkgarten setzt die wilde Qualität des Hangwaldes vor St. Bartholomäus in einem Garten fort. Baumhaine mit Flaumeichen und Ulmen bieten Schattenplätze und gliedern die Wiesenfläche in zwei Lichtungen. Bewegliches Mobiliar und eine Gartenküche als Infrastruktur erlauben die Inbesitznahme und Nutzung des Gartens für Pausen, Feste und künstlerische Arbeit.

Zonierung von internen und öffentlichen Bereichen sowie ihren Übergangsbereichen

Der Empfangsplatz ist die neue Adresse. Hier öffnet sich der Neubau mit einer einladenden Geste, die in ihrer Materialität hervorgehoben akzentuiert wird und als Außenausstellungsort bespielt werden kann. Der Gartenplatz ist ebenso frei durch die Öffentlichkeit begehbar, stellt aber schon einen Ort der abgestuften Öffentlichkeit dar, was durch den Staudengarten und das angehobene Niveau der Mensaterrasse herausgearbeitet wird. Der Wegraum zwischen diesen beiden Orten im Inneren bildet die nächste Sequenz im Übergang zwischen Öffentlichkeit und Halböffentlichkeit. 


Aufenthaltsqualität für Studierende und Mitarbeiter

Der Boulevard im Inneren stellt einen Übergangsraum dar, wo sich Studierende und Lehrende mit einer interessierten, ggf. eingeladenen Öffentlichkeit treffen kann und Orte des kommunikativen Austauschs findet. Die Werkhöfe und der nach Süden orientierte Werkgarten, der übergangslos in den bewaldeten Hang des Bartholomäushügels übergeht und diesen optisch mit einbezieht ist dann der „private“ Bereich der Studierenden und Mitarbeiter.


Qualität der Außenarbeitsbereiche

Es wird eine große Bandbreite von Qualitäten angeboten: 

Der Empfangsplatz als repräsentativer im Material hervorgehobener artifizieller Hartplatz.

Der Gartenplatz, der die drei Bestandsbäume für eine kleine urbane „Pocketpark“ – Situation nutzt und einen urbanen Aufenthaltsbereich darstellt.

Die Werkhöfe, die wie ein urbaner Hinterhof sowohl Arbeits- als auch Aufenthaltsort sein können und der Werkgarten als Ort der Ruhe und Kontemplation.

 

 

 

REALISIERBARKEIT/ WIRTSCHAFTLICHKEIT / NACHHALTIGKEIT

Nachhaltigkeitsaspekte (sozial / ökologisch / ökonomisch: ressourcenbezogen und energetisch nachhaltig in Herstellung, Betrieb und Rückbau)

„Mit dem was da ist“, so lautet der Titel einer aktuellen Fachtagung im September 2021 an der Burg, dies könnte auch der Titel des Neubaus sein: kontextuell entwickelt aus den Atmosphären des Ortes und der Programmatik der Hochschule, errichtet unter Verwendung regional beschaffbarer nachhaltiger Baustoffe. „Sichtbar Werden“ ist das neue Selbstverständnis der Institution Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. 

 

Flächen- und Volumenverhältnis

Der vorliegende Entwurf reagiert angemessen auf die Anforderungen hoher Tageslichtqualität und somit Fassaden- und Sheddachbezogenheit der Innenräume sowie aus Nachhaltigkeitsaspekten notwendiger Kompaktheit. Die beiden Gebäude an der Seebener Straße sind daher bewusst kompakt organisiert mit dem Foyer als innenliegende von Funktionen eingerahmter Raum und dem Verzicht auf Verkehrswege zwischen den einzelnen Werkstätten. Die Separierung der Werkstätten in einem eigenen Baukörper erspart baukonstruktive Aufwendungen zur Verhinderung von Schallübertragungen. Die eingeschossigen Volumen der Ateliers sind als Zweibunde ebenfalls kompakt und dennoch den Anforderungen entsprechend zu Werkhöfen und Dachbelichtungen ausgerichtet.


Potenzial zur Einhaltung des Budgets

Die Einfachheit der Grundrissdisposition und der Baukonstruktion lassen eine wirtschaftliche Bauweise erwarten. Schon im WB-Entwurf wurden Aspekte des vorbeugenden Brandschutzes beachtet – so wurde z.B. der Luftraum des Foyers geschlossen und nicht als Galerie ausgebildet um ohne technische Kompensationsmaßnahmen die Geschosstrennung zu gewährleisten.


Konformität mit grundstücksbezogenen Rahmenbedingungen

Insbesondere die feinen Höhenversprünge wurden in die Ausarbeitung der Anschlüsse des Hauses an das Terrain berücksichtigt. Die Lage des Audio-Video-Studios in maximaler Entfernung von der Straße und den Werkstätten schützt die sensible Funktion. Der rückwärtige Bereich wird als Landschaftsraum von Fahrverkehr frei gehalten.


 

Lageplan

Lageplan

Eingangsbereich an der Seebender Straße

Eingangsbereich an der Seebender Straße

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Boulevard mit Blick zum Gartenplatz

Boulevard mit Blick zum Gartenplatz

Rückzugsorte Ateliers & Werkhöfe

Rückzugsorte Ateliers & Werkhöfe