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Mehrfachbeauftragung | 06/2021

Aufwertung Wittenberger Höfe in Leipzig

Eingangssituation Görlitzer Straße

Eingangssituation Görlitzer Straße

ein 2. Preis / Involvierung weitere Beauftragung

Pysall Architekten

Stadtplanung / Städtebau

EiSat GmbH, Engineered Structures

Tragwerksplanung

Ingenieurbüro Hausladen GmbH

TGA-Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf von Pysall Architekten besticht insbesondere durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Bestand am Quartiersplatz zur Görlitzer Straße. Der weitgehende Erhalt der Bestandssubstanz wird von der Jury ausdrücklich gelobt.

Die Architekten haben sich insbesondere mit den Katakom ben und der oberirdischen Bebauung rund um und auch unter dem neu zu definierenden Quartiersplatz intensiv beschäftigt, was zu einer aus Sicht der Jury ganz außergewöhnlich wahr nehmbaren neuen Charakteristik des Ortes führt, die trotz zeitgemäßer neuer Nutzung die Erinnerung an das alte Quar tier mit seiner industriellen Vergangenheit aufrecht erhält, Bezüge zur baulichen Vergangenheit aufzeigt und durch Transformation neu definiert und eine Auseinandersetzung findet, die den Geist des Ortes zum Sprechen bewegt.

Der Erhalt und das behutsame Entwickeln des alten Kessel hauses zum Kieztreff und Veranstaltungsort ist konsequent und richtig und von entscheidender Bedeutung für die urbane Qualität des öffentlichen Quartierplatzes.

Der Erhalt des stadtbildprägenden Schornsteines und dessen Integration in die neue Gesamtanlage wird insbesondere we gen seiner Ensemble-Bedeutung weit über das Quartier sel ber hinaus als architektonische Landmarke von der Jury ge lobt.

Das Grünkonzept der Architekten verbindet sich absolut selbstverständlich mit der an sich früher grünlosen Industrie anlage und macht auf charmante Weise die Wandlung des Quartieres in den letzten Jahrzehnten deutlich.

Die Natur, quasi die Zeit, überwuchert die frühe Industrie, die wunderbar freigelegte alte stählerne Dachkonstruktion, eignet sich den Ort an, woraus neue Sichtweisen und ein neuer Charakter aus und über das Alte herauswächst.

Das Quartier erwacht hier sichtbar aus seinem Jahrzehnte überwucherten Dornröschenschlaf.

Urban Gardening, üppige Vegetation, das grüne Mikroklima, dadurch entstehende Lärmreduktion, angenehmes Klima durch Feuchtigkeitsverdunstung und die Gewächshäuser in den alten Industriehallen zeigen an, dass die Zukunft im Quartier angekommen ist, sich mit dem Quartier verträgt, es annimmt und heranwächst.

Der Umgang mit der großen Industriehalle als "Kreislauf"- Markthalle, die als Denkmal das gesamte Quartier baulich bestimmt, gewährleistet die Großzügigkeit, die Offenheit und damit den Erhalt der beeindruckenden Raumwirkung dieser offenen dreischiffigen Halle.

Ermöglicht wird diese großflächige Nutzungskonzeption im Inneren der Halle dadurch, dass ansonsten in die Halle neu zu integrierende Flächen, z.B. zum Wohnen, als freie Holz Module auf das Dach der Halle gestellt werden, im hinteren "nichteinsehbaren, eingebauten" Bereich der Halle dann auch zweigeschossig.

Aus Sicht der Jury ist diese Idee allerdings in Hinblick auf den Denkmalstatus der Halle und deren Anteil am Gesamtcharak ter des Ortes zu prüfen.

Die Dachmodule sind so angeordnet, dass sie durch die ins gesamte Enge der Wege durch das Quartier praktisch kaum wahrnehmbar, sozusagen im toten Winkel der Blickachsen, abgeduckt angeordnet sind. Der am hinteren Ende der Halle vorgesehene modulare Aufbau wird daher sogar zweige schossig vorgeschlagen.

Die städtebauliche Eingangsgeste von der Wittenberger Straße aus ins Quartier mit der klaren baulichen Zäsur bzw. die starke Öffnung zur dominanten Halle im straßenbeglei tenden Gebäudeensemble und der dadurch signalhaften Geste hin zum Portal der im Quartier dominierenden Indust riehalle wird ausdrücklich positiv bewertet

Nicht geglückt ist nach einhelliger Ansicht der Jury hingegen die von den Architekten vorgeschlagene Architektur an der Wittenberger und der Görlitzer Straße. Der Versuch, das klei ne barocke Pförtnerhaus an der Wittenberger Straße in das Bebauungskonzept, in die Architektur des Neuen zu integrie ren kann nicht überzeugen. Das Pförtnerhaus wird durch die frei überkragende, fast monumental wirkende Überbauung geradezu gewaltsam unterdrückt.

Die beiden neuen Torgebäude an der Wittenberger Straße gehen auf die Nachbargebäude nur in Hinblick auf die Bau flucht zur Straße ein, ansonsten entfalten sie eine dominante Eigenständigkeit, die dem Ort nicht angemessen ist und im gesamten städtischen Quartier in seiner Architektursprache fremd wirkt.

Insgesamt besticht der Entwurf durch den poetischen Um gang, die Interpretation und Umsetzung der Idee eines neuen Quartierplatzes als einfühlsame Symbiose aus der Industrie geschichte des Quartieres mit der gewünschten lebendigen und urbanen Zukunft.
Eingangssituation Wittenberger Straße

Eingangssituation Wittenberger Straße

Marktplatz Halle

Marktplatz Halle