modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Bauträgerwettbewerb | 07/2021

Stadtquartier „Neues Landgut“ in Wien (AT)

Gewinner / Bauplatz D04

g.o.y.a. Ziviltechniker Ges.m.b.H

Architektur

EGKK Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Schreiner, Kastler - Büro f. Kommunikation GmbH

Visualisierung

RWT PLUS ZT GmbH

Bauphysik, TGA-Fachplanung, Tragwerksplanung

Röhrer Bauphysik

Brandschutzplanung

con.sens mobilitätsdesign

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

EIN KLEINGARTEN AUF DEM DACH – eine Gartensiedlung auf den Dächern der Stadt:

Auf einer Gesamtfläche von mehr als 1.400 m² befinden sich rund 30 Parzellen in unterschiedlichen Größen, die jeweils mit einer Pergola und Verschattungselementen ausgestattet sind. Als Substrathöhe ist 50 – 70 cm geplant, so dass hier auch Bäume wachsen können. Das GARTENWERK steht sowohl Bewohner*innen als auch interessierten Nachbar*innen offen. Die Schrebergärten können von externen Nutzer*innen, über einen Lift erreicht werden. Die einzelnen Gärten sind über einen Rundweg miteinander verbunden. Weiters stehen der Gartengemeinschaften zwei Flächen zur gemeinschaftlichen Nutzung zur Verfügung – z. B. in Anlehnung an klassische Schrebergärten als Vereinslokal und „Stadtheuriger“ und als Lager für Gartengeräte, Spinde etc.

Beurteilung durch das Preisgericht

ÖKONOMIE
Das Projekt umfasst mit insgesamt 291 geförderten Wohnungen, davon 143 Normwohnungen und 148 SMART-Wohnungen, sowie 4 Lokalen eine förderbare Nutzfläche inkl. Zuschlägen von 18.569,01 m².
Die Vorgaben der SMART-Wohnungen werden sowohl ökonomisch (Finanzierungsbeitrag € 60,--/m² Nfl., Bruttomiete € 7,50/m² Nfl., Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag € 0,20/m² Nfl., Betriebskosten- und Verwaltungskostenzuschlag € 1,57/m² Nfl.) als auch der Anzahl nach (50,86 %) erfüllt.
Für die SMART-Wohnungen wird Förderung gemäß § 6a und keine Superförderung beansprucht.

Bei den sonstigen Mietwohnungen liegen der Eigenmittelanteil mit € 60,--/m² Nfl. (Baukostenbeitrag € 60,--/m² Nfl. Grundkostenbeitrag € 0,--/m² Nfl.) und die monatliche Mietbelastung mit Bruttomiete € 7,50/m² Nfl. (Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag € 0,20/m² Nfl., Betriebskosten- und Verwaltungskostenzuschlag € 1,57/m² Nfl.) im sehr günstigen Bereich.
Der Baurechtszins beträgt laut Datenblatt € 0,80/m² Nfl. Die Baurechtsnebenkosten in der Höhe von € 45,--/m² Nfl. sind nachvollziehbar.
Die Gesamtbaukosten mit € 2.557,96/m² Nfl. sind nachvollziehbar, wobei die Nebenkostenstruktur mit 18,5 % durchschnittlich bewertet wird.
Die Kostenrelevanz der Bauausstattung mit Holz-Alu-Fenstern und Laminatboden wird gut durchschnittlich bewertet.
Die Garagenkonditionen mit € 96,12/Monat ohne Finanzierungsbeitrag werden hoch bewertet. Die Nutzerverträge werden mit 3 Sternen beurteilt.
Auf die Stellungnahmen der MA 25 und der MA 50 aus dem Dienststellengespräch wird verwiesen.

SOZIALE NACHHALTIGKEIT
Das Projekt verfügt über ein ansprechendes soziales Konzept mit innovativen Elementen.
Auf die Themenstellungen Wohnen für Alleinerziehende und Wohnen für ÖBB-MitarbeiterInnen wird in angemessener Weise eingegangen. Für Alleinerziehende stehen housing first- Wohnungen sowie Betreuungs- und Begleitungsmöglichkeiten durch den Verein neuner immo zur Verfügung. Es werden Workshops zur Gestaltung von Gemeinschaftsräumen, die sich insbesondere an die Zielgruppe Alleinerziehende bzw. Menschen mit Kindern richten, angeboten.
In der Sockelzone im Erdgeschoß soll eine Konditorei mit Café Platz finden, die von Wien Work betrieben wird und erwachsenen Menschen mit Behinderung und Jugendlichen eine Lehre ermöglichen soll. Ein Konzept-Greißler und ein Geschäftslokal, dem noch keine Funktion zugeordnet ist, ergänzen das sozial-gewerbliche Angebot.
Die Reparatur-Werkstätte im Erdgeschoß, die sich dem Reparieren, dem Recycling, der Organisation einschlägiger Veranstaltungen und dem Abhalten von Workshops widmet, wird durch eine/n Concierge von Wien Work betreut, die/der auch für die Hausbetreuung zuständig ist. Im Bereich Recycling wird mit der Initiative Science Center Network kooperiert.
Es sind Gemeinschaftsräume für unterschiedliche Funktionen vorhanden, die auf mehrere Stockwerke verteilt sind. Eine Waschküche und eine Paketstation befinden sich im Erdgeschoß. Abstellflächen und Einlagerungsräume sind in ausreichendem Ausmaß vorhanden.
Ein zentraler Aspekt des sozialen und ökologischen Konzepts ist das Vorhaben, auf den Dächern 30 Kleingärten zu errichten und für deren Betrieb mit dem Zentralverband der Kleingärtner und Siedler Österreichs zusammenzuarbeiten. Die gesamte Fläche der Kleingärten soll von einem Verein angemietet werden, der die Parzellen vergibt und den Betrieb betreut.
Dies wird aus mehrerlei Gründen kritisch gesehen. Zum einen ist zu hinterfragen, ob die Dachflächen tatsächlich in so hohem Ausmaß für privaten Gebrauch genutzt werden sollen, statt der Gemeinschaft zur Verfügung zu stehen. Zum anderen stellt sich die Frage nach dem Mehrwert der Anmietung bzw. Vergabe durch den Kleingartenverein, insbesondere wenn es sich bei den Mietern der Parzellen um hausfremde Personen handelt. Zudem kann es im Gegensatz zu einem Gemeinschaftsgarten bei Kleingärten, auch wenn sie von BewohnerInnen aus dem Quartier betrieben werden, dazu kommen, dass der „Privatheit“ und individuellen Abgrenzung ein höherer Stellenwert eingeräumt wird als der Kooperation mit den NachbarInnen. All dies sind potenzielle Konfliktherde.
Dieses Konzept ist hinsichtlich dieser Kritikpunkte zu überdenken und zu überarbeiten.

ARCHITEKTUR
Das Projekt formuliert den im Bebauungsplan festgesetzten geöffneten Blockrand aus. Die unterschiedlich hohen Gebäudeteile treppen sich so ab, dass eine vielfältig nutzbare Dachlandschaft entsteht. Die Schattenpergolen verstärken diesen Charakter, der sich formal auch an den Fassaden mit vorgesetzten roten Freiraumelementen wiederfindet. Dadurch entsteht ein allseitig gestaltetes Erscheinungsbild, welches das Dach als 5. Fassade ausformuliert und so dem Leitthema des „Gartelns“ eine sicht- und erlebbare Referenz erweist. Diese Qualität des Projektes wird von der Jury ausdrücklich hervorgehoben.

Das Projekt basiert auf Holz-Hybrid Raummodulen. Die Wohnungsgrundrisse bauen strukturell auf das Modul auf und sind gut gelöst. Sie weisen unterschiedliche Typologien für eine vielfältige Bewohnerschaft auf und versprechen hohe Nutzungsqualitäten. Besonders gewürdigt wird das Angebot der 15 housing first Wohnungen.

Die Verwendung der Baustoffe Holz und Beton, die hinsichtlich ihrer baustofflichen Stärken zum Einsatz gebracht werden, stellt einen wertvollen Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit im geförderten Wohnbau dar. Wünschenswert wäre, dass die besondere Holz-Hybrid-Bauweise auch im äußeren Erscheinungsbild des Gebäudes stärker zum Ausdruck kommen würde. In jedem Fall bedarf die Stirnseite der Westfassade der Überarbeitung mit Blick auf dort vorzusehenden Fensteröffnungen.

Im Erdgeschoß wird an der Süd- und Ostseite eine teilweise zweigeschoßige Gewerbezone vorgesehen, die in Größe dem Ort angemessen und in der Nutzung ambitioniert erscheint. Insgesamt wertet die Jury dieses Projekt als äußerst profilierten Beitrag zur Umsetzung der ambitionierten Ziele im geförderten Wohnbau. Angefangen von der Modulbauweise über die Verwendung der Baustoffe Holz und Beton bis hin zur Qualität der Architektur und der angebotenen Grundrisslösungen: ein wirklich gelungenes Projekt mit hohem Anspruch und Vorbildwirkung bezogen auf ein ökologisch verantwortungsvolles und ressourcenoptimiertes Bauen.