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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Neues Besucher- und Therapiezentrum (BTZ) für das Psychiatrische Zentrum Appenzell Ausserrhoden in Herisau (CH)

2. Rang

Preisgeld: 30.000 CHF

Lukas Imhof Architekten

Architektur

Kollektiv Nordost

Landschaftsarchitektur

B3 | Engineering und Management am Bau

Bauingenieurwesen, Brandschutzplanung, Tragwerksplanung

schaerholzbau ag

Bauingenieurwesen

Elektroplanung Huber AG

TGA-Fachplanung

Wirkungsgrad Ingenieure AG

TGA-Fachplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt Lilly zeichnet sich durch eine präzise Lesung des Ortes aus. Die Verfassenden schlagen eine geknickte Gebäudefigur vor, die sich in die bestehende Bebauungstypologie einordnet und im Übergang vom inneren zum äusseren Erschliessungsring steht. Die bauliche Ordnung des historischen Ensembles auf dem Krombachhügel wird in selbstverständlicher Weise fortgesetzt. Volumetrisch schafft der Neubau mit seiner konkaven Seite den räumlichen Bezug zum inneren Ring. Es entsteht ein attraktiver Ankunftsraum für das neue BTZ, der selbst den Anbau von Haus 8 mit der Cafeteria als weiteren öffentlich zugänglichen Gebäudeteil überraschend klar in das neue Ganzen einbindet. Angedacht sind ein grosszügiger Platz vor dem BTZ und ein Parkplatz, der als eigenständiger Anlageteil geplant ist. Eine grosse Linde mit Rundbank setzt vor dem neuen Zentrum einen Akzent. Der Vorplatz ergibt sich aus der Aufweitung der Strasse. Er soll gemäss Verfasser*innen als als Drop-off und als Zubringer verwendet werden. Leider wird der offen gestaltete Ankunftsort durch den Aussenbereich der Tagesklinik im Erdgeschoss sogleich wieder in seiner Nutzung privatisiert und in seiner Bedeutung als neue Adresse relativiert. Die konkave Seite nach Nordosten folgt der Topographie und schafft interessante Bezüge in die weite, durchgrünte Landschaft des Appenzells. Es gelingt den Projektverfassenden die Umgebungsgestaltung an die sanft modelierte appenzellische Hügellandschaft anzubinden. Volumetrisch wirkt jedoch das nach Herisau mit fünf Geschossen in Erscheinung tretende BTZ sehr massiv und eher abweisend als einladend. Die sehr zurückhaltende Umgebungsgestaltung hat auf den ersten Blick durchaus seinen Reiz. Trotzdem bleibt die Bearbeitung zu schematisch. Der Parkplatz prägt nach wie vor den Zugangsbereich und schafft keine klare Anbindung zum Neubau. Die Ausbildung eines Trottoirs, dass die sichere Zugänglichkeit vom Parkplatz zur Vorzone gewährleisten soll, offenbart das etwas pragmatische Bild der Freiraumausbildung. Der Ankunftsplatz ist eher ein Kreuzungspunkt von Zugangswegen und Strassen und hat weder einen einladenden, noch repräsentativen Charakter. Das Potential einer Neugestaltung des Freiraums, der sich durch den Neubau des BTZ ergibt, insbesondere die Anbindung des BTZ zur bestehenden Anlage, wird nicht ausgeschöpft. Wie in der geometrischen Figur angelegt, ist die räumliche Gliederung des Neubaus zweigeteilt. Im Knick der beiden Gebäudeteile liegt die vertikale Erschliessung und der «Salon», der als Warteraum, Aufenthalts- und Begegnungsraum mit Blick in die Weite einen klaren Mehrwert darstellt. Die Lage des Treppenhauses garantiert kurze Wege und eine klare innere Orientierung auf den Geschossen. Die Erschliessungsfigur mit den zwei Stichkorridoren wird jedoch von den Nutzern nicht favorisiert, da es die Patient*innen in ihren Bewegungsbedürfnissen schnell einengt und hemmt. Ein klarer Sichtbezug vom Empfangsbereich zum Wartebereich wird vermisst. Die Nutzungsanordnung ist einfach und klar. Im Erdgeschoss gelangt man über den Empfangsbereich in die Tagesklinik und den davorliegenden, nach Süden ausgerichteten Gartenbereich. Dem Aussenraum der Tagesklinik fehlt jedoch die geforderte Intimität. Die Therapieräume verteilen sich auf das 1. Obergeschoss und den hangseitig gut belichteten Teil des Sockelgeschosses. Das 2. Und 3. Obergeschoss wird ausschliesslich von dem Mitarbeiter*innen der Klinik genutzt. Der einfachen räumlichen Gliederung folgt eine stringente konstruktive Logik. Für die beiden Gebäudeteile wird ein Holzskelettbau in einem Raster von 2.7m vorgeschlagen der auf einem massiven Betonsockel steht. Der vertikale Erschliessungskern aus Stahlbeton stabilisiert zusammen mit den beiden geschlossenen Seitenwände das Haus in beide Richtungen und löst die brandschutztechnischen Anforderungen pragmatisch. Die präzise Positionierung der Holzstützen an Fassaden und in Gebäudemitte garantiert einen konsequenten Lastabtrag bis in die Fundation und gewähren die grösstmögliche Flexibilität in der Raumaufteilung. Der kräftige und klare konstruktive Ausdruck wird im Innern durch eine Vielzahl von gestalterischen Massnahmen verunklärt. Die architektonisch klare und räumlich spannungsvolle Gebäudestruktur wird von Seite der Nutzer*innen wiederholt hinterfragt. Die mittig angeordneten Stützen werden für den Bewegungsablauf der Patient*innen als störend empfunden und sie bergen die Gefahr von Verletzungen. Alles in Allem wird die Auseinandersetzung mit einem zeitgemässen Klinikalltag hinsichtlich Grundrisstypologie und Atmosphäre vermisst. Der Neubau bezieht sich in seiner volumetrischen und formalen Gestalt auf die Bestandsbauten und sucht in seinem Erscheinungsbild eine Verwandtschaft. Diese analoge Strategie ist konzeptionell nachvollziehbar, vermag jedoch nicht in allen Bereichen zu überzeugen. Die schlüssig komponierte Holzfassade spiegelt das klare konstruktive Prinzip wider, ist jedoch im Übergang zum Betonsockel wie zum Dach etwas zufällig. Der Sockel wird mit vorfabrizierten Betonelementen verkleidet und obwohl das Fugenbild gut auf die Holzfassade abgestimmt ist, wirken die vorfabrizierten Elemente des Sockels in Kontext der Appenzellerhäuser fremd. Das gewählte Kaltdach garantiert ein angenehmes Raumklima, jedoch wird die Chance verpasst den Dachraum räumlich erlebbar zu machen. Der Projektvorschlag überzeugt mit seiner klaren Absicht das bauliche Ensemble weiterzubauen. Die einfache und klare Figur wurde mit viel Sorgfalt entwickelt, jedoch verliert sich der Entwurf zu sehr in Analogien und findet keine wirklich überzeugende Antwort auf die heutigen Bedürfnisse eines zeitgemässen Klinikbetriebes.