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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2021

Sanierung Rathaus-Neubau in Braunschweig

1. Preis

Giesler Architekten

Architektur

IGH Ingenieurbüro Giesler Technische Gebäudeausrüstung

TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

ANLASS: Mit der geplanten Sanierung des in den Jahren 1969 bis 1971 errichteten Rathaus-Neubaus bietet sich der Stadt Braunschweig die große Chance einer innerstädtischen urbanen Heilung. Neben den erkannten baulichen und energetischen Mängeln, wurden vor allem funktionale und erschließungstechnische Defizite der gegenwärtigen Situation zwischen Langer Hof und Bohlweg befunden. Mit der städtebaulichen Neupositionierung des Gebäudes sollen diese Defizite gelindert und Braunschweigs prominentester Adresse ein neuer, öffentlicher und moderner Charakter gegeben werden. Die formale Abtrennung zwischen Rathausnutzung und kommerzieller, bzw. erdgeschossiger Arkade, wie auch die Ausformulierung des unauffälligen Eingangs am Bohlweg verstärken die gegenwärtig kontrovers anmutende Zugehörigkeit des Rathaus-Neubaus. Während die Arkade, samt angeordneter Ladeneinheiten, ihre Primärausrichtung zum Bohlweg wie auch Langen Hof genießt, scheint der Verwaltungsbau allumseitig Rückseiten zu generieren und sich ausschließlich als Erweiterungsfläche des Altbaus zu verstehen.
STÄDTEBAULICHES KONZEPT: Es wird eine Umdeutung vom heutigen introvertierten Verwaltungsgebäude zu einem offenen Bürgerhaus vorgeschlagen. Hierzu soll das Technik- und Lagergeschoss im zweiten Obergeschoss geöffnet werden und die Decke zum 3. Obergeschoss entfallen. Oberhalb des städtischen „Treibens“ von Bohlweg und Langer Hof erstreckt sich die neue Bürgerhalle. In der Rolle als Schaufensters der Stadt werden hier alle öffentlichen Funktionen des Rathauses untergebracht. Das einstige opake Archivgeschoss im zweiten OG weicht einer einladenden, einhüftig doppelgeschossigen Wandelhalle. Die optisch den Zugang zum Platz der deutschen Einheit eher verschließende „Verwaltungsscheibe“ wird als neues städtebauliches Gelenk ausformuliert. Um eine Achse verkürzt, kommuniziert ein neuer Hochpunkt zum einen die Zugehörigkeit zum Altbau und zum anderen eine verstärkte Sichtachse vom Schlossbrunnen auf Rathausturm und Dom. Die Verlängerung der Fassadenflucht des Schlosscarrees und der großzügige Stadtbalkon werten den Zugang in die Innenstadt und zum Platz der deutschen Einheit auf. Südlich zum Langer Hof bietet der neue "Ratskeller" im zweiten Obergeschoss eine Anlauf- und Kommunikationsstelle für Mitarbeiter und Bürger.
ERSCHLIESSUNG: Entgegen der heutigen eher abweisenden Eingangssituation erhält das neue Rathaus einen repräsentativen Eingang mit weitreichender Strahlkraft. Hierzu wird am Bohlweg ein zweigeschossiges Eingangsportal in die bestehende Arkade „hineingestanzt“ und generiert somit einen neuen erlebbaren Raum für die Öffentlichkeit. Sichtbeziehungen in den im 1. OG gelegenen Netzwerkflächen suggerieren den Eindruck, dass man sich bereits „mitten im Rathaus“ befindet. Der atmosphärische Wechsel zwischen dunkler Arkade und zweigeschossigen Eingang erzeugen zudem Öffentlichkeit und Aufenthaltsqualität - auch für Passanten und Flanierende. Im Inneren der Eingangshalle beginnt der neue öffentliche Raumfluss hinauf bis in die Bürgerhalle. Entlang einer neuen, skulpturalen, vertikalen Erschließung eröffnet die großzügig nach Westen geöffnete Glasfassade Blickbeziehungen zum Altbau. Der vertikale Sog wird verstärkt durch die sich aufweitende Wendeltreppe im Erdgeschoss.
BÜRGERHALLE: In der Bürgerhalle angelangt, öffnet sich der Blick über Bohlweg und Schlossvorplatz, bzw. Hagenmarkt mit Katharinenkirche. Die innenräumliche Kolonnade bietet Raum für Veran- staltungen, Ausstellungen, Lesungen oder Begegnungen. Angliedernd sind Beratungsräume des 2nd Level Supports, Aufenthaltsflächen und Sitznischen orientiert. Die Galerieebene bietet zusätzliche Räumlichkeiten für Beratungen und Meetings unterschiedlichster Themen. Ihren Abschluss findet die Bürgerhalle auf dem Stadtbalkon, unterhalb des neuen städtebaulichen Hochpunkts. Dieser bietet Fläche für Veranstaltungen, Aufstiegsfeiern, Außengastronomie und vielem mehr. Die Positionierung des neuen „Ratskellers" im 2. OG generiert den Austausch zwischen Alt- und Neubau.
SICHERHEITSKONZEPT: Da sich die Besucher des neuen Rathauses lediglich in der öffentlichen Bürgerebene bewegen sollen, sind die täglich genutzten Beratungsräume in der Bürgerhalle angeordnet. Über den neuen Aufzug und der Wendeltreppe im Erdgeschoss können die Besucher diese Räume aufsuchen. In den oberen Büroetagen der Mitarbeiter (4.– 9. OG) gibt es die Möglichkeit, die dort angeordneten zusätzlichen Besprechungslounges auch als Bürofläche zu nutzen, um die Besucherströme ausschließlich in die Bürgerhalle zu lenken. Hierfür können die im 3. Obergeschoss als separat buchbare Besprechungsräume (Besprechungswunder) als Alternativflächen dienen.
VERWALTUNG: Flexible Grundrissstrukturen ermöglichen Bürovariationen wie Open Spaces, Kombizonen, Ruheräume, Meetingpoints, Thinktanks und Besprechungsräume denkbar. Die Gebäudefugen tragen als begrünte Räume des ''Ankommens'' zu den verschiedenen atmosphärischen Raumeindrücken bei. Die Dachflächen und Staffeln dienen als Ruhezonen, Pausenflächen und Freiluftbüros. Über den Dächern der Stadt sind interne Angebote wie Yogakurse oder auch Bienenstöcke denkbar. ARCHITEKTUR: Die Architektur des neuen Braunschweiger Rathaus-Neubaus steht für eine moderne Interpretation eines öffentlichen Hauses für die Braunschweiger Bürger und eine zeitgemäße Organisation von Arbeitsplätzen und Arbeitswelten. Gleichwohl zitiert die Fassadengestaltung die ursprüngliche Erscheinung. Angestrebt wird eine wertige Ausführung unter ausgewählter Verwendung authentischer und nachhaltiger Materialien – eine Metallfassade ist vorgesehen.
ZUKUNFTSMUSIK: Eine weitere verkehrliche Beruhigung des Bohlwegs ermöglicht eine schrittwiese Weiterentwicklung des neuen Konzepts. Durch eine Verringerung um eine Fahrbahn könnten Fuß und Radweg verlegt werden. Die dunkle, eingeschossige Arkade könnte vollständig verschlossen und die Flächen den Geschäften zugeschlagen werden. Eine Realisierung großzügiger Freitreppen an Nord und Südende des Stadtbalkons bietet die Möglichkeit, die „drei klassischen Rathauselemente“ zu vervollständigen. Neben dem Rathausbalkon und der Rathausuhr, angebracht an dem neuen städtischen Hochpunkt, schaffen die Freitreppen einen einladenden Zugang zur Bürgerebene. Dieser Bürgerloop verbindet den Mittelpunkt der Stadt – vom Schlossplatz und Langer Hof bis hin zum Steinweg und dem Hagenmarkt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf greift die grundsätzliche Struktur und Kubatur des Bestands auf und beruhigt ihn durch Angleichen der Geschossigkeit, wobei gleichzeitig an den Gebäudeecken eine deutliche Akzentuierung durch einen Konferenzraum geschaffen wird. Dieser wird in der Jury lebhaft diskutiert. Es fällt angenehm auf, dass die horizontale Bänderung des Bestands aufgegriffen wird, aber erkennbar an Leichtigkeit gewinnt. Positiv wird auch der „Stadtbalkon“ über dem 1. OG am Langen Hof gesehen, der eine attraktive öffentliche Begehbarkeit in der dritten Dimension er-möglicht. Diese Vorzone mündet schlüssig in eine großzügige Wandelhalle (Bürgerhalle) mit Möglichkeiten für vielfältige Bürgerkontakte. Die Flächen der Rathauskolonnade werden hingegen den Läden zugeschlagen, so dass mit dem zugehörigen 1. OG eine einheitliche Fassadenzone als Sockel entstehen kann. Wie die Fußgängerströme nach Entfall der Kolonnaden aufgefangen werden, ist im Weiteren zu klä-ren; sie machen Eingriffe in die jetzige Verkehrsstruktur des Bohlwegs erforderlich. Die Verteilerebene der Bürgerhalle ist mit einem weiter geöffneten Eingangsfoyer am Bohlweg verbunden. Das Zwischengeschoss bleibt teilweise erhalten, so dass ein attraktiver Mix aus niedrigen Raumzonen, Lufträumen und der alles bestimmenden Bürgerhalle entsteht. Die di-rekt am Stadtbalkon angedockte Gastronomie belebt die Eingangszone dieses Bürgerrathauses und vernäht im Sommer innen und außen. Die funktionale Umsetzbarkeit verschiedener Bürokonzepte in den Verwaltungsetagen ist belegt. Die Herausarbeitung von Sonderflächenwie Netzwerkflächen ist hingegen noch weiter zu stärken. Es wird kein ganzheitliches, funktionierendes TGA-Konzept aufgezeigt. Maßnahmen zur Sicherstellung der thermischen Behaglichkeit im Sommer-/ Winterfall sind nicht dargestellt, lediglich eine Spitzenlastkühlung über die RLT-Anlage.