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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2021

Erweiterungsbau, Umbau und Sanierung Himbeerpalast für das Geisteswissenschaftliche Zentrum der FAU Erlangen-Nürnberg

Anerkennung

Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner

Architektur

BEM : Burkhardt | Engelmayer | Mendel Landschaftsarchitekten Stadtplaner Partnerschaft mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Architektur
Das neue „geisteswissentschaftliche Zentrum“ der Friedrich-Alexander-Universität soll im sogenannten Himbeerpalast seinen neuen Standort erhalten. Das geforderte Raumprogramm übersteigt das vorhandene Flächenangebot der Bestandsgebäude und soll mit einer Bibliothek erweitert werden.
Vorliegender Entwurf erhält den historischen Altbau in seiner Grundstruktur und ordnet ihn neu mit allen geforderten Büro- und Seminarräumen. Die neue Bibliothek in Form eines neutralen Quadrates besetzt den Innenhof und bietet hier den gewünschten Platzt für die Bücherlagerung. Kreuzförmig führen Verbindungsstege in den Altbau und aktivieren hier neue Lese- und Arbeitsbereiche für die Bibliothek. Mulitfunktional nutzbare Schalträume liegen zwischen den Bereichen. Die Bibliothek „aktiviert“ somit alle vier Flügel des Bestandes und kann doch über nur einen zentralen Eingang kontrolliert werden.
Ein neuer großzügiger Eingangsbereich in vorderen, offenen Hof bildet das Pendant zur Bibliothek. Die neue Erschließung erfolgt „magistralenartig“ von hier aus in den neuen Seminar- und Hörsaaltrakt im Zentrum, die Mensa im Kopfbereich und die Bibliothek im Innenhof. Die zahlreichen historischen Treppenhäuser übernehmen die unabhängige Erschließung der Büro- und Arbeitsräume.

Freianlagen
Die Umnutzung und Sanierung des Himbeerpalasts führen zu einer Neuaufteilung der Freianlagen. Diese gliedern sich in vier Bereiche mit verschiedenen Atmosphären und Aufenthaltsqualitäten.
Der neue Haupteingang befindet sich an der Sieboldstraße. Der neu geöffnete Eingangshof an dieser Stelle lässt verschiedenste Nutzungen durch die Studierenden zu. Das ehemalige Pförtnerhäuschen wird zum Studentenkiosk umfunktioniert und zahlreiche Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen ein. Durch die Fortführung der Platzfläche über die zukünftig verkehrsberuhigte Sieboldstraße hinweg wird der Hauptzugang schon von weitem kenntlich gemacht.
Ein ruhiges, meditatives Umfeld für den Neubau der Bibliothek bildet der grüne Bibliotheksgarten mit seinen Rasenflächen und Kiefernbäumen. Dieser bietet nicht nur für die Nutzer der Bibliothek einen attraktiven Ausblick aus dem Inneren der Gebäude heraus. Durch verschiedene Ausgänge, sowohl im Bestand als auch im Neubau ist der Garten auch für Studierende und Mitarbeiter:innen zugänglich und nutzbar. Die befestigten Flächen unter den Gebäudebrücken sind mit mobilen Sitzgelegenheiten ausgestattet und bieten überdachte Aufenthaltsräume. Diese Außenräume werden durch den Dachgarten auf dem neuen Bibliotheksbau ergänzt, welcher besonders durch den Ausblick über die Stadt beeindruckt.
Der Außenbereich der neu entstandenen Mensateria ist geprägt durch die markante Form des Eingangsbauwerks, aber auch durch die Verkehrsbelastung der Werner-von-Siemens-Straße. Durch Absenken des Freisitzbereichs der Mensateria entsteht ein geschützter Bereich, welcher durch Vegetation und eine angrenzende Sitzmauer zusätzlich vom Straßenlärm abgeschirmt wird. Zudem dient die so geschaffene Senke im Falle von Starkregenereignissen als Wasserrückstaubecken. Gerahmt wird der neu gestaltete Platz durch ein Fortführen der Baumreihen entlang der Werner-von-Siemens-Straße.
Im Nordosten des Areals, entlang der Werner-von-Siemens-Straße werden die bestehenden Grünflächen durch Retentions- und Ausgleichsflächen ergänzt. So kann ein wertvoller Beitrag sowohl zur Klimaanpassung als auch zur Artenvielfalt geleistet werden. Die Vegetation dieses wechselfeuchten Standorts hebt sich zudem von den restlichen Grünflächen ab und bildet so einen attraktiven Vordergrund für das Gebäude. Hier befinden sich auch die großflächigen, überdachten Fahrradstellplätze. Weitere Fahrradstellplätze sind dezentral an den verschiedenen Eingängen verortet.
Sowohl Bestands- als auch Neubauten und Nebengebäude sind – soweit wie möglich - mit Gründächern ausgestattet. Zudem ist bei den Nebengebäuden eine Eingrünung mit Kletterpflanzen und Rankern vorgesehen, was sich positiv auf Mikroklima und Wohlbefinden der Nutzer:innen auswirkt.
Alle markanten und raumprägenden Bäume wurden weitestgehend erhalten. Wo dies aufgrund der baulichen Veränderungen nicht möglich war, wurden dafür Neupflanzungen vorgesehen.

Tragwerk
Unter Berücksichtigung des Bestandes und der minimalistischen Bauweise aus der Errichtungszeit, sieht der Entwurf einen Neubau als Nachverdichtung im nördlichen Innenhof vor. Dadurch ist es möglich, das geforderte Raumprogramm sinnvoll unter zu bringen und gleichzeitig jene Nutzungseinheiten mit hohen Flächenlasten (z.B. Bibliothek und Vorlesungsräume) aus dem Bestand herauszulösen und aufwändige Eingriffe und Verstärkungsmaßnahmen im Bestand zu vermeiden. Die künftige zentrale Bibliothek ist somit auch zentral verortet und ermöglicht in allen unterschiedlichen Ebenen wertvolle Verbindungen zum Bestand.
Der nachhaltigste Ansatz liegt bereits in der Erkenntnis und Absicht, den Bestand zu erhalten und diesen weiterhin zu nutzen ohne große Eingriffe vornehmen zu müssen. Um auch mit dem Neubau im Maßstab der Nachhaltigkeit zu bleiben, soll dieser als Holz-Beton-Hybrid umgesetzt werden. In einem Raster von ca. 7 x 7 m spannen schlanke Holz-Beton-Verbunddecken (HBV) und lasten dabei auf vorgespannte knapp 50cm hohe Betonunterzüge ab, welche wiederum über im Werk bereits eingelegte Schlitzbleche in Holzstützen aus Baubuche einbinden. Das Bild der großformatigen Kassettendecke wird sowohl aus dem Bestand, dem Innenhof und der Bibliothek selbst wahrgenommen. Die Hybridbauweise ermöglicht eine Anpassung an die Geschoss- und Konstruktionshöhen im Bestand an. Die knapp 1.300m² großen Geschosse können nahezu zu 100% im Werk vorgefertigt werden und mittels konventionellen Baukran vor Ort aufgebaut werden. Die verhältnismäßig geringen Anteile an Beton des Aufzugskerns und der Verbunddecken, kann ebenfalls mittel Kran oder Pumpen eingebracht werden. Jeweils um ein Geschoss versetzt werden kontinuierlich die Fassadenelemente geschossweise eingebaut, um auch während der Bauzeit einen möglichst hohen Witterungsschutz zu erfüllen. Je nach Länge der Verbindungsbrücken zwischen Bestand und Neubau, entstehen geschosshohe, aufgelöste Tragsysteme in Form von Betonfachwerkträgern oder Vierendeelträgern. Dadurch können sowohl die hohen Nutzlasten als auch der geforderte Brandschutz, sowie die Ansprüche an das Schwingverhalten und Behaglichkeit der Geschossdecken und Verbindungsstege gewährleistet werden.
Bei der gewählten Bauweise kann von einem wöchentlichen Baufortschritt im Holzbau von ca. 750m² pro Geschoss und mehr ausgegangen werden.