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Einladungswettbewerb | 10/2021

Neues Begegnungszentrum Osterholz-Scharmbeck

2. Preis

Hilmes Lamprecht Architekten BDA

Architektur

Erläuterungstext

Entwurfsidee

Städtebauliche Leitidee
Das neue Haus der Begegnung entwickelt klare Kanten entlang der Straßen und erhält durch seinen Einschnitt eine dynamische Form zum Kirchplatz mit Ausrichtung zur Kirche. Verstärkt durch die Dachfaltung, die von der Kleinteiligkeit bis in die Großform geführt wird, macht den Ort unverwechselbar und besonders, ohne dabei die Kirche in Ihrer Kraft und Mitte zu stören.
Zum Landschaftsraum in Richtung Teichanlage werden die schräg geschnittenen Formen weitergeführt sowie intensiviert und bilden dadurch klar zu geordnete Freiräume. Eine in Maßstab und Ausprägung charaktervolles sowie maßstäbliches zweigeschossiges Gebäude antwortet auf die jeweiligen städtebaulichen Situationen und komponiert eine neue Silhouette mit Respekt.

Architektur
Durch die besondere Konfiguration antwortet die Gebäudehülle mit einer sehr ruhigen klar ablesbaren Fassadenstruktur aus Lochfenstern und großen lisenenartigen Glaselementen, die bewusst dort gesetzt werden, wo besondere Gemeinschaftsbereiche und Vorzonen liegen.
Die äußere Dynamik setzt sich innen fort. Durch wechselnde Einbundflure mit Blick zum Kirchplatz bzw. in den Landschaftsraum entstehen eigenständige Raumcluster, die in sich funktional zugeordnet sind. So bildet der Veranstaltungsbereich das Zentrum mit Foyer und erweitert den Bereich durch den offenen Treff und das Café zum Kirchplatz.
Das Haus der Begegnung ist auch ein Haus der Bewegung. Die Niveauunterschiede werden barrierefrei durch leicht geneigte Wege in die Architektur integriert und so Bestandteil der fließenden Bewegungen im Hause. Durch die Ein-und Ausblicke, durch offene und geschlossene Flächen entsteht eine fein abgestimmte Gebäudekomposition und Ablesbarkeit.

Material
Ein roter Mauerwerksziegel (Wasserstrich) bildet die Basis des Begenungszentrums zu den relevanten historischen Gebäudebezügen. Backstein, Glas, Holz, Metall, aber auch Begrünungen lockern die Bauweisen auf und nehmen die Leitmotive der vorhandenen historischen Gebäude auf. Alle Materialien verschreiben sich der Langlebigkeit und Nachhaltigkeit. Für wenige Teilbereiche der Fassaden zugewandte Außenwände werden vertikalverschalte lasierte Holzkonstruktionen gewählt, um den Fassaden eine warme Atmosphäre zu verleihen. Die gewählten Materialien sind nicht nur aus natürlichen Baustoffen hergestellt, sie lassen sich auch erstklassig in den Kreislauf zurückzuführen und weiterverwerten. Die Loch-Fenster erhalten eine Aluminiumholzkonstruktion. Die großen Fensterelemente sind als Pfosten-Riegelkonstruktion aus Leim-Holz-Lisenen angedacht. Das Dachfaltwerk erhält eine extensive Dachbegrünung welche Regenwasser speichert.

Erschließung I Barrierefreiheit
Das neue Begegnungszentrum verfügt über ein offenes Treppenhaus mit Aufzug im Foyerbereich sowie über ein weiteres abgetrenntes Treppenhaus mit Aufzug im Bereich des Mehrgenerationenhauses. Die horizontale Barrierefreiheit wird über leicht fließende und integrierte Rampenabschnitte hergestellt. Zwei unabhängige Erschließungskerne bedienen ebenfalls die unterschiedlichen Besucherströme zwischen den Arbeitsbereichen, den Veranstaltungsräumen und den Sitzungsbereichen. Alle Räume werden schwellenlos in den Freibereich geführt.

Gebäudetypologien und Funktionsverteilung
Das Herzstück des Hauses bildet der große Veranstaltungsraum (teilbar), der verschiedenene Nutzungen zulässt (Konzerte, Theater, Feiern, Vorträge etc.) und eine schöne Freiterrasse in den Garten erhält. Fließend am Eingang verbindet sich dieser mit dem Offenen Treff mit Blick und Café auf den Kirchplatz sowie dem Foyer. Die Ecklage belebt den Außenraum des Platzes. Der Hausmeister liegt an der inneren Wegeachse und dient als Ansprechperson für alle. Die notwendigen Nebenräume (Stuhllager / WC Küche liegen in direkter Umgebung. Der Jugendgruppenraum und Kita Räume liegen mit Terrasse zur Gartenanlage. Im OG liegen alle Sitzungsräume mit Nebenanlagen. Eine überdachte Loggia mit direktem Zugang in den Garten bietet ein attraktives weiteres Angebot im Außenraum.
Der offene Verbindungsbereich mit Lufträumen, Rampe, Treppe und Aufzug symbolisiert Offenheit Dynamik und Verbindung. Am 2. Treppenhaus liegen alle Bereiche der Diakonie und des Jugendbereiches zusammen, jeweils zugeordnet zu den Nutzungsbereichen: Veranstaltung/Sitzungsräume und Küchenbereiche. Der Andachtsraum wird über die Freitreppe in das Obergeschoss auch direkt erreicht. Durch das hoch gestellte Schlitzfenster blickt dieser in Richtung Kirche.
Im Dachgeschoss befinden die Technikräume (Lüftungszentrale).

Umnutzungsfähigkeit
Besonders der Gebäudeteil im Nordosten kann durch das zentral abtrennbare Treppenhaus zwei eigene Nutzungseinheiten je Ebene bedienen, welches an Dritte vermietet werden könnte, ohne das Begegnungszentrum dabei zu stören.

Brandschutz I Entfluchtung
Das als Sonderbau deklarierte Gebäude verfügt über nur zwei Geschosse. Im EG werden jeweils drei Nutzungseinheiten bis zu 400 qm gebildet, die über zwei unabhängige Rettungswege ins Freie verfügen. Im mittigen Bereich der Veranstaltungen und dem offenen Treppenraum über zwei Geschosse führen jeweils zwei unabhängige Rettungswege in andere Brandabschnitte bzw. direkt ins Freie.
Eine Nutzungseinheit (Diakonie etc.) im Nordosten verfügt über einen baulichen Rettungsweg. Der zweite Rettungsweg kann wegen der Nutzung über Fenster erfolgen (Anleitern).

Freiraumkonzept
Die Freiräume gliedern sich in einerseits landschaftlich lebendige Terrassenplätze mit Sitzgelegenheiten und Gartenbereiche unterschiedlicher Ausprägungen.
Der Kita Garten ist eingefriedet. Neben den begrünten Zonen wird auch eine Retentionsmulde angeboten, die einen weiteren Erlebnisbereich schafft (Matschstraße).
Zu den Straßen bilden sich klar geschnittene Raumkanten mit Kleinpflaster unterschiedlicher Größe. Der Kirchplatz definiert neben Sitzgelegenheiten mit Café eine klare Form und belebt über ein Wasserspiel den öffentlichen Raum. Zur Stärkung des seitlichen Kircheneinganges entsteht eine mit grünen Hecken- und Rasenstreifen durchzogene vielschichtige Freifläche mit Alkovensitzbänken und Blühbeeten, die zum Klönschnack einladen.
Zahlreiche Fahrradstellplätze werden angeboten. Ein barrierefreier PKW- Stellplatz liegt integriert unter Bäumen am Jennerscher Garten. Die Anlieferung der Küche erfolgt von Nordosten.

Energie + Retention
Begrünte Dachlandschaften auf flach geneigten Dächern werden als Retentionsdach ausgebildet. Durch den hohen Grünanteil wird neben der Rückhaltung auch die flächige Verdunstung ermöglicht, welches das Stadtklima positiv beeinflusst. Das überschüssige Regenwasser kann in einer Sickermulde im Gartenbereich gespeichert werden. Die flachgeneigten Dächer könnten großflächige Auslegung mit Photovoltaikfeldern aufnehmen.

Wärmeschutz I sommerlicher Wärmeschutz
Die in KFW 40 angedachte Bauweise wird durch duchdacht bemessene Fensteröffnungen erreicht (max. 35 % der Gebäudehülle je Himmelsrichtung). Der zweischalige Wandaufbau erhält eine mineralische Kerndämmung gem. Berechnung mit einem geschnittenen Verblendriemchen aus Wasserstrichziegeln. Die Fenster sind hochwärmeeffizient mit eine 3-fach-Verglasung ausgestattet und können größtenteils händisch geöffnet werden. Eine integrierte Raffstoreanlage
an Einzelfenstern sorgt für Verschattung an den besonnten Bereichen. Die großen Fensteröffnungen zu den Sonnenseiten erhalten Sonnennschutzglas mit integrierter Verschattung im Scheibenzwischenraum.

Nachhaltigkeit
Das entstehende Begegnungszentrum erhält eine besonders hohe Aufenthaltsqualität durch die direkte Nähe zum Kirchplatz und zum Landschaftsraum sowie allen wichtigen Angeboten. Trotz der innerstädtischen Lage ist das Quartier verkehrsberuhigt und kann seine Außenräume sinnvoll nutzen. Die Integration verschiedenster Menschen und Bedürfnisse wird vorbildlich in diesem Gebäudekonzept integriert.
Die Ausgestaltung der Baukörper in Ziegelstein, Glas und Holz, sowie begrünten Dächer (Retention), dienen der Nachhaltigkeit im Sinne der Recyclebarkeit und Langlebigkeit sowie einer hohen städtebaulichen und gestalterischen Nutzungsqualität.

Wirtschaftlichkeit
Die Konfiguation des Gebäudes ist so gewählt, dass architektonische Qualität, Wärmeschutz, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen.
Der zweischalige Wandaufbau etwa verbindet den Anspruch an eine wertige, wartungsarme Fassade mit einer wirtschaftlich gut darstellbaren Bauweise.
Die Möglichkeit der natürlichen Belüftung mindert die Kosten bei der Errichtung (technikarme Bauweise) und im Nutzungszyklus (energiesparender Betrieb).
Wandöffnungen sind lediglich in zwei sich wiederholenden Typologien geplant: Pfosten-Riegel-Elemente und abmessungsgleiche Lochfenster. Der Wiederholungsfaktor beeinflusst die Wirtschaftlichkeit positiv.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Neubau präsentiert sich in einer Großform, die alle unterschiedlichen Nutzungen in einem Gebäude zusammenfasst. Das Gebäude bildet eine klare zweigeschossige Gebäudekante zum Kirchplatz. Die Trauflinie variiert durch unterschiedliche Dachneigungen und schafft dadurch Akzente und eine subtile Gliederung des Baukörpers als Reaktion auf die kleinteilige Nachbarschaft.

Die Grundrisse sind gut organisiert. Durch die Faltung im Bereich des Eingangs wird stadträumlich eine deutlich erkennbare Adresse zum Platz definiert. Die barrierefreie Erschließung wird über zwei, in der Höhe versetzte, Eingänge plausibel geregelt. Der Ausgleich der Höhendifferenz findet im Haus über eine interne Rampe statt. Über das gemeinsame Foyer gelangt man in den angrenzenden großen Saal, der von Norden gut belichtet ist, wie auch in den „offenen Treff“, der sich zum Kirchplatz orientiert und somit die städtebaulich bedeutsame Ecke an der Kirchstraße sinnvoll besetzt.

Die Kita ist funktional richtig im östlichen Gebäudeflügel angeordnet und intern über einen gut belichteten Flur erreichbar. Die geforderte Abgeschlossenheit der einzelnen Funktionen und deren Zugangsbeschränkungen scheinen gut umsetzbar. Im Obergeschoss wechselt die Grundrissorganisation allerdings zu einem zweihüftigen Flur und generiert dadurch lange unbelichtete Zonen mit geringer Raumqualität. Positiv bewertet wird die Außentreppe, die vom ersten Obergeschoss eine zusätzliche Anbindung an den rückwärtigen Gartenbereich bietet.

Die äußeren Erscheinung des Entwurfs als offenes, einladendes Gebäude wird seitens der Nutzer positiv bewertet. Die Fassade zum Platz wird jedoch aufgrund der Vielzahl von Fensterformaten kontrovers diskutiert - sie lässt den Haupteingang trotz der gut ausgebildeten Geste im Grundriss nur schwer erkennen. Die Anbindung an die Willehadi-Kirche funktioniert sehr gut über den neugestalteten Platz.

Insgesamt stellt der Entwurf eine sehr gelungene Lösung für die vielfältigen Anforderungen des neuen Begegnungszentrum in Osterholz-Scharmbeck dar.

Das Thema Nachhaltigkeit und Energie müsste insgesamt stärker berücksichtigt werden. Es fehlt eine Erläuterung wie der vom Auslober angestrebte Energiestandard EG 40 / EE 55 erreicht werden soll. Außerdem wurden die Themen Baubiologie, Umweltverträglichkeit und Recyclingfähigkeit in Bezug auf die einzusetzenden Baustoffe nur wenig behandelt.
Abgabeplan 01

Abgabeplan 01

Abgabeplan 02

Abgabeplan 02

Abgabeplan 02

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