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Award / Auszeichnung | 11/2021

BDA PREIS BERLIN 2021

Hotel Wilmina

DE-10627 Berlin, Kantstraße 79

ein 1. Preis

GRÜNTUCH ERNST ARCHITEKTEN

Architektur

Wilmina GmbH

Bauherren

atelier le balto

Landschaftsarchitektur

Büro Christian Meyer Garten- und Bepflanzungsplanung

Landschaftsarchitektur

GTB – Berlin Gesellschaft für Technik am Bau mbH

Tragwerksplanung

Ingenieurbüro Weltzer

TGA-Fachplanung

Patricia Parinejad

Fotografie

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Tourismus, Gastronomie

  • Projektgröße:

    3.530m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 04/2022

Projektbeschreibung

Das Hotel Wilmina mit dem Restaurant Lovis im ehemaligen Frauengefängnis Charlottenburg ist Teil eines denkmalgeschützten Ensembles aus dem 19. Jahrhundert. Hinter ineinanderfließenden Höfen und üppigen Gärten verborgen, wurde das Gebäude im sensiblen Dialog mit den vorhandenen Räumen und Spuren früherer Nutzung behutsam in einen kontemplativen Rückzugsort mitten in Berlin transformiert.

Um die Balance zwischen historischer Konservierung und wandlungsfähiger Wiederbelebung zu halten, erforderte es eine Auseinandersetzung mit der materiellen und kulturellen Substanz. Durch sensible Interventionen mit gezielten Öffnungen, Aufbauten, Überlagerungen, Verschiebungen und Durchdringungen wurden die bestehenden Strukturen erweitert und neu programmiert.

Den vier Bestandsebenen wurde ein neues Penthouse-Geschoss hinzugefügt und im Zellentrakt jeweils mehrere der ehemaligen Gefängniszellen verbunden zu komfortablen Hotelzimmern. Um mehr Tageslicht in die Zimmer hereinzulassen und einen Ausblick in den Hof zu gewähren, wurden die Maueröffnungen der kleinen, hoch liegenden Zellenfenster erweitert und zugleich die schweren Natursteinbänke nach unten versetzt. Die prägenden Gitter im oberen Fensterteil blieben erhalten.

Der ehemalige Schleusenhof wurde überdacht und als Restaurant gestaltet. Die vorgefundene urbane Wildnis im zentralen Hof wurde durch einen angelegten Staudengarten auf den jahrzehntelang versiegelten Flächen bis an die Umfassungsmauer erweitert. Erschlossen wird das Restaurant durch einen neuen Erweiterungsbau, der das ehemalige Gericht und Gefängnis verbindet. Dessen neue, raumbildende Mauer fügt sich ganz unbemerkt in den inzwischen üppig bewachsenen, großen Gartenhof ein. Sie besteht aus alten Ziegelsteinen, die aus den Wandöffnungen der Zellentrennwände stammen. Das Konzept zielt auf nachhaltigen Materialgebrauch und folgt der übergeordneten Strategie, im gesamten Gebäude authentische Spuren der Vergangenheit zu erhalten, um Räume für die gelebte Gegenwart zu schaffen, ohne dabei jedoch die Geschichte zu vergessen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit dem Hotelprojekt Wilmina ist Grüntuch Ernst Architekten gelungen, für ein sehr schwieriges, seit über drei Jahrzehnten leerstehendes Denkmal eine zeitgenössische Nutzung zu finden. Damit wird nicht nur der Erhalt des historischen Baukomplexes gesichert, sondern dies auch erstmals öffentlich zugänglich. Historisch relevant war das ehemalige Frauengefängnis nicht zuletzt als Stätte der Inhaftierung zahlreicher Widerstandskämpferinnen der sogenannten „Roten Kapelle“ in den Jahren 1942 – 1945.

Nachdem ein Investor sie mit einer Machbarkeitsuntersuchung beauftragt hatte, sich aber aufgrund der vielfältigen Probleme von dem Vorhaben zurückzog, entschieden sich die Architektin und Architekt, das Projekt selber zu entwickeln. Sie kauften die Immobilie und planten und realisierten in einem elf Jahre dauernden Prozess ihr Vorhaben eines Begegnungsortes mit Hotel, Restaurant und Kulturveranstaltungen. Der behutsame und sensible Umgang mit dem Bestand erforderte eine ungewöhnlich lange Entwicklung, die durch die mit der Finanzkrise einhergehenden Niedrigzinsphase ermöglicht wurde.

Die Schwierigkeit des Gebäudebestands lag nicht nur darin, dass er großteils in einem von der Straße abgetrennten inneren Hofbereich lag, sondern dass die Gefängniszellen nur über kleine Fenster auf einen eher engen Innenhof verfügten und die gesamte Raumstruktur sehr kleinteilig und verwinkelt war. Kurz um: es galt, einen sehr abweisenden, düsteren Ort in ein einladendes Gästehaus zu transformieren.

Gezielte Öffnungen der Fassade und in der Raumstruktur schufen hierfür eine Basis, die mittels strategischer baulicher Ergänzungen weiterentwickelt wurden. Das neu gesetzte Thema Natur, welches in den Außenräumen, aber auch in der Raumausstattung aufgegriffen wurde, überlagert die Geschichtlichkeit des Ortes mit einem lebensbejahenden Motiv. Das durchweg hohe Maß an Gestalt- und Designqualität besticht nicht zuletzt durch seine situative Umsetzung, die für jeden Bereich eine dieser angemessenen spezifischen Lösung findet.

Das Projekt zeigt beispielhaft, wie auch unter schwierigsten Ausgangsbedingungen Lösungen für ein Bauen im Bestand gefunden werden können. Ebenso ist es exemplarisch für die Tendenz, das Architektinnen und Architekten selber immobilienwirtschaftlich aktiv werden, um innovative Lösungen jenseits herkömmlicher Bauherrenschaften zu ermöglichen.

Prof. Philipp Oswalt, Architekt und Publizist
Hotel Wilmina, Zimmer

Hotel Wilmina, Zimmer

Hotel Wilmina, Atrium

Hotel Wilmina, Atrium

Hotel Wilmina, Penthouse-Fassade

Hotel Wilmina, Penthouse-Fassade

Hotel Wilmina, Gartenhof mit Blick ins Restaurant Lovis

Hotel Wilmina, Gartenhof mit Blick ins Restaurant Lovis

Hotel Wilmina, Restaurant Lovis

Hotel Wilmina, Restaurant Lovis

Hotel Wilmina, Atrium

Hotel Wilmina, Atrium

Hotel Wilmina, Gartenlobby

Hotel Wilmina, Gartenlobby

Zeichnungen

Zeichnungen