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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2022

Neubau Mobilitäts-Hub 4.0 und Neugestaltung Willy-Brandt-Platz in Krefeld

Perspektive

Perspektive

1. Preis

Preisgeld: 46.000 EUR

LORBER PAUL Architektur und Städtebau

Architektur

studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

LINDSCHULTE Ingenieure + Architekten

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Status Quo

Der Willy-Brandt-Platz weist in seiner derzeitigen Erscheinung, trotz seiner zentralen Rolle als Vermittler zwischen dem Südeingang des Krefelder Hauptbahnhofs und den Stadtteilen Dießem/Lehmheide, starke Defizite auf. Fehlende Platzkanten, vernachlässigte Freiflächen und die starke Präsenz von Bussen und Stellplätzen prägen den Raum. Ein evidenter Mangel an Aufenthaltsqualität überschattet das vorhandene räumliche Potenzial dieses zentralen Areals.

Städtebauliche Leitidee & Konzept

Die städtebauliche Leitidee setzt an dieser Problematik an. Durch ein mit dem Bahndamm verschmelzendes, eingeschossiges Bauvolumen wird eine klare Raumkante formuliert, welche den städtischen Raum wie selbstverständlich gliedert. Bauliche Hochpunkte akzentuieren besondere Funktionen entlang der neu definierten Stadtkante und ermöglichen eine intuitive Orientierung auch für Ortsfremde. Das Niveau des Bahndamms wird bis an die Gebäudekante herangeführt und erweitert den städtischen Erholungsraum der „Stadtterrassen“. Die „Krefelder Promenade“ wird ein Teil des Projekts und fließt organisch durch die Dachlandschaft. Die aus dem Gebäude hervortretende Spiralrampe verbindet den Willy-Brandt-Platz mit der Krefelder Promenade und bildet das Thema Radmobilität prominent in der Fassade ab. Es entsteht ein spannender Dialog zwischen dem funktionalen Busbahnhof, den öffentlichen Nutzungen im Mobilitäts-Hub und dem großzügigen Dachgarten.

Freiflächenkonzept

Zwischen Ritterstraße und dem Hauptbahnhof entsteht ein neuer zusammenhängender Freiraum. Der neu gestaltete Willy-Brandt-Platz wird somit zur neuen Adresse mitten in Krefeld. Dieser neue Freiraum wird zukünftig durch zwei Ebenen geprägt. Zum einem ist da der neu gestaltete Busbahnhof sowie der eigentliche südliche Vorplatz zum Hauptbahnhof mit allen für eine moderne Verkehrsbenutzung notwendigen Inhalte. Zum anderen wird mit der neu geschaffenen Stadtterrasse in Ergänzung zur Krefelder Promenade ein völlig andersartiger Freiraum auf der plus 1 Ebene entlang der Bahntrasse gestaltet.

Über die zentrale Achse von der Ritterstraße aus kommt man über eine Baumachse auf den eigentlichen Vorplatz des Hauptbahnhofs. Ein zentrales Wasserspiel akzentuiert den Raum und bietet insbesondere durch seine Geräuschentwicklung Ablenkung vom Grundrauschen des Verkehrs. Lockere, großkronige Bäume überstellen den Platz. Sitzbänke unter den Bäumen laden zum Verweilen ein.Der westlich angrenzende Busbahnhof wird mit Baumreihen belebt und räumlich strukturiert.Die Abgrenzung nach Süden zur Bestandswohnbebauung wird über einen großzügigen Grünstreifen geschaffen.

Der eigentliche neue Raum entsteht auf dem Dach der Fahrradstation. Der kombinierte Krefelder Rad- und Fußweg wird hier zu einem neuen Erlebnisraum erweitert.
Entlang der Promenade wird eine eigene kleine Welt geschaffen. Im westlichen Teilbereich werden Urban-Gardening Flächen angeboten. In der Mitte, direkt neben der Radfahrerspindel entsteht eine vielfältige Spiellandschaft.Das Bürogebäude erhält einen eigenen Bereich für eine Außenterrasse. Die Bepflanzung ist abwechslungsreich und zugleich robust. Zukunftsbaumarten wie Amberbaum, Sumpfeiche, Gleditsie, Ginkgo und Zelkove bieten mit ihrer Blüte und Färbung intensive florale Erlebnisse.

Die Belagsarten sind funktionell ausgelegt und in der Unterhaltung langlebig.Der Busbahnhof wird mit Asphalt befestigt. Die Gehwege und Platzflächen werden mit warmgrauem Betonsteinmaterial befestigt. Auf der Stadtterrasse prägen farbige Asphalte die befestigten Bereiche.Sämtliche Ausstattungselemente wie Sitzbänke, Papierkörbe und die Leuchten werden in Stahl in einem anthrazitfarbenen Farbton ausgeführt. Die Bänke erhalten zugunsten des Sitzkomforts eine Auflage mit europäischem Hartholz.

Mobilität & Erschließung

Der MIV wird im westlichen Bereich über die Kölner Straße in das zweigeschossige Parkhaus abgeleitet, um Verkehrskonflikte zu vermeiden und die Freiräume für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zu stärken.

Über die östliche Zufahrtsschleife Willy-Brandt-Platz werden Kiss&Ride-Stellplätze sowie die Drop-off-Zone angefahren. Der Busvorplatz bleibt dem Busverkehr vorbehalten. Neben der grundlegenden Stärkung der Fuß-, Fahrrad- und E-Mobilität – ganz im Sinne der Leitidee – leistet das umfangreiche Car-Sharing Angebot im vorderen Teil des Parkhauses sowie der ÖPNV einen weiteren wichtigen Beitrag zur Mobilitätswende. Die Geschosshöhe der unteren Ebene des Parkhauses ermöglicht zudem die Einfahrt und Aufstellung von Kleinbussen und Transportern.

Der ruhende Radverkehr konzentriert sich prominent in der zentralen Radstation. Neben den ebenerdigen, frei zugänglichen Radstellplätzen bietet das Angebot an automatisierten vertikalen Fahrradtürmen flächeneffiziente Fahrradstellplätze. Durch die gläsernen Türme fällt zusätzliches Tageslicht in die Radstation. Die eingeschossige, dadurch aber um so großzügigere, Raumhöhe lädt zur Benutzung ein, verhindert Angsträume und lässt eine einfache Orientierung zu.
Die Raumhöhe ermöglicht außerdem eine zukunftsfähige Erweiterbarkeit der Radstation durch die Installation von Doppelparkern nach niederländischem Vorbild.

Zentrales Verbindungselement zwischen den Ebenen bildet die skulpturale Erschließungsfigur. Im Zusammenspiel mit der Haupthalle des Südeingangs zeichnet sich ein Knotenpunkt für Fußgänger und Radfahrer im Kernbereich der Mobilitätsstation ab.
Parallel zur Raumkante der Mobilitätsstation gliedern sich funktional die Haltestellen der unterschiedlichen Busverkehre barrierefrei an. Pausen- und Parkpositionen lokalisieren sich im südlichen Teil des Vorplatzes, um Gefahren und Konflikte für den Fuß- und Radverkehr zu eliminieren.

Raumkonzept & Nutzungen

Im Zentrum des Raumkonzepts steht die nutzungsbasierte Aktivierung der Erdgeschosszone entlang der Fassade. Dazu werden Aufstellflächen für Fortbewegungsmittel sowie Lager- und Technikräume rückwärtig im Gebäudeinneren am Bahndamm lokalisiert, um die Stadtkante mit aktiven Nutzungen zu bespielen. Das Ergebnis ist eine funktionale Klarheit, welche die stadträumliche, aber auch die innenräumliche Qualität und Erlebbarkeit des Bauvolumens, im Zusammenspiel mit einem hohen Maß an Helligkeit und Transparenz, manifestiert.

Den westlichen Auftakt an der Kölner Straße bildet das dreigeschossige Co-Working-Office, welches die Straßenflucht aufnimmt und konzeptionell gleichermaßen die Sockelfassade sowie den Dachgarten belebt. Das rückwärtig angeschlossene Parkhaus ist ebenso über den südlichen Zugang zu erreichen wie die mit Tageslicht versorgten Personalräume für Mitarbeiter*innen der Stadtwerke und des Micro Hubs. Durch die Integration der Paketstation in die Fassade wird eine durchgängige, leicht einsehbare und sichere Zugänglichkeit gewährleistet. Logistisch sinnvoll schließt das Micro Hub an die Paketstation an. Es entstehen, durch die direkte räumliche Verbindung von Micro Hub, der Fahrradwerkstatt mit Verkaufsraum und der großen transparenten Radstation, spannende Synergieeffekte zwischen den Nutzungen.

Über die zentrale Zufahrt neben der Rampe kann die im Einbahnsystem teilautomatisierte Radstation leicht erreicht und genutzt werden. Fußgänger können ebenfalls im Auge der Rampe zentral und barrierefrei in unmittelbarer Nähe zum Südeingang des Hauptbahnhofs zwischen den Ebenen wechseln. Durch die Verwendung vertikaler Fahrradparksysteme, welche zugleich als Oberlichter fungieren, kann ein eingeschossiges großzügiges Raumkonzept mit erheblichen Gewinnen für die Raumqualität und Reserven für Erweiterbarkeit realisiert werden. Die durch die Dachflächen stoßenden, kristallinen Glasvolumen sind zugleich ein Aushängeschild für die Radstation an der Krefelder Promenade. Sie bilden ein zeitgemäßes und angemessenes Gegenstück zum Bahnhofsturm der Nordseite.

Die östlich angegliederte Vorhalle, welche den Hauptbahnhof durch einen Tunnel mit dem Willy-Brandt-Platz verbindet, organisiert sich um den zentralen Infopoint und ersetzt den bestehenden Glaspavillon. Umliegend, wirtschaftlich attraktiv gelegen, schließen sich Gewerbe und Gastronomie an die helle Halle, die auf der Höhe des Dachgartens von der Krefelder Promenade gekreuzt wird, an. Diese Nutzungen bilden den östlichen räumlichen Abschluss der Stadtkante und vervollständigen das Raumkonzept einer belebten und funktionalen Erdgeschosszone.

Konstruktion und Fassade

Konstruktiv ist der Mobilitätshub auf Effizienz und Einfachheit ausgelegt. Unter dem Aspekt der Rückbaubarkeit, beziehungsweise eines holistischen Nachhaltigkeitskonzepts wird überwiegend Holz – sowohl konstruktiv als auch für ästhetische Zwecke – verwendet.
Die vorgelagerte Schicht aus Holzlamellen in der Fassade erweitert diese zu einem raumbildenden Element und bildet frontal gesehen eine transparente Trennung. Über das rhythmische Spiel im Abstand zwischen den Lamellen ergibt sich ein lebendiges Fassadenbild. Die Struktur der Lamellen wird auch auf den geschlossenen Außenwänden abgebildet. Die sichtbaren Holzoberflächen in Fassade und Innenraum stellen ein zeitgemäßes Statement in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit dar.

Nachhaltigkeit

Ehrlichkeit und Einfachheit in Konstruktion und Material des Mobilitäts-Hubs bilden die Grundlage für ein sinnvolles und zukunftstaugliches Nachhaltigkeitskonzept. Bei der Herstellung von Gebäuden bedarf es einer hohen Energie- und Materialaufwendung, die bereits im Entwurf reduziert wurde. Im Sinne einer realistischen Kreislaufwirtschaft ist der Mobilitätshub leicht reparier- und rückbaubar.

Auch das Thema Versiegelung spielt in Bezug auf das Stadtklima sowie das Regenwassermanagement eine große Rolle. Durch den großzügigen Dachgarten wird eine angemessene und wirksame Ausgleichsfläche für den versiegelten Busbahnhof geschaffen, die neben dem Regenwassermanagement auch Biotop für Menschen, Tiere und Pflanzen ist. Eine aktive Einbindung der lokalen Bevölkerung durch urban gardening fördert zudem das lokale Umweltbewusstsein, die Gemeinschaft sowie die Identifikation mit dem Projekt. Zahlreiche neue Baumsetzungen, gerade im südlichen Bereich des Busbahnhofs, erzeugen weitere vielseitige Aufenthaltsqualitäten für Mensch und Tier im Stadtraum. Photovoltaikanlagen auf den Dachflächen der Hochpunkte decken zusätzlich Teile des Strombedarfs (Speisung E-Mobility) des Mobilitäts-Hubs ab und sind ein wichtiger Faktor mit Symbolcharakter für dezentrale Energiegewinnung im städtischen Kontext.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit nimmt eine im positiven Sinne ambivalente Haltung ein:

Einerseits wird ein eingeschossiges Volumen vorgeschlagen, das als Gebäude kaum in Erscheinung tritt und zum beiläufigen Bestandteil des Bahndamms entwickelt ist. Andererseits werden an zwei bedeutsamen Orten bauliche Akzente gesetzt, die eine Fernwirkung entwickeln und die besonderen Funktionen herausstellen. Das Ergebnis dieser überzeugenden Idee sind ein räumlich definierter, zusammenhängender Freiraum des Busbahnhofs und eine sehr attraktive Dachlandschaft.

Besonders hervorzuheben ist die bauliche Betonung des südlichen Eingangs zum Bahnhof, die richtig positioniert ist und eine weithin erkennbare Adresse bildet. Die städtebauliche Bedeutung dieser Geste wird durch die entsprechende Behandlung des Freiraumes im Entreebereich gestärkt.

Die Überhöhung an der Kölner Straße wird ebenso positiv bewertet. Durch den dort geplanten dreigeschossigen Baukörper wird der Auftakt zum Busbahnhof an dieser markanten Stelle herausgearbeitet und ein gut funktionierendes, flexibel nutzbares Gebäude für Co-Working angeboten.

Die bauliche Reduktion und Ergänzung des Bahndamms vervollständigen nicht nur die Krefelder Promenade, sondern ermöglichen zugleich die Entstehung eines großzügig bemessenen Grünraums, der für unterschiedliche Aktivitäten im Freien geeignet ist. Die fußläufigen- und Radverbindungen zwischen den beiden Ebenen sind gut eingefügt und als ein weithin erkennbares Element, das aus einer gut dimensionierten Spindel, Aufzug und Treppe besteht, mit hohem gestalterischen Anspruch herausgearbeitet.

Als schöne Idee werden die verglasten Türme der automatischen Fahrradparkierungsanlage gesehen, die in die Dachlandschaft der Promenade geschickt eingefügt sind und dieser alltäglichen Nutzung eine hochwertige architektonische Erscheinung und Signalwirkung verleihen. An dieser Stelle sind generell die sehr gute Organisation der Radstation zu erwähnen, ebenso ihre Erkennbarkeit an der Fassade und die kurzen Wege zum Bahnhofsgebäude.

Der Busbahnhof ist in seiner verkehrlichen Funktionalität mit gewissen Einschränkungen gegeben. Das differenzierte Angebot von konventionell angeordnetem Fahrradparken und den prominent platzierten Türmen ist gut gewählt. Die Rampe (Spindel) ist gut hinsichtlich ihrer Lage und Dimensionierung.

Alles in allem würdigt das Preisgericht einen Beitrag, der auf eine nachvollziehbare und überraschend entspannte Weise die komplexen Anforderungen aus Städtebau, Architektur, Freiraum und Verkehr sowohl atmosphärisch als auch funktional im hohen Maße erfüllt.

Der Entwurf bietet zweifelsohne das Potential, aus der derzeit wenig attraktiven Situation einen besonderen Ort entstehen zu lassen, der von Menschen ganz unterschiedlicher Couleurs, Interessen und Bedürfnisse gleichermaßen angenommen wird.
Lageplan 1:500

Lageplan 1:500

Perspektive

Perspektive

Lageplan

Lageplan

Grundriss

Grundriss

Leitidee

Leitidee

Konzept

Konzept

Ansicht

Ansicht

Modell

Modell