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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2022

Neugestaltung Bahnhofsvorplatz Rheinsberger Tor in Neuruppin

1. Preis

Preisgeld: 14.000 EUR

WES LandschaftsArchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Vision für Neuruppin - Der Kurzurlaubsort
Kurzurlaub in der Umgebung gewinnt unter den Stichworten „Stadtflucht“, „Stadtstress“ und neuerdings „Corona“ immer weiter an Bedeutung. Neuruppin ist hier mit seinen Wellness- (Fontane-Therme, Wellness-Resort und See) und Kulturangeboten (Fontane-Stadt, Seefestival) ideal aufgestellt. Die Aufwertung des Bahnhofsvorplatzes soll daher nicht nur den Pendelverkehr effizient abwickeln, sondern insbesondere Kurzurlauber:innen ansprechen und als attraktiver Orientierungspunkt und erster Aufenthaltsort nach dem Aussteigen dienen. Die grünen Wallanlagen rücken wieder an den Bahnhof heran. Wie zu Fontanes Zeiten haben Besucher:innen das Gefühl in einem Park auszusteigen – der Urlaub kann beginnen.

Entwurfskonzept
Stadträumlich wird der Bahnhofsvorplatz klar den Wallanlagen zugeordnet. Deren Identität stiftender, dichte Baumbestand, das grüne Blätterdach und die ikonische Topographie (Herrgottsgraben) werden zitiert und weitergeführt. In einem ersten Schritt erfolgt dies bis zur Karl-Marx-Straße, perspektivisch auch darüber hinweg, mit diversen Freianlagen entlang der hist. Stadtmauer bis zum Ruppiner See. Die Lage an der Schnittstelle zwischen Wallanlagen und Eingangstor zum historischen Stadtkern und die sich überlagernden Funktionen des Freiraumes werden genutzt, um eine eigene Identität zu schaffen. Das lineare Erschließungs-system der Wallanlagen wird, um die vielfältigen sich tlw. kreuzenden Wegebeziehungen zu berücksichtigen, zu einer platzartigen Situation aufgelockert. Der Platz wird zu einem grünen Stadt-Eingang, der dem repräsentativen Charakter des Ortes gerecht wird. Der gesamte Platz ist durch ein lockeres Raster sehr hoch aufgeasteter Bäume überstellt. Fußgänger:innen, Radfahrende, Reisende wie auch Busse und Taxen bewegen sich unter dem von schmalen Säulen getragenen, lichten Blätterdach.

Für Spaziergänger:innen…
…verstehen wir den Platz als Ergänzung einer Abfolge räumlicher Highlights entlang der Wallanlagen. Nach dem idyllischen Tempelgarten und div. Stationen an der Kommunikation lässt sich vor dem Pavillon mit einem Kaffee das städtische Treiben beobachten.

Für Tourist:innen…
.. bietet der Platz einen Empfang in Urlaubsatmosphäre mit stark durchgrünter Atmosphäre und Wasserplätschern. Die Geometrien und gezielten Setzungen lenken sanft zu den Informationsangeboten und in Richtung Stadt bzw. zur Kommunikation als attraktive Verbindung zur Therme am See.

Für Pendler:innen…
…werden kurze, direkte Verbindungen vom Bahnsteig zum ZOB möglich. Fahrradstellplätze sind strategisch an beiden Enden des Bahnsteigs angeordnet. Ein auskragendes Dach mit untergestellten Fahrradboxen sowie Fahrradständern ermöglicht die Kombination von Wetterschutz für Reisende mit allen geforderten Angeboten für Radfahrer:innen. Kleinere Dächer als Ergänzung, sowie das wiederaufgebaute, denkmalgeschützte Bahnhofs-Dach dienen als Wartebereiche. Die üppig grüne Bepflanzung in den leichten Senken nimmt Bezug auf historische Bilder des stark eingegrünten Bahnhofs. Pflanzkonzept und die abgesenkten Topographien prägen im Zusammenspiel die Identität des Ortes ohne seine Transparenz, Übersichtlichkeit und damit das Sicherheitsempfinden einzuschränken. Die breiteste Stelle des Platzes am historischen Pavillon wird durch einen Wasserspiegel, freie Sitzgelegenheiten und einer Litfaßsäule zum zentralen Treff- und Gelenkpunkt. Stadtplan und Kulturwerbung bieten Tourist:innen Orientierung; wird das Wasser abgelassen bietet sich die Gelegenheit für temporäre Installationen, Veranstaltungen und anderes mehr.

Mobilitätsraum
Trotz des hohen Grünanteils bleibt das Rheinsberger Tor ein moderner Mobilitäts-Hub: Mit Blick auf internationale Referenzen in der Schweiz und Dänemark setzt sich der Verkehrsraum für Bus und Taxi zwar im Material ab, bleibt aber in seiner Tonalität und Einordnung eindeutig Teil des Platzraumes und damit auch für Fußgänger und Fahrradfahrer frei überquerbar. Die Borde werden nur an den Haltestellen angehoben und sonst als barrierefreie Tiefborde ausgebildet.

Materialkonzept
Dem Entwurfsverständnis folgend orientieren sich die Materialien an den bestehenden Wallanlagen und der rötlichen Stadtmauer. Ein warmes Kleinsteinpflaster in ungerichtetem Verband respektiert die unterschiedlichen Bewegungsrichtungen und verleiht dem Platz Niveau und Großzügigkeit. Abseits der Bewegungsachsen wird auf eine Befestigung verzichtet und die wassergebundene Wegedecke aus den Wallanlagen aufgegriffen. Die Befestigung der befahrbaren Bereiche ist mit Blick auf die Scherkräfte in Ortbeton, mit Zuschlägen zur Angleichung an die Tonalität des Pflasters, vorgesehen.
Für die Überdachungen werden schlichte Geometrien vorgeschlagen. Stahlpfeiler und umlaufende Stahlbänder an den Dächern vermitteln Leichtigkeit und nehmen durch die leichte Spiegelung die Farben der Umgebung auf.

Karl-Marx-Straße
Historisch gesehen lag die Karl-Marx-Straße immer innerhalb der Stadtmauer. Letztere durchschnitt als Zäsur die Wallanlagen bis zum Rheinsberger Tor an der Stelle des heutigen Bürger-Bahnhofs. Durch eine leichte Verbreiterung der Fußwege wird die historische Torsituation subtil angedeutet und die Zäsur wieder deutlich ablesbar.
Durch diese konsequente Haltung wird der bereits geplante Querschnitt im Grundsatz bestätigt. Die einzige Anpassung erfolgt in der Zuordnung des Radstreifens, der, durch einen Bord geschützt, sicher an der Bushaltestelle vorbeigeführt wird. Die Straße wird dadurch schmaler. Es bilden sich ausreichend breite Wartebereiche an den Bushaltestellen. Die Querung wird durch die Mittelinsel erleichtert; auch im Sinne der angestrebten Weiterführung der Wallanlagen als Grünverbindung Richtung See und Therme. Als Material wird die Fortführung der in Mosaikpflaster eingelegten Gehwegplatten aus der Altstadt vorgeschlagen. Für Beleuchtung und Wartehäuschen werden schlichte Modelle angedacht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsidee eines „fließenden Grünraums“, der die historischen Wallanlagen mittels wohlgesetzter Baumstellungen und Vegetationsinseln mit dem neu definierten „Bahnhofsvorplatz“ und darüber hinaus, mit dem jenseits der Karl-Marx-Straße befindlichen Grünraum, organisch verzahnt strahlt eine große Selbstverständlichkeit aus.

Die funktional notwendigen Verkehrsflächen werden geschickt in den zur Verfügung stehenden Raum eingebettet, das insbesondere entlang der historischen Stadtmauer ein grünes Wiesenband entsteht, das im direkten Vergleich mit anderen Arbeiten einen entscheidenden Unterschied aufzeigt: Die Stadtmauer wird nicht zur urbanen Platzkante umdefiniert, sondern bleibt als ein begrenzendes Element im grünen Kontext lesbar. Das selbstgewählte Leitmotiv – Willkommen in den Wallanlagen – wird damit auf beste Art und Weise eingelöst.

Die für den Platzraum gewählten Materialien, in warmen Tönen changierendes Kleinsteinpflaster in der Tonalität des Pflasters eingefärbter Ortbeton sowie der locker gesetzte Baumhain, betonen die Bedeutung des Raumes als „grüne Fuge“ zwischen der historischen Altstadt und den Stadterweiterungsflächen der Gründerzeit.

Die u. a. als Entwässerungsmulden ausgebildeten Pflanzinseln können als ein Zitat der Wallgräben interpretiert werden. Im Hinblick auf eine weitere Stärkung der Entwurfsidee wäre eine weitere Vergrößerung der Muldenflächen wünschenswert.

Der nahezu mittig gelegene, zentrale Standort des überdachten Wartebereichs überzeugt auf landschaftsgestalterischer Ebene hinsichtlich Lage und Dimensionierung. Der Vorschlag dafür die noch erhaltenen Elemente der historischen Bahnsteigüberdachung zu nutzen findet Zustimmung und ist als historisches Zitat durchaus vorstellbar. Funktional wünscht sich der Auslober, insbesondere für die etwas weiter entfernten Haltestellen, einen zusätzlichen Wetterschutz.

Mit dem stimmig positionierten Wasserspiel, dem Trinkbrunnen sowie den gut ausdifferenzierten Flächen der Außengastronomie wird der insgesamt als ein sehr atmosphärischer Raum wahrgenommene Bahnhofsvorplatz hinsichtlich seiner Aufenthaltsqualitäten weiter gestärkt.

Aus denkmalpflegerischer Sicht ist die Grundhaltung der Arbeit, die historische Wallanlage als Grünraum wiedererlebbar zu machen begrüßenswert. Die Ausbildung der Flächen scheint grundsätzlich vorstellbar, ist jedoch im Detail noch abzustimmen.

Bei der Arbeit handelt es sich um einen sehr schlüssigen, in sich konsistenten sowie der Bedeutung des Ortes – die Visitenkarte Neuruppins – angemessenen Beitrag. Die Arbeit zeichnet sich durch eine hohe Nachhaltigkeit aus: vorhandener Baumbestand wird respektvoll in den Entwurf integriert, Oberflächenwasser über offene Mulden zur Versickerung bzw. Verdunstung gebracht, Folge- und Pflegekosten werden auf ein Minimum reduziert.

Die Arbeit stellt ein sehr gutes Beispiel dafür dar, wie die Ziele des Mobilitätskonzeptes mit den Zielen des Klimaschutzes sowie der Stadtreparatur vereint werden können.