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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2022

„Landratsamt der Zukunft“ in Würzburg

ein 3. Preis

Preisgeld: 15.000 EUR

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Architektur

studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Transparent und bürgernah

Städtebauliche Einbindung
Die Erweiterung des Landratsamts nimmt Bezug zur orthogonalen Baustruktur des bestehenden Landratsamts und auf die Baustruktur des städtebaulichen Umfelds des Stadtteil Frauenland mit Zeilen- und Einzelbauten.
Die heterogene Struktur des bestehenden Landratsamts mit den Häusern 1+2 und dem Bauamt wird mit einer vierten Gebäudefigur ergänzt, die in ihrer Geschossigkeit vermittelt. Entlang einer Achse von der Behrstraße / Frauenlandplatz hin zu Wittelsbacherstraße entwickelt sich der „Landratsamt Boulevard“, der nicht nur zwei wichtigen Anknüpfpunkte zum anschließenden Stadtraum verbindet, sondern auch eine klare Adressierung der Eingänge zum bestehenden Landratsamts, als auch zum Erweiterungsbau formuliert. Der Boulevard verbindet dabei zwei Höfe mit unterschiedlichem Charakter, im Westen mit Öffnung zum Stadtraum und im Osten zum Landschaftsraum.
Ein neuer repräsentativer Platzraum definiert die Eingangssituation zum Bürger-Servicezentrum im Westen am Frauenlandplatz und bildet den Auftakt in das Stadtquartier. Damit erhält das Landratsamt eine eindeutige und unverwechselbare Adresse im Stadtgefüge und ein adäquates Vorfeld, vergleichbar mit der Bedeutung, die ein Rathausplatz für die Stadt besitzt.
Das Eingangsfoyer des Servicezentrums orientiert sich konsequenterweise zu diesem Platz und zur Öffentlichkeit. Mit unserem Entwurfskonzept, der Ergänzung mit einem Einzelbaukörper mit gestaffelter Geschossigkeit und Mehrfachausrichtung entsteht eine städtebauliche Arrondierung des Bestands in das bauliche Umfeld.
Das Entwurfskonzept für die Erweiterung basiert ganz wesentlich auf der Überlegung, die Realisierung des Neubaus bei gleichzeitigem Betrieb des Bestands zu ermöglichen und die äußere Erschließung für die bestehenden Dienstgebäude zu erhalten.

Leitidee & Entwurfskonzept
Ein Gebäude ist auch immer ein Spiegelbild seiner Nutzung und seiner Umgebung. Der übergeordnete Gedanke des vorliegenden Entwurfs liegt nicht einzig in der anstehenden Planungsaufgabe, sondern in der Vision der zukünftigen, städtebaulichen Gesamtentwicklung der gegenwärtigen, amorphen städtebaulichen Situation.
Gleichwohl ist aber auch sensibel auf das vorhandene, denkmalgeschützte Landratsamt auf dem Baufeld sowie die nördlich und westlich anschließenden gewachsenen Stadtstrukturen einzugehen.
Die zukünftige Erweiterung des Landratsamtes präsentiert sich als feingliedriger Baukörper, welcher die stark volumetrische Sprache des Stadtumfeldes aufnimmt und als eine Art Überlagerung verschiedener Strukturen, bestehend aus dem außenliegenden Tragsystem, dem horizontalen Rhythmus der Geschossebenen und den innenliegenden Kernen und Treppenhäusern. wiedergibt. Wenige, dafür präzise gewählte Eingriffe gliedern den Baukörper. Diese lenken den Blick in die Tiefe und führen zu einer Entmaterialisierung des Bauwerks. Damit löst sich das neue Quartier von dem Gedanken, ein konventionelles Behördengebäude zu sein und unterstreicht seinen gesamt-skulpturalen Denkansatz. Nachts könnte dies zusätzlich durch die Beleuchtung der Gebäudeeinschnitte, Treppenhäuser und einzelner Säulenelemente hervorgehoben werden.
Ein schon an der Fassade ablesbares, lichtdurchflutetes Foyer bildet einen klar erkennbaren, repräsentativen Eingang am Frauenlandplatz und erschließt sämtliche Büroeinheiten in den folgenden Obergeschossen. Der Bürger wird fast wortwörtlich „von der Bordsteinkante abgeholt“.
Leitidee des neuen Landratsamtes der Zukunft ist die Prämisse, dass es sich gegenüber der Bevölkerung öffnet, damit nicht nur im übertragenen Sinn zur „transparenten Verwaltung“ wird, sondern tatsächlich seine Türen und Tore öffnet und die Bürger einlädt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf steht selbstbewusst als drei bis fünfgeschossiges Solitärgebäude in der nordwestlichen Grundstücksecke und ist vom Bestandsgebäude wohltuend abgesetzt. Der Baukörper ist städtebaulich nachvollziehbar platziert, um somit einen großzügigen Außenraum mit neuen Zuwegungs- und Durchquerungsmöglichkeiten zwischen dem Bestand und dem Neubau zu ermöglichen. Die Übergänge zum Straßenraum können mit der gewählten Form und Setzung des Baukörpers angemessen gestaltet werden. Die recht kompakte, in der Grundrissform eines Dreiecks gefasste, Bauform betont mit dem nördlichen, 5-geschossigen Riegel entlang der „Zu-Rhein-Straße“ eine städtebauliche Kante entlang einer untergeordneten Straße, welche gegenüber der denkmalgeschützten Kirche „Unsere liebe Frau“ allerdings zu dominant auftritt und somit deutlich über ein verträgliches Maß an Gebäudehöhe hinausgeht. Eine weit in Richtung der Behrstraße ragende Spitze der westlichen Gebäudeecke bildet mit ihrer Auskragung in den vier Obergeschossen den Haupteingang des Gebäudes aus und verdeckt in der geplanten Massivität die wertvolle Sichtbeziehung von Süden auf das benachbarte Kirchengebäude.

Durch die städtebauliche Geste des Baukörpers wird eine neue Wegebeziehung vom Haupteingang her in das Gelände nach Süd-Osten geschaffen, die in ihrer Bedeutung fraglich erscheint. Gleichwohl deutet sich hiermit die gewünschte Öffnung des halböffentlichen Raums als einladende Geste für die Besucher des Areals an.

Ein organisches Fußwegenetz bindet die Gebäudeeingänge schlüssig an den öffentlichen Raum an ohne Kollision mit der Fahrerschließung. Die dadurch entstehenden Grüninseln können verschiedenartig genutzt werden. Dies ist ein sehr flexibles Grundprinzip, mit dem auf Änderungen der Rahmenbedingungen gut reagiert werden kann, auch wenn das Prinzip eher an einen Landschaftspark als an einen Freiraum innerhalb eines von Blockrand- und Zeilenbebauung geprägten Quartiers erinnert.

Der hohe Grünflächenanteil und die Entsiegelung der vorhandenen Parkplätze entsprechen den Bedürfnissen der Nutzung und sind wohltuend, was aber andererseits die aufwendige Herstellung von Tiefgaragenstellplätzen zur Folge hat. Die Sitzmauern vor den Eingängen können sinnvoll von Wartenden genutzt werden. Ein konkretes Konzept zur Regenwasserbewirtschaftung wird vermisst.

Die ausdrucksstarke Formensprache des Entwurfs überzeugt grundsätzlich mit einer klaren Haltung, sich in der gewählten Ausformung von seiner Umgebung bewusst abzusetzen und sucht keine formale oder typologische Nähe zum Bestand. Die Schenkel des Dreiecks ermöglichen über die verschiedenen Geschossigkeiten die Nutzung der Flachdachbereiche als mikroklimatisch und optisch wertvoll gestaltbare, begrünte Flächen oder auch als begehbare Flächen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Strenge der gewählten Form setzt sich in der Gestaltung der Fassade konsequent fort. Allerdings erscheint die Fassadengestaltung mit den vertikalen und in den jeweilig in den Geschossen spielerisch verspringenden Fensteranordnungen beliebig. Sie wirkt in ihrer Materialität und gleichförmigen Strenge austauschbar und sucht den Bezug zum Ort.

Der durch die Auskragung der Obergeschosse betonte Haupteingang von Nord- Westen bedingt lange Laufwege im Gebäude, um zu den einzelnen Bereichen zu gelangen. Zudem ist die Ausrichtung des Haupteingangs nach Nord-Westen zur zukünftigen Straßenbahnhaltestelle für das Ankommen der Besucher aus der Tiefgarage wenig geeignet. Dem gegenüber erscheint die Lage des bisherigen Nebeneingangs, an dem an zentraler Stelle im Hof zum Bestandsgebäude hin der wichtige Aufgang aus der Tiefgarage erfolgt, grundsätzlich zwar sinnvoll platziert, lässt allerdings eine nachvollziehbare Orientierungsmöglichkeit im Gebäude vermissen und ist so deutlich zu klein ausgebildet.

Im Inneren lädt die Cafeteria im Mittelpunkt des Dreiecks zum Verweilen ein und bietet zudem einen gelungenen, direkten Außenraumbezug mit einer großzügigen Terrasse in den begrünten Innenhof. Die in den Regelgeschossen gut gewählten Raumanordnungen, einerseits mit Orientierung nach Außen und anderseits eher introvertiert orientiert zum zentralen Innenhof, bieten flexible Zuordnungen von Arbeitsbereichen und ermöglichen zukunftsfähige Rahmenbedingungen zur Arbeitsplatzgestaltung. Die Büroräume sind entlang den Fassaden in einem funktionalen Raster ist grundsätzlich sinnvoll gegliedert.

Die Gebäudetiefe mit einer dreibündigen Grundrissanordnung bietet eine breite Mittelzone mit der Anordnung von Fluren, verglasten oder offenen Besprechungsräumen, Treffpunkten sowie der notwendigen Nebenräume. Diese Mittelzone ist allerdings zu groß dimensioniert und bedeutet unwirtschaftlich große Verkehrsflächen, die zudem die Qualität einiger Räume deutlich einschränkt. Die Regelgeschosse sind stringent organisiert und erlauben eine gute Orientierung im Gebäude um den horizontal verglasten, zentralen Innenhof.

Eine klare Wege- und Erschließungsstruktur im Gebäudeinneren ist somit gegeben und gewährleistet darüber hinaus reizvolle Sichtbeziehungen aus dem Gebäude heraus auf das Areal und das historische Gebäudeensemble. Kritisch sind dabei sind allerdings die langen Laufwege zu vermerken, die sich innerhalb der einzelnen Ebenen ergeben. Das Raumprogramm mit den geforderten Flächen kann insgesamt in dem Entwurf gut nachgewiesen werden, liegt jedoch in den relevanten Kennziffern über dem Durchschnitt der Vergleichsarbeiten, was sich im Volumen des Baukörpers nachteilig widerspiegelt. Das gesamte Erdgeschoss beinhaltet schlüssig die öffentlichen und halböffentlichen Nutzungen für Besucher sowie die Sonderräume, bei denen flexible Raumteilungsmöglichkeiten aufgrund der gut gelösten Anordnung im Grundriss denkbar sind.

Die geplante Anbindung im 1. Obergeschoss durch einen verglasten Steg an das bestehende Landratsamt erscheint nicht zweckmäßig, da die Räumlichkeiten in diesem Geschoss zu stark beeinträchtigt werden und eine kurze Wegeführung über die Freifläche im Erdgeschoss ohnehin gegeben ist. Die Vorschläge zur Baukonstruktion mit Treppen- und Aufzugskerne in Massivbauweise und aufgehender Konstruktion in Hybridbauweise werden als angemessen bewertet.

Die kompakte Bauform ist in ihrer Grundform wirtschaftlich und rationell zu erstellen. Die gewählte Hybridfassade ist allerdings in ihrer Materialität aufwendig und erfordert aufgrund des hohen Verglasungsanteils einen umlaufenden Sonnenschutz, um den sommerlichen Wärmeeintrag zu kontrollieren und die Arbeitsplätze adäquat nutzen zu können. Ebenso ist die horizontale Verglasung des zentralen Innenhofs mit einem hohen, baukonstruktiven Aufwand zu erstellen und erfordert Mehraufwendungen im Bauunterhalt.
Lageplan 1:500

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