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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2022

Stadtteilhaus am Hamannplatz in Münster-Coerde

1. Preis

Preisgeld: 16.000 EUR

bbp : architekten bda

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee & Entwurfskonzept
An zentraler Position des Münsteraner Stadtteils Coerde nimmt das neue Haus eine Schlüsselfunktion in der Transformation des Stadtteilzentrums am Hamannplatz ein. Während die umgebenden, vornehmlich dem Handel und der Gastronomie dienenden Gebäude erneuert und modernisiert werden, erweitert das multifunktionale Stadtteilhaus das Zentrum um eine Vielzahl niedrigschwelliger Angebote aus den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales, in dem die verschiedenen Nutzungen gewinnbringend miteinander verknüpft werden und dennoch die individuellen Bedürfnisse jeder Nutzergruppe angemessene Berücksichtigung finden.

Städtebauliche Einbindung
Seine besondere Stellung im Stadtgefüge spiegelt sich in der Gestaltung des Neubaus wider. Der Neubau soll als Solitär wahrgenommen werden, der sich dezent, aber durchaus selbstbewusst von der starren Rechtwinkligkeit der umgebenden Bebauung absetzt. Das notwendige Technikgeschoss wird dabei geschickt zur Überhöhung der südwestlichen Gebäudeecke genutzt, um die stadträumliche Präsenz des Neubaus an der Ecke Hamannplatz/Königsberger Straße zu verstärken und zugleich das Entrée zur Fußgängerzone zu betonen.

Freiraumplanung
Das Freiraumkonzept für den Hamannplatz wird – mit Adaptionen im Eingangsbereich des Stadtteilhauses – übernommen. Die im Außenraum angelegten Gestaltungsmerkmale werden aufgegriffen und im Gebäudeinneren fortgesetzt. Über großzügige Verglasungen öffnet sich die Erdgeschosszone zudem nach Westen und Süden. Das Gebäude verzahnt sich auf diese Weise eng mit seiner direkten Umgebung. Der öffentliche Raum der neu gestalteten Platzfläche erweitert sich nach innen, wird zur überdachten Vorzone, zum Foyer, zur Stadtbücherei, zum Möglichkeitsraum. Der fließende Übergang von Aussen- und Innenraum trägt dem Leitgedanken eines niedrigschwelligen Angebotes für die Bürger des Stadtteils Rechnung.

Erschließung

Äußere Erschließung
Die Haupterschließung des Gebäudes erfolgt von Westen über den großzügigen, transparenten Eingangsbereich am Hamannplatz. Ebenfalls am Hamannplatz, jedoch vom Haupteingang abgesetzt und nach Norden orientiert, befindet sich der separate Zugang zum Jugendzentrum. Zwei Treppenhauszugänge an der Königsberger bzw. Schneidemühler Straße vervollständigen die äußere Erschließung des Gebäudes.
Sämtliche Zugänge zum Gebäude sind barrierefrei gestaltet. Eine Feuerwehrzufahrt zum Gebäude ist vorderseitig über den Hamannplatz, rückseitig über die Schneidemühler Straße, gewährleistet. Über die Schneidemühler Straße ist zudem die Anlieferung sowie die Müllabfuhr möglich.

Innere Erschließung/Funktionalität
Herzstück, Hauptverteiler und erste Anlaufstelle des Gebäudes stellt das transparente, teilweise 2-geschossige Foyer am Hamannplatz dar, welches fließend in den Bbliotheksbereich mit Veranstaltungsraum und Open Space übergeht.
Vom Foyer aus erfolgt die vertikale Erschließung der Nutzungseinheiten im 1. und 2. OG über das im Gebäudescharnier gelegene Haupttreppenhaus. Das 1. OG beherbergt neben den Räumen für die Musikschule das Bildungs-, Begegnungs- und Gesundheitszentrum, dessen Räumlichkeiten sich um eine geschützte, üppig begrünte Dachterrasse gruppieren. Im 2. OG sind die Kinderarztpraxis und die Migrationshilfe verortet. Die ebenfalls im 2. OG angeordneten Räume des Jobcenters können über den zweiten Treppenraum von der Königsberger Straße aus separat erschlossen werden. Alle Nutzungseinheiten im Gebäude sind barrierefrei erreichbar und barrierefrei gestaltet.

Materialität und Konstruktion
Das Gebäude ist in konventioneller Massivbauweise geplant. Der Auswahl und Fügung der Materialien werden neben einem hohen Grad an Wiederverwertbarkeit auch Robustheit und Langlebigkeit als Nachhaltigkeitskriterien zugrunde gelegt. Die Speichermassen der massiven Bauteile können für eine natürliche Klimatisierung herangezogen werden, was eine Reduzierung des technischen Aufwandes ermöglicht. Auf Basis des gewählten Ausbaurasters von 1,25m, besitzt das Gebäude trotz seiner freien Kubatur räumliche Flexibilität, um Veränderungen während einer langen Nutzungsdauer zu erlauben.

Die Dachflächen sind in Teilen als extensives Gründach, in Teilen als Dachterrasse bzw. als Hochbeet mit Intensivbegrünung (Baumbewuchs) vorgesehen.

Die Fassade greift die durch Ziegelbauten bestimmte Farbgebung des näheren Umfelds auf, setzt mit ihrer Materialität und Ausgestaltung aber bewusst neue und zeitgemäße Akzente. Die farbige Streckmetallhaut aus recyceltem Aluminium besitzt einen industriellen und zugleich robusten Charakter, dem durch homogene Farbigkeit und saubere Gliederung eine angemessene Wertigkeit verliehen wird.
Bodentiefe Fensterelemente sorgen für eine optimale Tageslichtversorgung sowie großzügige Blickbeziehungen zwischen Innen und Außen. Der äußere Sonnenschutz wird mittels Faltschiebeelementen aus Streckmetall sichergestellt, so dass sich je nach Sonnenstand und Nutzerverhalten ein abwechslungsreiches, lebendiges Spiel von offenen und geschlossenen Fassadenflächen ergibt.

Mit dem Zusammenspiel von Kubatur, äußerer und innenräumlicher Gestaltung wird ein neues Stadtteilhaus für Coerde geschaffen, das seine Umgebung aufwertet und die Menschen zur Annahme seiner Angebote, zur Partizipation und Aneignung einlädt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf besetzt sehr selbstbewusst und eigenständig das knapp bemessene Baufeld. Damit wird der Standort zum gewünschten zeichenhaften und hervorgehobenen Ort am Hamannplatz – das Stadtteilhaus bildet durch seine Form und seine Kubatur das südliche Entrée zum Platz. Die Überhöhung der Ecke und die westliche Auskragung der Obergeschosse, auch über die Baugrenze hinaus, erscheinen vor diesem Hintergrund angemessen und vertretbar. Eine besondere Qualität der Arbeit ist die gelungene Erschließung: der großzügige, einladende Haupteingang sowie die beiden Nebeneingänge zum Jugendbereich und zum Jobcenter sind ideal platziert, die innere Erschließung und Orientierung sind ebenfalls überzeugend gelöst. Jedoch wäre es von Vorteil, wenn der Jugendtreff auch vom Foyer erschlossen werden kann. Angesichts des komplexen und differenzierten Nutzungsprogramms bekommt dieser Aspekt eine wichtige Bedeutung. Sehr positiv bewertet wird die Transparenz von Eingang und Bibliothek. Lesecafé, Veranstaltungsraum und Medienbereich sind gut zugeordnet und versprechen eine zeitgemäße, einladende Atmosphäre. Durch die Absenkung des Lesebereichs, ist dieser nicht barrierefrei zugänglich. Trotz der wahrnehmbaren Offenheit der Grundrisse sind die weiteren Nutzungen in angemessener Weise separierbar und es entwickeln sich jenseits simpler Flure immer wieder räumliche Situationen mit Aufenthaltsqualitäten. Kontrovers diskutiert wird das Material der Fassade. Zum einen gelingt es, die erwähnte Eigenständigkeit eines innovativen Gebäudes zu unterstützen, gleichzeitig klingt die Farbe eines ortstypischen Ziegels an. Nutzungsabhängig von Material überzeugt die Fassade durch eine gute Proportion und Ordnung. Zugleich sind die Nutzungen angemessen ablesbar. Die Werte der Kubatur und der BGF liegen oberhalb des Durchschnitts, gleichzeitig sind auch die Nutzungsflächen überdurchschnittlich groß. Insgesamt gelingt den Verfassern der Entwurf eines Stadtteilhauses, das die gewünschten Qualitäten der Offenheit, der guten Nutzbarkeit und des eigenständigen Auftritts sehr angemessen umsetzt.
Funktionsbereiche
Ein Zugang des Jugendtreffs zur Stadtteilbücherei würde Synergieeffekte ermöglichen und Kooperationen erleichtern. Die Fläche, insbesondere die der Stadtteilbücherei, entspricht der Idee des „Dritten Ortes“. Sie ist offen gestaltet und damit kommunikativ, bietet Raum zum Verweilen, lässt sich flexibel gestalten und wirkt inspirierend. Die Darstellung des ausgewiesenen Bereiches des Lesecafés lässt keine Schlüsse auf eine Versorgungsmöglichkeit zu. Nicht erkennbar ist die Möglichkeit einer flexiblen Abtrennung der Lehrküche zur Speise- und Elterncaféfläche. Außerdem ist der Schnitt des Multifunktionsraumes durch seinen Zuschnitt nicht optimal gelöst. Hier wird die Funktionalität in Teilbereichen hinterfragt. Zudem wird befürchtet, dass die Positionierung des Proberaumes der Musikschule die darüber liegende Beratung durch Lärmeinwirkung stört. Kritisch bewertet wird auch, dass Angebote bzw. Nutzungen, die eigentlich niederschwellig sein und Synergien mit der Bibliothek bilden sollen, sich im Obergeschoss befinden.
Lageplan

Lageplan

Grundriss EG

Grundriss EG