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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2022

Sanierung und Erweiterung Gerhart-Hauptmann-Gymnasium Wismar

Haupteingang

Haupteingang

1. Preis

Preisgeld: 55.000 EUR

GÖSSLER KINZ KERBER SCHIPPMANN ARCHITEKTEN

Architektur

BHF Bendfeldt Herrmann Franke LandschaftsArchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wismar setzt ein Zeichen - Für guten Schulbau. Für nachhaltige Stadtentwicklung. Für markante Architektur.

Die Häuser in der Dahlmannstraße stehen an der Straße und haben im rückwärtigen Grundstücksteil Erweiterungen und Anbauten. Hier geht das städtische Gefüge in den Landschaftsraum der Kleingärten am Wallgarten über. Ähnlich der benachbarten Villen erhält das Gymnasium ein Gartenhaus.
Das Gartenhaus positioniert sich selbstbewusst neben dem denkmalgeschützten Bestand. Es ist deutlich als Erweiterung und als neue Qualität des Ensembles erkennbar. Es wahrt auf der Schulhofseite Abstand zum Altbau und lässt diesem Licht und Luft. Es schiebt sich in den Grünraum und wird von diesem umschlossen.
Der Neubau fasst den südlichen Schulhofbereich neu: Hier entsteht ein stadtseitiger Vorplatz mit Fahrradstellplätzen und Aufenthaltsgelegenheiten, von dem aus die Schülerinnen und Schüler den seitlichen Eingang des Altbaus, aber vor allem den Eingang des Neubaus erreichen. Über diesen neuen Eingang erreichen sie barrierefrei alle Geschosse von Altbau und Neubau.

Das Gartenhaus ist klar strukturiert und nimmt mit seiner Ausrichtung die Haupterschließung des Bestandes auf. Es schließt unmittelbar an das bestehende Treppenhaus auf der Höhe der Zwischenpodeste an und wird damit dem Denkmalschutz gerecht: Der Bestand wird weiter genutzt und weiter entwickelt.
Der Mehrzweckraum auf der Schulhofebene wird zum Herzen der Schule. Mit Bezug zu den Freiräumen und zum Schulhof wird er zum zentralen Treffpunkt, zur Mensa und ähnlich einem städtischen Marktplatz zum Veranstaltungsort. Eine mobile Bühne sorgt in unterschiedlichen Positionen für vielfältige, wechselnde Präsentations- und Auftrittsmöglichkeiten. Die angeschlossenen Musikräume können im Zusammenhang genutzt werden, sie können aber auch vom Schulhof direkt erreicht werden.
Einen besonderen Ort für die Schulgemeinschaft bildet der neue Schulclub. Er liegt nicht mehr versteckt im Untergeschoss, sondern prominent direkt am neuen Haupteingang. So wird er zum attraktiven Anlaufpunkt und macht der Stadt und dem Quartier ein Angebot für externe Nutzungen.

Der städtebauliche Kontrast zwischen straßenbegleitender Bebauung und Landschaftsraum wird aufgegriffen, indem ein orthogonaler Schulhof geschaffen wird, auf den ein grüner Hofbereich trifft, der wiederum an die Parzellierung der vorherigen Kleingartenanlage erinnert: Das Gartenhaus steht in einem parzellierten Garten. Ähnlich der Kleingartenanlage verlaufen die Wege und werden Parzellen geschaffen.
Die einzelnen Parzellen werden mit verschiedenen Nutzungsangeboten mit Aufenthalts-, Spiel- und Bewegungsräumen bespielt. Gehölzbestand wird durch neue Baumsetzungen ergänzt. Sitzgelegenheiten werden gruppiert über die Fläche verteilt. Das Lernen im Freiraum wird durch ein grünes Klassenzimmer sowie einen Lerngarten unmittelbar am Neubau ermöglicht. Der Schulgarten wird in Form von Beeten vorgesehen. Eine Pflanzinsel betont den neuen Haupteingang des Gebäudes. Die Fahrradabstellflächen werden dem neuen Eingangsbereich zugeordnet. Die Anlieferungsfläche wird dem Bestandsparkplatz zugeordnet.

Im Neubau sind alle geforderten Räume untergebracht. Nach Norden und Süden sind Klassen- und Fachräume ausgerichtet, während die besonderen Räume – Mehrzweckraum, Bibliothek und Beratungsraum – nach Westen und damit auf den Landschaftsraum schauen.
In den beiden Obergeschossen entsteht jeweils ein Cluster aus Unterrichtsräumen und dazu gehörigen Vorplätzen. Diese sind wie ein Wohnzimmer entworfen und dienen der Einzelarbeit, als Treffpunkt und als flexibel nutzbarer Bereich für Präsentationen und Teamaufgaben. Gerade weil sie in ihrer Nutzung nicht endgültig festgelegt sind, werden sie zum Möglichkeitsraum innerhalb der Cluster.
Der Kunstbereich erhält einen Atelierbereich mit nach Norden ausgerichteten, der Dachform folgenden Arbeitsräumen im obersten Geschoss und einer Galerie für kleine Ausstellungen. Auch hier kann gearbeitet werden.

Das Gartenhaus hat eine besondere Gestalt. Es weist auf seine Bedeutung als entscheidender Baustein für die Entwicklung einer zukunftsfähigen Schule hin. Mit seinen Dachformen und der hellen Farbe macht es auf sich aufmerksam und entwickelt seine große Anziehungskraft. Diese Dachformen gliedern aber auch den Neubau und schaffen eine Verwandtschaft zum Altbau mit seinen steilen Schrägdächern. Die Traufhöhe des Bestandes wird durch die neue Firsthöhe fortgeführt. Die Breite des Westflügels wird aufgenommen und dreifach wiederholt. So wird aus den klar ablesbaren Bauabschnitten eine baukörperliche Einheit.
Nebenbei bietet die Dachform die Möglichkeit, die erforderlichen Lüftungsgeräte für die Küche unterzubringen, sodass diese neben dem Denkmal und vor der Stadtsilhouette Wismars nicht sichtbar sind. Ebenso können die nach Süden ausgerichteten Dachflächen mit Solartechnik belegt werden. Und sie eröffnen die Chance, im Kunstbereich ein besonderes Raumgefühl zu schaffen.
Im Inneren verbindet ein Lichtraum die Geschosse. Aus der obersten Ebene fällt Tageslicht über einen verglasten Kubus in die weiteren Geschosse bis hinunter in den Mehrzweckraum. So entstehen neben der Versorgung der angrenzenden Flächen mit Tageslicht attraktive Sicht- und Blickbeziehungen.

Das Gartenhaus besteht im Wesentlichen aus drei Materialien: Holz als wesentliches Element der tragenden Bauteile der Skelettkonstruktion. Beton als Baustoff der Geschossdecken mit sensiblen Schallschutzanforderungen und des aussteifenden Treppenkerns. Und schließlich Stahlblech als Haut des Gebäudes. Diese weiße äußerste Schicht versinnbildlich den Charakter der leichten Erweiterung im Sinne eines Gewächshauses, es zitiert aber auch in abgewandelter Form die Materialsprache des Wismarer Hafens und der Werften.
Die Wahl von Konstruktion und Materialität verbindet also einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen, den Anforderungen gerechten Einsatz von robusten Baustoffen und die Entwicklung einer eigenständigen, frischen Figur, die Wismar an dieser Stelle ein wenig zum Leuchten bringt.

Mit einer kompakten Bauform und einer hoch wärmegedämmten Fassade wird der Grundstein für ein nachhaltiges energetisches Konzept gelegt. Soweit möglich werden die technischen Anlagen des Bestandes fortgeführt. Mit der geplanten Fußbodenheizung im Neubau kann an den Rücklauf der Wärmeerzeugung des Bestandes angeschlossen werden, soweit nicht eine neue Anlage eingebaut wird. Unterstützt wird die Haustechnik durch Solaranlagen auf den nach Süden geneigten Dachflächen.
Eine Lüftungsanlage wird im Neubau nur für die Küche vorgesehen. Bei Bedarf kann zusätzlich der Mehrzweckraum versorgt werden. Die Klassenräume werden natürlich belüftet, dabei sind zur Unterstützung der Nachtauskühlung motorisch angetriebene Öffnungsflügel vorgesehen. Diese können nachts offen stehen und die kühle Nachtluft ins Gebäude strömen lassen. Zur Vermeidung von Insekten- und Vogeleinflug werden Lüftungsgitter vorgesehen.
Großzügige Fensterflächen mit außen liegendem Sonnenschutz sorgen für ausreichende Versorgung mit Tageslicht bei gleichzeitigem sommerlichem Wärmeschutz.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit dem Entwurf folgen die Verfasser:innen der städtebaulichen Struktur an der Dahlmannstraße, indem dem Schulgebäude an der Straße ein untergeordneter rückwärtiger Anbau im Grünraum kontrastrierend zugefügt wird. Diese Grundüberlegung, aus der Eigenart des Umfeldes entwickelt, wird von der Jury gewürdigt und positiv bewertet.
Der Neubau überrascht zunächst durch seinen deutlichen Kontrast zum Altbau. Es gelingt jedoch eine überzeugende Balance in der Bedeutungshierarchie von Denkmal und Anbau, was durch die geschickte Aufnahme von verwandten Themen, wie geneigten Dächern, vertikaler Fassadenstruktur etc. unterstützt wird. Das neue „Gartenhaus“ mit seiner 3-Schiffigkeit wird präzise aus der Geometrie des Altbaus entwickelt und damit eine gute baukörperliche Verbindung erzeugt. Diese ebenso sinnfällige wie erstaunlich einfache Gliederung findet im Grundriss Entsprechung durch den mittigen Mehrzwecksaal, der zum Garten eine großzügige Öffnung mit vorgelagerter Terrasse bildet.
Der Haupteingang über einen Vorplatz im Süden mit Fahrradparkplatz ist als neue Adresse von der Dahlmannstraße gut sichtbar und an der Nahtstelle zum Altbau richtig positioniert.

Die Position des Anbaus ermöglicht eine großräumige Verbindung vom Schulhof zum Grünraum und eine weiterhin gute Belichtung des Altbaus. Vom Gedanken des Gartenhauses ausgehend, entwickelt sich der äußere Freiraum des Schulgeländes als Bindeglied zur sich anschließenden Landschaft, die ihrerseits durch Kleingartenstrukturen gekennzeichnet ist. Es entsteht eine spürbar harmonische Verbindung von Architektur und Freiraum.
Dabei nimmt der Freiraum formal (Parzellierung) und teils auch inhaltlich (Pflanzungen, Wegeachsen) die radialen und linearen Formen des umgebenden Landschaftsraums auf und verdichtet diese mit den für die Schule erforderlichen Angeboten. Die jeweiligen Funktionen sind sinnvoll den Gebäuden zugeordnet.
Eine hainartige Baumbepflanzung lässt Blickbeziehungen in beide Richtungen zu. Ein Vorzug der kompakten Bauweise des Erweiterungsbaues ist, dass der äußere Freiraum in ganzer Breite mit dem Schulhof verbunden ist und dadurch eine in der Tiefe gestaffelte und zugleich großzügige Außenanlage bildet.
Die orthogonale Figur des Schulhofes entsteht als konsequente Fortsetzung des durch die baulichen Kubaturen vorgegebenen Grundgerüstes.
Die Anordnung der Fahrradständer links und rechts des neuen Haupteinganges und in räumlicher Nähe zum Parkplatz ist in sich logisch und sorgt für kurze Wege. Die Anlieferung der Küche von Süden ohne Überlagerung mit Erschließungsverkehr überzeugt.

Die Fassadengliederung mit vertikaler Betonung ist angemessen. Allerdings werden das Fassadenmaterial sowie die Fassadenfarbe in der Jury sehr kontrovers diskutiert.
Eine stärkere Orientierung am Leitbild „Gartenhaus“ wäre wünschenswert.

Die vorgeschlagene Konstruktion als Holzskelettbau mit Betondecken ist hinsichtlich der funktionalen Anforderungen und aus Nachhaltigkeitsgründen sinnfällig.

Die Verbindung zum Altbau mit einem vorgestellten Aufzug ist gut gelöst. Allerdings wird durch die Überfahrt des Aufzugs eine Erhöhung des geneigten Dachs erforderlich, was von der Jury als Störung der ansonsten sehr schönen Dachlandschaft empfunden wird. Der Zugang vom Neubau zum Schulhof ist zweckmäßig durch Unterschnitt überdacht, wirkt allerdings etwas schmal.
Die Obergeschosse sind klar um die Mitte mit gut belichteten Freilernzonen gegliedert. Die Raumstruktur lässt flexible Nutzungen und zukünftige Raumveränderungen vom „Wohnzimmer“ über Einzelräume bis zu Lernlandschaften zu. Die sehr gute Nutzung der geneigten Dächer für die Belichtung der Hausmitte und der Kunsträume sowie für die Haustechnik überzeugt.

Flächen- und Volumendaten sowie die vorgeschlagene Konstruktion lassen eine wirtschaftliche Realisierung erwarten.

Insgesamt stellt der Entwurf städtebaulich und freiräumlich einen überzeugenden Beitrag dar. Die Grundrisse lassen zukunftsfähige pädagogische Konzepte sehr gut zu.
Lageplan

Lageplan

Klassencluster

Klassencluster

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Mehrzweckraum

Mehrzweckraum

Längsschnitt

Längsschnitt

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht West

Ansicht West