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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2022

Erweiterung Rehabilitationszentrum Ederhof in Osttirol (AT)

2. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

ahrens & grabenhorst architekten stadtplaner PartGmbB

Architektur

nsp landschaftsarchitekten stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

„Die Berge sind stumme Meister und machen schweigsame Schüler.“ – Thomas Mann

Leitidee

Dem historischen Bestand respektvoll zur Seite gestellt wird ein klar gegliederter Erweiterungsneubau. Selbstbewusst am Hang positioniert, orientiert sich der Holzbau Richtung Tal, ordnet sich der großartigen Landschaft unter und fügt sich mit seinem Bauvolumen in die Topografie des Ederhofs ein.

Städtebau und Architektur

Die städtebauliche Figur lässt zunächst nur den kubischen Teil des Neubaus erkennen, in dem die wesentlichen funktionalen bzw. therapeutischen Nutzungen untergebracht sind. In seiner Proportion und Dimension wie auch in seinem Abstand zum Bestand nimmt sich die neue Setzung die ortstypische Körnung zum Vorbild und sucht erst auf den zweiten Blick den Dialog mit der ursprünglichen Hofstruktur.
Im Moment der Ankunft werden Patient*innen und Gäste, so scheint es, von einem Eingangspavillon empfangen und von dort – analog zur klassisch-alpinen Erschließung – in die „Untergeschosse“ verteilt.
Die leichte, modulare Holzstruktur ruht auf einem massiven Sockel, der sich als Teil der anliegenden Hanglage parallel zum Tal entwickelt, das Panorama freispielt und die Wohnbereiche vom Anwendungsgeschehen entkoppelt.
Freiraum und Erschließung
Der Erweiterungsbau wird vom Erdgeschoss abwärts erschlossen. Eine neugestaltete Entree-Situation gewährleistet gleichermaßen logistische Funktionalität (Anlieferung, Anreise), Aufenthaltsqualität und Adressbildung.
Überdachte PKW-Stellplätze werden im Bestand transformiert und in der Hol- und Bringzone eingangsnah angeboten, sodass das Nadelöhr zwischen Haupt-, Ärzte- und Therapiehaus entspannt und die landwirtschaftliche Erschließung talwärts erhalten bleibt.
Durch das zusätzliche Bauvolumen auf dem Grundstück verschiebt sich auch sein Schwerpunkt – die neue Mitte der Institution entwickelt sich zwischen Stadl und neuem Holzkubus als räumliche Fortsetzung des Hofes im Bestand. Zwischen Neubau und Bestand entsteht an diesem Ort Spannung und Interaktion.
Zahlreiche Baum-Neupflanzungen tragen zu Schatten- und Situationsbildung bei, sodass immer wieder eigene Orte der Aneignung im Freiraum entstehen. Eine zurückhaltende Neuordnung der bestehenden, gut funktionierenden Außenanlagen vervollständigt das neue Gesicht des Rehabilitationszentrums.

Funktionen und Innenraum

Das Eingangsgeschoss ermöglicht beim Betreten den Blick geradewegs hindurch. Ein Gemeinschafts- und Veranstaltungsbereich lässt das Licht von Süden hinein und heißt offen und transparent willkommen.
Die Funktionsbereiche Verpflegung, Pädagogik, Diagnostik und Therapie sind geschossweise sortiert und integrieren tageslichtunabhängige Nutzungen in rückwärtige (hangseitige) Dunkelzonen.
Der Bereich Verwaltung wird vollständig im Ärztehaus untergebracht, sodass dem Kleinod eine wichtige Bedeutung im Ensemble zukommt.
Das Therapiehaus (Stadl) wird im Gesamtkonzept aktiviert, erhält eine außenliegende Vertikalerschließung und nimmt die Nutzungen Kindergarten und Betreuung im Untergeschoss sowie den Bewegungs- und Entspannungsraum im Obergeschoss auf.
Die Wohnungen / Zimmer im Mittelgeschoss des Stadl stehen temporären Gästen der Familien zur Verfügung und können dynamisch und flexibel zur Verfügung gestellt werden.
Im unteren, südlichen Abschnitt des Grundstücks wird der Wohnungs-Baukörper in bester Lage in die Topographie gelegt und abstrahiert in seiner Figur die Topographie des Hangs. Die Wohnungen erhalten ein Maximum an Aussicht und Belichtung, ein Minimum an übrigen Einflüssen und gewährleisten somit Ruhe und Entspannung während des Aufenthalts.

Ideenteil

Die Integration von Ärzte- und Therapiehaus in das Anwendungs- bzw. Betriebsgeschehen des Raumprogramms Neubau stärkt den Dialog von Bestand und Erweiterung, lässt den Einbezug des Haupthauses naheliegen.
Grundsätzlich steht die Nutzung zu Therapiezwecken im Vordergrund, eine Lehrküche, ein Speiseraum und zwei Seminarräume (auch zu Ausbildungszwecken) stellen das Angebot im Erdgeschoss dar. Im Obergeschoss besteht die Möglichkeit, bestehende Wohnräume als Personalwohnungen zu nutzen und die übrigen Flächen als Gesprächs- und Studienräume mit Aufenthaltsqualität anzubieten. Das Dachgeschoss nimmt das Atelier der Franz v. Defregger Kunsttherapie auf – die verwinkelte Raumsituation kann hier aufgelöst und vereinfacht werden, sodass ein großzügiger, offener Dachraum entsteht.
In Zusammenspiel mit der Idee des Gemeinschaftsgartens, der auch Lebensmittelproduktion und Landschaftsökologie ins Bewusstsein rückt, entsteht so ein ganzheitliches Projekt, das seinen Rehabilitationsauftrag auf Nachhaltigkeit und angemessenem Zeitgeist aufbaut.
Konstruktion und Wirtschaftlichkeit
Für den Neubau ist ein modernes, nachhaltiges und CO2-einsparendes Konstruktionsprinzip als Holzhybrid-Tragwerk geplant. Hinter der Fassadenebene liegende Holz-Stützen leiten die Vertikallasten ab.
Der in Stahlbeton geplante Doppel-Aufzugskern funktioniert als aussteifendes Element in Längs- und Querrichtung.
Unter Beachtung von hohen Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit des Gebäudes können optimale bauphysikalische und brandschutztechnische Eigenschaften realisiert werden.
Die Grundrissstruktur ermöglicht den zeit- und kostenoptimierten Einsatz von modularen, vorgefertigten Konstruktionselementen. Nichttragende Wände können in Trockenbauweise oder mit vorgefertigten Massiv-Holzwänden ausgeführt werden.

Multifunktionale, in vorgefertigten Holzrahmenbau-Decken-Elemente integrierte Module (Kühlung, Heizung, Akustik und Licht) sorgen für optimale raumakustische und -klimatische Eigenschaften. Der Fußboden ist als Hohlraumboden für technische Installationen vorgesehen und ermöglicht sehr einfach spätere Nachrüstungen.

Die äußere Gebäudehülle präsentiert sich sehr transparent. Schlanke Stützen und Träger bilden das hölzerne Tragsystem nach außen ab. Öffnungen werden mit Holz-Fensterprofilen versehen, die manuelle Lüftung über Öffnungsflügel und automatisierte Nachtauskühlung mit Nachströmöffnungen ermöglichen.

Der sommerliche Wärmeschutz wird über außenliegende Textilscreens mit Tageslichtsteuerung gewährleistet. Die umlaufende Austrittsebene sorgt vor allem bei hochstehender Sonne im Sommer für zusätzliche Verschattung. Während der kalten Jahreszeiten begünstigt die gläserne Haut solare Wärmezugewinne.

Das Flachdach ist als Warmdach mit Gefälledämmung geplant und erhält zur Verbesserung der Regenwasser-Retention eine extensive Dachbegrünung. Ebenso kann hier eine großzügig dimensionierte und leistungsstarke Photovoltaik-Anlage platziert werden.

Bei der Materialauswahl (u.a. Linoleum, Kork- und Holzoberflächen, mineralische Wand- und Deckenfarben) wird besonderes Augenmerk auf Aspekte der Nutzungssicherheit, der Raumhygiene und der bauphysikalischen Eigenschaften (Raumklima, Raumakustik, Belichtung, etc.) gelegt. Sämtliche Materialien werden nach Aspekten der Umweltverträglichkeit, Dauerhaftigkeit und Wiederverwertbarkeit ausgewählt.

Energie und Ressourcen (Energiekonzept)

Ziel des energetischen Konzeptes ist es, den Primärenergieverbrauch des Gebäudes für Wärme und Strom deutlich zu reduzieren. Mithilfe eines hochwertigen Wärmeschutzes, wärmebrückenfreier Konstruktionen sowie einer kompakten und luftdichten Gebäudehülle wird der erforderliche Wärmebedarf minimiert.
Heizwärmebedarfe werden über Wärmepumpen gedeckt. Akustisch wirksame Heiz- und Kühldecken unterstützen die Nutzer*innen bei der Regelung des Raumklimas. Die Stromversorgung wird überwiegend mit Solarstrom/PV-Anlagen sichergestellt, bei anfallenden Spitzenlasten kann punktuell durch ein Kompakt-BHKW ergänzt werden.
Warmwasserbereitung für WCs und Einzel-Entnahmestellen wird zur Vermeidung von Zirkulationswärmeverlusten dezentral mit elektrischen Kleinst-Durchlauferhitzern sichergestellt.

Lüftung wird i.d.R. manuell über Öffnungsflügel in den Fassaden realisiert. Über offene Flure und Dachoberlichter wird dabei eine optimale Querlüftung erreicht. Für die Frischluftversorgung von höher frequentierten bzw. frischluftbedürftigen Räumen wird zusätzlich eine hocheffiziente, präsenzgeregelte Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vorgesehen.

Fassadenöffnungen und Dachoberlichter ermöglichen eine hohe Tageslichtnutzung und minimieren den Energiebedarf für künstliche Beleuchtung. Die Beleuchtungsanlagen werden je nach Raumnutzung über Präsenzmelder in mehreren Zonen geschaltet.

Für eine nächtliche Auskühlung des Gebäudes im Sommer werden automatisch gesteuerte, einbruch- und regensichere Nachströmöffnungen integriert.

Die Ableitung des Regenwassers erfolgt zeitverzögert über die hohe Rückhalteleistung der begrünten Dachflächen. Für die WC-Anlagen im Gebäude ist eine Grauwassernutzung denkbar.

Bei der Auswahl der gesamten gebäudetechnischen Konzeption wird der investiven und wirtschaftlichen Tragfähigkeit sowie der Maxime eines geringen Ressourcenverbrauchs gleichermaßen Rechnung getragen.

Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit in Material

Unabhängig von einer Gebäudezertifizierung werden die Themen Ressourcenschonung, Werterhalt und Nutzerkomfort beim Planen, Bauen und Betreiben in den Fokus gerückt. Dabei ist ein zentraler Bestandteil die Verwendung unbedenklicher Baustoffe, die zu einem gesunden Raumklima führen.
Bei der Auswahl der Baustoffe wird grundsätzlich auf nachhaltige Gütesiegel (C2C, NaturePlus, Blauer Engel etc.) der jeweiligen Baustoffklasse geachtet. Durch den planerischen Einsatz der Lebenszyklusanalyse (LCA) werden die „graue Energie“ und die Auswirkungen auf die Umwelt minimiert. Weiterhin wird auf die Recyclingfähigkeit der Baustoffe geachtet.
Der Einsatz von Stahlbetonbauteilen wird indes auf ein Minimum reduziert. Wo planerisch unumgänglich, wird bei der Fertigung auf recycelte Zuschlagstoffe und Zementersatzstoffe zurückgegriffen, um die negative Auswirkung auf die CO2-Bilanz abzufedern.
Neben einer positiven Einfärbung der CO2-Bilanz durch nachwachsende Rohstoffe werden durch einen hohen Grad an Vorfertigung kurze Bauzeiten unterstützt und gleichbleibende Ausführungsqualitäten sichergestellt.

Nachhaltigkeit in Gestaltung

Modulbauweise und Vorfertigung sowie flexible Grundrissstrukturen sorgen für hohe Nutzungsflexibilität. Gemeinsam mit einer dauerhaften Gestaltung der Fassadenmaterialität wird so die Dauer der Nutzbarkeit maximiert. Die langfristige Nutzung eines Neubaus wirkt sich ebenso positiv auf seinen ökologischen Fußabdruck aus.
Intelligente und kompakte innere Organisation üben darüber hinaus positiven bauphysikalischen Einfluss aus und bedürfen geringerer technischer Ausstattung für den Gebäudebetrieb.
Minimierte technische Gebäudeausrüstung erfordert – abgesehen von der nicht aufgewendeten „grauen Energie“ – auch geringeren energetischen Aufwand zum Betrieb des Hauses.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit stellt sich absichtlich mit Abstand dem „Ederhof“ und der ursprünglichen Hofstruktur zur Seite. Der kubische Neubau mit einem großen Volumen ruht auf einem massiven Sockel, der sich als Teil der Topografie des Bauplatzes versteht. Er zeigt sich selbstbewusst in der Umgebung und orientiert sich in Richtung Hang.
Durch das konzentrierte zusätzliche große Bauvolumen verschiebt sich städtebaulich der Schwerpunkt zwischen Neubau und Bestand.
Das Freiraumkonzept ist leider nicht detailliert dargestellt. Zugänge zu den Freiflächen und Interaktionsflächen zwischen Neu- und Altbau sind nicht umfassend erkennbar. Die textlich beschriebenen Konzeptgedanken müssen hier in einer Überarbeitung realisiert werden.
Im Bereich des Baurechts und der Normen zeigt der Entwurf kaum Schwächen.
Der kubische Teil der Erweiterung soll die funktionalen und therapeutischen Nutzungen aufnehmen. Diese entsprechen in Größe und Zuordnung nicht dem Bedarf und müssen grundsätzlich überarbeitet werden.
Die Anbindung des Neubaus an die Bestandsbauten ist über einen Treppenturm aus den Wohngeschossen heraus gegeben. Dies ist positiv zu bewerten.
Die Arbeit ist technisch gut und wirtschaftlich realisierbar. Vorfertigung und Modulbauweise wer-den vorausgesetzt. Der Einhaltung der förderfähigen Kosten kommt besondere Bedeutung zu – dies sollte im weiteren Planungsprozess berücksichtigt werden.
Bei der Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zeigt der Entwurf eine hohe Kompaktheit. Das Konzept der technischen Gebäudeausrüstung bedarf der Überarbeitung, die Anforderungen sind nur teilwiese erfüllt. Sommertauglichkeit, Raumluftqualität und Lüftungskonzept sind nur in Teilen gegeben.
Eingangssituation

Eingangssituation

Lageplan

Lageplan

Isometrie Ederhof

Isometrie Ederhof

Konzept

Konzept