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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2022

Neubau Funktionsgebäude für die RNV in Mannheim

Perspektive Außen

Perspektive Außen

1. Preis

Preisgeld: 33.000 EUR

Cheret Bozic Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Leitidee

Der Neubau des Funktionsgebäudes eröffnet die Chance, zum einen der Schlachthofstraße zu einem markanten Auftakt zu verhelfen und zum anderen die Mannheimer Verkehrs GmbH im Stadtraum prominent zu verorten. Es soll nach innen wie nach außen in hohem Maß Identität stiftend unverwechselbar sein und in vielfacher Hinsicht beispielgebend sein, nicht zuletzt auch für die Umsetzung des Klimaschutz-Aktionsplan 2030 der Stadt Mannheim


städtebaulich architektonisch

Die neue Leitstelle hat die höchst relevante Aufgabe, die Verkehre in der Metropolregion Mannheim störungsfrei aufrecht zu erhalten. Wir meinen, dass diese Besonderheit über eine unverwechselbare architektonische Gestalt zum Ausdruck kommen sollte. Unser Entwurf schlägt daher ein differenziertes Volumen vor. Einzelne Geschoss bilden sich mit Vor- und Rücksprüngen deutlich in der Fassade ab und erzeugen das Bild einer linearen horizontalen Schichtung, deren Plastizität sich im Laufe eines Tages im wechselnden Licht wandelt und hervorhebt.
Eine weitere, die architektonische Absicht illustrierende Besonderheit liegt in der Materialwahl. Für die Brüstungsbänder schlagen wir die Bekleidung mit farbig glasierter Fassadenkeramik vor. Die nicht planebenen Oberflächen der großformatigen Fliesen und der Eigenglanz der Glasur verstärkt das Spiel zwischen Licht und Plastizität.


Grün in der Stadt

Die geschossweisen Versprünge sind trogartig ausgebildet und dienen der Begrünung der Fassaden – ein weiteres signifikantes Gestaltungsmittel zur horizontalen Gliederung und außerdem ein besonderer Beitrag zu „mehr Grün in der Stadt“ mit dem Ziel der Verbesserung des Stadtklimas.
Als Bepflanzung im Fassadenbereich schlagen wir ausdauernden heimische Stauden und Kleingehölze vor. Die ausreichende Versorgung mit Wasser erfolgt über ein intelligent geregeltes Bewässerungssystem, das über gespeichertes Niederschlagswasser versorgt wird. Die flachen Dächer sind ebenfalls begrünt, zum Teil extensiv und in den als Terrassen genutzten Bereichen als Dachgarten auch intensiv. Dort schlagen wir neben Gräsern und niederen Büschen die Bepflanzung durch geeignete Bäume vor.


Erschließung

Die äußere Erschließung ist von zwei Seiten aus möglich: für die Mitarbeiter vom Betriebshof direkt und ohne Einschränkung, von der Schachthofstraße über einen kontrollierten Zugang. Ein beide Seiten visuell miteinander verbindender Lichthof dient als zentraler Erschließungsbereich. Von hier aus haben Mitarbeiter und Besucher verschiedene Möglichkeiten barrierefrei in die verschiedenen Innenbereiche zu gelangen. Der Lichthof bietet innerhalb des Betriebsgeländes eine besondere Aufenthaltsqualität, von der auch die Betriebshofkantine profitiert, die sich in den Hof erweitern kann.
Aufgrund der einfachen Gebäudetypologie mit je zwei Lichthöfen und notwendigen Treppenhäuser dürfte die Orientierung im Gebäude einfach sein. Der Bereich um die Freitreppe im Südflügel bietet sich als Ort der Kommunikation und Selbstdarstellung der Leitstelle in Form von Ausstellungen, Großraummodellen oder auch für Marketingveranstaltungen an.
Während die Büros für die Verwaltung in den beiden äußeren Flügel untergebracht sind, befinden sich Räume von zentraler Bedeutung, wie die für Besprechungen, Seminare und Konferenzen im Mitteltrakt. Ebenfalls in der Mitte angeordnet ist der Leitstellensaal als das Herzstück der rnv-Verkehrsgesellschaft. Sie thront im obersten Geschoss über dem Komplex und kann als abgeschlossener Sicherheitsbereich separat erschlossen werden.


Konstruktion

Das komplette Gebäude ist als Skelettbau konzipiert, Ausführung in Ort-, bzw. Fertigteilbeton. Alternativ ist auch eine Holzhybridkonstruktion denkbar: Stützen und Unterzüge aus BauBuche, Decken aus schubsteif auf das Gerüst montierten Betonfertigteilen.
Der Skelettbau hat den Vorteil, dass bis auf die aussteifenden Wände der Treppenhäuser die Innenwände nichttragend sein können. Sie sind in der Lage veränderbar, sodass sich das Gebäude an geänderte Nutzungsbedingungen flexibel anpassen kann.


Materialien

Es werden grundsätzlich robuste Materialien vorgeschlagen: Beton nach Möglichkeit sichtbar belassen, für die Außenwände im Erdgeschoss Ausführung in Infraleichtbeton.
Der sichtbare Beton wirkt sich aufgrund seiner hohen Rohdichte positiv ausgleichend auf das Raumklima aus. Dies gilt vorzugsweise für die Deckenuntersichten.
Fassaden: Pfosten-Riegelelemente aus Holz, dreifach isolierverglast, in akustisch sensiblen Bereichen Ausführung als Schallschutzverglasung. Der Sonnenschutz in Ausführung als Jalousien mit möglicher Einstellung zur Lichtlenkung ist außenseitig montiert.
Vor die Brüstungsbänder und in Teilbereichen auch Teile der Außenwand wird ein mineralisch gedämmtes, vorgehängten und belüftetes Fassadensystem montiert, äußere Bekleidung aus keramischen Platten, farbig glasiert. Letztere gelten als äußerst robust und bieten sowohl Nachhaltigkeit als auch eine Optimum an gestalterischen Möglichkeiten.
Für den Innenausbau schlagen wir Systemtrennwände vor, die nach den verschiedenen Anforderungen an Transparenz oder auch Raumakustik ausgelegt sind.
Als Bodenbelag für die stark frequentierten Bereiche im Erdgeschoss, sowie in den Treppenhäusern schlagen wir Bituterrazzo vor und für die Obergeschosse robuste, akustisch wirksame Teppichböden.


Energiekonzept

Nach der EU-Gebäuderichtlinie EPBD sind öffentliche Gebäude als Niedrigstenergiegebäude zu realisieren. Diese Anforderung wird in der vorgeschlagenen Bauweise und ihrer Bauteilaufbauten erfüllt. Ein wirksamer sommerlicher Wärmeschutz ist ohne zusätzliche Klimatisierung möglich. Der Sonnenschutz ist außenliegend montiert und die in die Fassadenelemente integrierte Steuerung erlaubt die freie Nachtauskühlung.
Im Rahmen eines qualifizierten Energiekonzepts wird die Sinnfälligkeit der thermischen Bauteilaktivierung der Geschossdecken zu untersuchen sein.
Wir gehen von einer nach Bereichen differenzierten mechanischen Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung aus. Zur Vortemperierung der Zuluft schlagen wir einen Erdkanal vor. Er ist zu Reinigungszwecken begehbar.
Auf den obersten Dachdecken schlagen wir Photovoltaikelemente vor und einen im Untergeschoss verorteten Batteriespeicher, Ausführung als Salzwasser-Speicher. Er besteht aus regional verfügbaren Materialien, ist frei von jeglicher Entsorgungsproblematik und erzeugt keinerlei Brandlast.


Wirtschaftlichkeit

Der Neubau ist in allen seinen Teilen strukturell auf einer einfachen Gebäudegeometrie mit verlässlichem Achsraster aufgebaut. Alle Achsabstände und Deckenspannweiten bewegen sich im normalen, für den Massivbau wirtschaftlichen Bereich. Die örtliche Situation mit der direkten Zufahrt aus der Schlachthofstraße verspricht eine reibungslose Baustellenorganisation.



Ökologie und Nachhaltigkeit

Wir schlagen vor, die tragenden Teile der Konstruktion aus „Recyclingbeton“ zu fertigen, dessen Zuschlagsstoff aus mineralischem Abbruchmaterial gewonnen wurde samt C02-reduziertem Zement als Bindemittel. Die opaken Wände im Erdgeschoss bestehen aus Infraleichtbeton, beidseitig sichtbar belassen. Wir gehen davon aus, dass aufgrund der Wanddicke (ca. 50 - 60 cm) der Anteil an energieintensivem Bewehrungsstahl auf lediglich eine konstruktive Bewehrung reduziert werden kann.
Eine wie oben unter „Konstruktion“ angedachtes Holzhybridtragwerk verspricht hinsichtlich der ökologischen Bewertung weitere Vorteile: zum einen ist die Einlagerung von Holz als nachwachsendem Rohstoff in Gebäude ein Beitrag zur Klimasenke. Zum anderen ist die Konstruktion in Verbindung mit Fertigteilen aus Beton im Falle des Rückbaus trenn- und in allen Teilen wieder verwendbar.
In der Summe verspricht dieser konzeptionelle Ansatz (ob mit oder ohne Holzbau) den Einsatz „Grauer Energie“ signifikant zu reduzieren.
Ausreichend dimensionierte Wärmedämmung sowie die luft- und winddichte Gebäudehülle ohne Wärmebrücken versprechen ein hohes Maß an thermischer Behaglichkeit. Für den Bereich der Betriebskantine und die großräumigen Bereiche im Mitteltrakt schlagen wir Fußbodenheizung vor, in den Büros individuell regelbare statische Heizkörper.
Ein wissenschaftlich qualifiziertes Gesamtenergiekonzept wird zur Verbesserung des Komforts (sommerlicher Wärmeschutz) die Ausrüstung des Bauwerks mit Bauteilaktivierung untersuchen.
Besonders in den akustisch sensiblen Bereichen des Funktionsgebäudes bedarf es einer qualifizierten Planung. Die plastische Gliederung der Fassaden dürfte sich mit schallabsorbierenden Untersichten günstig auf Raumakustik auswirken. Ebenso Schallschutzverglasungen und textile Bodenbeläge in den Innenräumen oder auch mikroperforierte Oberflächen von Montagetrennwänden. Darüber hinaus sind längs der Gebäudehülle schallabsorbierende Deckenbekleidungen vorgesehen.

Einen besonderen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas (Luftqualität, Abwärme, Lärm) sehen wir in der extensiven Begrünung der Fassaden und der Dachflächen. Über die Bewässerung mit gesammeltem Niederschlagswasser kann Feuchtigkeit in den Pflanzflächen gespeichert und mit kühlendem Effekt wieder an die Außenluft abgegeben werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf setzt einen kompakten sechsgeschossigen Baukörper, der durch Vor- und Rücksprünge in der Fassade eine prägnante horizontale Schichtung erfährt. Verstärkt wird dieses Thema durch Brüstungsbänder mit blau glasierter Fassadenkeramik, in einer der Farben der RNV-, und Pflanztröge, die als zweites horizontales Gestaltungselement mit Stauden attraktive grüne Vorzonen vor den Arbeitsplätzen bieten. Ergänzt wird die Fassadenbegrünung durch das Angebot von begrünten Dachterrassen, die hohe Aufenthaltsqualität für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und einen Beitrag zum Stadtklima versprechen.
Das Gebäude hat zwei gleichwertige Eingänge von der Schlachthofstraße und vom Betriebsgelände. Über einen überdachten Vorbereich wird man mit einem Windfang in ein großes Atrium geführt. Von dort gelangt man in eine Erschließungsspange im Süden, die mit einer schönen einläufigen Treppe und Aufzügen in die Obergeschosse führt, und in die Erschließungskerne im Osten und Westen. Im Inneren gefasst wird der Kantinenbereich, der sich bis in das Atrium erweitern kann. Der geschützte Bereich für den Speisesaal der Kantine ist durch die Belichtung und den Blickkontakt über das Atrium ein schöner Raum, es fehlt allerdings ein direkter Freiraumbezug, der auch über die ganzjährige Nutzung des Atriums nicht ersetzt werden kann.
Die Grundrisse in den Obergeschossen sind über zwei Atriumhöfe sehr gut nachvollziehbar gegliedert. Die Arbeitsplätze liegen an der Fassade, während die Flurbereiche über die Atrien belichtet werden. Im Mitteltrakt liegen die Besprechungs-, Seminar-, und Konferenzräume, Die Positionierung der notwendigen Treppenhäuser an der Querspange ermöglicht eine gute Flexibilität in dem Raumangebot. Die einläufige Treppe, die von beiden Seiten belichtet wird, lädt zur Nutzung ein und verbindet die Geschossebenen und damit auch die unterschiedlichen Arbeitsbereiche. Genau richtig sind hier Teeküchen und Counter als kommunikative Orte positioniert. Im fünften Obergeschoss kann zusätzlich die Dachterrasse genutzt werden. Der Zugang erfolgt über beide Flure. Die nach Norden ausgerichteten Büros sind durch das Atrium von Störung durch die Nutzung der Dachterrasse geschützt. Die Leitzentrale im sechsten Obergeschoss ist nach Norden ausgerichtet und profitiert von einer zweiseitigen Belichtung und einer guten Raumproportion.
Diskutiert wird die Gestaltung des massiven Gebäudesockels, der gerade auf der Ebene des Fußgängers wenig Maßstäblichkeit und Attraktivität verspricht. Befremdlich ist auch die dargestellte Perspektive des Atriums als Durchgangsraum, der ohne Funktionen mit dem Thema der blauen Fassadenbänder fast den Charakter eines Außenraums hat. Es wäre wünschenswert, den Moment des Ankommens in diesem Atrium entsprechend zu gestalten und hier einen Ort zu schaffen, der das Innere des Gebäudes, mit seinen unterschiedlichen Nutzungen und seiner inneren Logik, sichtbar macht.
Das Gebäude ist als Skelettbau geplant, die Außenwände im EG in Infraleichtbeton, Wände und Deckenuntersichten in Sichtbeton. Die Fassaden sind als Pfosten-Riegel-Elemente aus Holz, dreifach isolierverglast und z.T. mit Schallschutzverglasung gedacht. Der Sonnenschutz erfolgt über Jalousien. Vor den Brüstungsbändern und Teilen der Außenwand wird ein mineralisch gedämmtes, vorgehängtes, belüftetes Fassadensystem mit keramischen Platten angebracht.
Der Serverraum, der einen hohen Sicherheitsaspekt hat, ist in der Planung nicht nachgewiesen. Die Vorgabe von mindestens 50 PKW-Stellplätzen wird knapp nicht erreicht.
Im Blick auf die Höhenentwicklung bedarf es der Abstimmung mit dem Brandschutz und den städtischen Ämtern.
Im Energiekonzept wird die thermische Bauteilaktivierung der Geschoßdecken genannt, sowie die mechanische Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung, die mit einen Erdkanal zur Vortemperierung der Zuluft ausgestattet ist. PV-Elemente auf dem Dach und ein Salzwasserspeicher als Batteriespeicher im UG ergänzen das Konzept.
Insgesamt bietet der Entwurf ein sehr spannendes Konzept für den Neubau des Funktionsgebäudes der RNV, das mit seiner bunten Fassade ein vieldeutiges Statement setzt.