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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2021

Verwaltungsneubau am Neugrabener Bahnhof in Hamburg

Perspektive Eingang

Perspektive Eingang

Engere Wahl

caspar.

Architektur

Werner Sobek AG

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Leitbild und Idee


Das neue Bezirksamt Harburg ist ein robustes, flexibles und nachhaltiges Verwaltungsgebäude, welches den Bürger einlädt und ein Stück Stadtreparatur

und Lebendigkeit erzeugt.


Das neue Gebäude ist Bindeglied zwischen dem lebhaften Zentrum von Neugraben und dem ruhigeren Wohngebiet des neugeplanten Quartiers Vogelkamp. Es erzeugt Kontrast und Einklang zugleich, durch eine klare und zurückhaltende Architektursprache mit hohem Wiedererkennungswert.


Das 6-geschossige Haus nimmt die Höhe der Nachbarbebauung auf und betont die Ecke an der Neugrabener Bahnhofsstraße. Zusammen mit dem

Polizeikommissariat bildet der Neubau einen starken Akzent als Auftakt zur Fußgängerzone. Die Kubatur gliedert sich dezent in einen Sockel, der die

öffentlichen Angebote des Bezirksamtes beherbergt, und in eine Turm Zone, mit den zugehörigen Backoffice Bereichen. Eine großzügige Öffnung über Eck markiert klar den Eingang und leitet den Besucher in das Foyer.


Das transparente Erdgeschoss bildet mit dem Foyer und dem Sitzungssaal den einladenden Auftakt ins Gebäude. Schon vom Eingang zentral sichtbar sorgt die vertikale Erschließung mit dem großzügigen, von oben natürlich belichteten Treppenhause, für klare Orientierung. Im ersten Obergeschoss wird der Bürger mit einem offenen und freundlichen Wartebereich im Kundenzentrum empfangen. Die öffentlichen Zonen werden durch das zweite Obergeschoss mit dem Frontoffice des Jugendamtes sowie einer großzügigen Terrasse vervollständigt. Das Raumkonzept ermöglicht die flexible Teilung der Büroflächen und Einteilung von Zellenbüros bis hin zu Bürolandschaften. Die begrünten Terrassen auf jedem Stockwerk sind sowohl Rückzugsorte als auch Kommunikations-hubs.


Das Gebäude ist als Holzhybridkonstruktion konzipiert, die nicht nur zur Nachhaltigkeit beiträgt, sondern durch ihre biophile Atmosphäre auch ein gesundes Raumklima und gesundes Arbeiten fördert. Die Fassade aus recycelten Ziegeln und Fensterelementen aus acetyliertem Holz folgt dem Konstruktionsraster und wird durch vertikale und horizontale Begrünung ergänzt.


Mobilität


Die Anlieferung erfolgt von Norden über den Neugrabener Bahnhof. Die benötigten 4 Stellplätze sowie Fahrradstellplätze werden in einer Garage ebenerdig im südwestlichen Gebäudeabschnitt bereitgestellt. Lagerflächen schließen an die Garage an. Für End-of-trip-Facilities wie Duschen und Umkleideräume ist im ersten Obergeschoss gesorgt.  


Cradle to Cradle


Das Gebäude folgt dem Cradle to Cradle Designprinzip und ist in kompletten Produktkreisläufen gedacht. Die ausgewählten gesunden Materialien sind leicht zu demontieren, sortenrein trennbar und dadurch vollständig rezyklierbar. Damit wird das Gebäude zum langlebigen und werthaltigen Rohstoffdepot, welches die Ressourcen nach dem Ende der Nutzungszeit wieder freigibt und somit zum Werterhalt der Immobilie beiträgt.

Das Gebäude erzeugt einen positiven Fußabdruck, beispielsweise indem es die Außenluft oder das Regenwasser reinigt oder Lebensräume für Pflanzen und Tiere schafft. Durch die Nutzung und Produktion erneuerbarer Energien liefert das Gebäude Energie. 


Tragwerk – CO2 Speicher


Allgemein kann das Tragwerkssystem des vorgestellten Entwurfs als Holz-Beton Hybridbauweise beschrieben werden, welche einer bewährten Bauweise im mehrstöckigen modernen Holzbau in der europäischen Region entspricht.

Der Kern aus Ortbeton ist mittig im Gebäude platziert und trägt nicht nur die horizontalen Lasten ab, sondern spielt auch im Brandsicherheitskonzept als Hauptfluchtweg eine wichtige Rolle. Um den zentralen Kern wird ein Skelett aus Brettschichtholz (BSH) -stützen und Stahlträgern errichtet. Entlang der Fassade bilden die Stützen ein Raster von 2,7 m, während im Inneren die Abstände zwischen den Stützen auf 5,4 m – 8,1 m erhöht werden. Zwischen den Inneren Stützen spannen Stahlträger, welche wiederum die Holzdeckenelemente tragen. Die Spannweiten garantieren eine sehr wirtschaftliche, aber gleichzeitig hohe Flexibilität im Innenbereich. Durch die klare, wiederholende Rasterung lässt sich dieses System sehr gut in Elementbauweise errichten. Die vorgefertigten Holzelemente werden auf der Baustelle aufgelegt und nur Verbindungstachen mit Ortbeton vergossen. Dies verkürzt die Bauzeit und minimiert zudem den innerstädtischen Eingriff.


Für die Holzdecken wurde ein vorgefertigtes Kassettendeckensystem gewählt, welches einer Vollholzlösung entspricht und daher ein Drittel des Eigengewichtes gegenüber Betonhybrid Holzdecken Systemen von ähnlicher Spannweite hat. Die Kassettenelemente können eine Feuerwiderstandsklasse von 90 Minuten erreichen und können für den Akustik- und Trittschalldämmbedarf ausgerüstet werden. Auch eventuelle Leitungen und Rohre können in den Kastenelementen verbaut werden, um an Platz zu sparen. Die Vorteile von Holz sind die positiven Auswirkungen auf das Raumklima und die hohe haptische Qualität. Da der nachwachsende Rohstoff Holz während des Wachstumes CO2 speichert, welches so während der Gebäudenutzung dort eingelagert wird, leistet das Tragwerkt einen signifikanten und aktiven Beitrag zur Nachhaltigkeit des Gebäudes und zum Klimaschutz. Durch die Nutzung von Recyclingbeton lässt sich dieser Effekt weiter vergrößern.


Die Stahlträger wurden bis jetzt als generische I-Profile angenommen, allerdings wären hier auch effiziente und deckengleiche Modullösungen wie der Deltabeam von Peikko denkbar. Für die Terrassen und Rücksetzungen der Fassade sind zwar Abfangträger aus Stahl notwendig, es wurde allerdings darauf geachtet, dass die Last und Spannweiten in den Abfangträgern begrenzt bleibt, um die Momente und Durchbiegungen in diesen zu begrenzen.

Um die horizontale Last aus der Fassade in den Betonkern zu leiten, ist die Scheibenwirkung in Deckenebene notwendig. Die Scheibenwirkung wird durch einen Randträger aus Stahlbeton erzeugt, welche entlang des gesamten Randes jeder Decke geführt wird. Auch dieser Randbalken kann aus Fertigteilelementen und Spannschlossverbindungen zusammengesetzt werden, um den Bauablauf zu beschleunigen.

Insgesamt wird durch eine modulare Herangehensweise des Tragwerks ein effizienter Aufbau ermöglicht, welche gleichzeitig genug Flexibilität für einen eventuellen Abbau oder Umnutzung des Gebäudes zulässt.


Brandschutz


Grundsätzlich wird das Gebäude in zwei Brandabschnitte unterteilt. Das verbindende Atrium wird brandschutztechnisch als eigenständige Nutzungseinheit angesehen. Durch die sicherheitstechnische Anlagenstruktur (u.a. BMA und MRA) wird es ermöglicht, dass es sich um eine Verglasung zwischen dem Atrium und den angrenzenden Nutzungseinheiten bzw. Geschossen handeln kann. Die Rettungswege werden grundsätzlich baulich sichergestellt durch die Verbindung von notw. Treppenräumen, notw. Fluren und offenen Gängen. Die Fläche für die Anleiterung der Fassade wird auf der Neugrabener Bahnhofsstraße nachgewiesen.


Energiekonzept/Nachhaltigkeit


Der Entwurf zeichnet sich durch höchste Ansprüche an die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit aus. Ziel des ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzeptes ist es, die Umweltwirkungen der Bebauung über den gesamten Lebenszyklus hinweg auf ein Minimum zu beschränken. Dabei werden alle Phasen des Lebenszyklus, also Herstellung, Nutzung und Betrieb sowie die Instandhaltung und der Rückbau, gleichermaßen berücksichtigt.


Das Energiekonzept basiert auf einer intelligenten und standortspezifischen Kombination aus aktiven und passiven Maßnahmen, die im Ergebnis zu einem Optimum in Bezug auf die wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit führen.

Das Gebäude wird mittels einer Fernwärme beheizt. Durch den Einsatz Der Fernwärme finden auf dem Gelände selbst keine Verbrennungsprozesse zur Wärmeerzeugung statt. Dadurch vermeidet der Gebäudekomplex eine zusätzliche Belastung der innerstädtischen Luft mit gesundheitsschädlichen Emissionen. Optional wäre eine Beheizung mit einer Wärmepumpe möglich und darstellbar. Die Beheizung der Räume erfolgt über eine Fußbodenheizung.

Die optimierte Gebäudehülle trägt zur Verringerung von Wärmeverlusten und gleichzeitig zu einer Reduzierung des Wärmeeintrags bei, wodurch die Kosten für den Energiebedarf des Gebäudes in der Nutzungsphase minimiert werden. Die Dächer werden durch den Einsatz der Fernwärme und ein designiertes Technikgeschoss für eine PV-Anlage freigehalten.

Die Überschreitung der CO2-Grenzen in den Büroräumen führt zur Müdigkeit, Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit, Kopfschmerzen sowie zur Leistungsminderung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Um diese unerwünschten Ereignisse zu vermeiden ist eine mechanische Be- und Entlüftung aller Räume vorgesehen. Durch die Lüftungsanlage im Technikgeschoss wird die vorkonditionierte Luft den einzelnen Räumen zugeführt. Zur Temperierung der Räume wird eine adiabatische Kühlung vorgesehen Die adiabatische Kühlung über Wasser ist eine Verdunstungskühlung der Fortluft. Dies führt dazu, dass die Zuluft ohne elektrische Energie herabgekühlt werden kann.

Die Regelung der Luftmenge erfolgt in Abhängigkeit des CO2-Gehalts im Raum. Mittels der Einzelraumregelung wird die mechanische Lüftung raumweise und bedarfsabhängig an die CO2-Konzentration angepasst. Dadurch werden die Wärme- und Stromverbräuche der zentralen Lüftungsanlage minimiert bzw. die Energieeffizienz des Gebäudes erhöht.

Als energieeffiziente Gebäudelüftung ist eine automatische Nachtauskühlung vorgesehen. Mit Hilfe von Lüftungsanlagen wird die kühle Nachtluft nach innen geleitet, um die während des Tagesbetriebs gespeicherte Raumwärme abzuführen und somit eine natürliche und umweltfreundliche Kühlung zu

realisieren. Die RLT-Anlage wird mit einer hocheffizienter Wärmerückgewinnung ausgestattet.

Für die Warmwasserbereitung sind dezentrale elektrische Durchlauferhitzer vorgesehen. Dadurch werden lange Leitungswege vermieden und

die Wärmeverluste reduziert.

In den Geschossen erfolgt die Kabelverlegung in den Zwischendecken. Die Gebäudeautomation erfolgt über I/O Module, welche eine flexible und integrierbare Steuerung ermöglichen.

Das Gesamtsystem wird durch eine intelligente Gebäudeleittechnik GLT gesteuert. Datenerfassung und Auswertung sorgen für eine angepasste, zeitgemäße und systematische Datenverarbeitung, verbunden mit dem Aufzeigen von Optimierungspotential, in Korrelation zum tatsächlichen Energieverbrauch und aktuellem Verbrauchsverhalten.

Die Steuerung der Haustechnik erfolgt CO2-, temperatur- und präsenzabhängig und ist mit einem intelligenten Energie-Management-System verknüpft. So wird die Gebäudetechnik prädikativ an Schwankungen angepasst und verbraucht nur dann Energie, wenn es auch wirklich erforderlich ist.

Der CO2-Fußabdruck des Gebäudekomplexes soll durch die Integration von Photovoltaik reduziert werden. Der erzeugte Strom über Photovoltaikanalagen wird für den Betrieb der Wärmepumpe, Ladestationen und dem anfallenden Strom wie Allgemeinbeleuchtung etc. genutzt.


TGA und Tragwerk: Werner Sobek AG

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Beitrag verwendet eine einheitlich gerasterte Klinkerfassade mit verschiedenen rückwärtigen Terrassenebenen, die dem Gebäude einen besonderen Charakter geben. Dieser Eindruck wird von einer umfangreichen Dach- und Fassadenbegrünung unterstrichen, die im Stadtraum markant in Erscheinung tritt. Das Gebäude ist von einer großen Transparenz geprägt und scheint gut für ein öffentliches Gebäude geeignet. Dem positiven Eindruck der äußeren Gestalt steht allerdings eine weniger schlüssige innere Organisation gegenüber. Der zentrale Treppenhauskern mit seinen unterschiedlichen Ausgängen erschwert die Orientierung im Gebäude und ist in dieser Form auch nicht als Sicherheitstreppenraum geeignet. Im Erdgeschoss erhält der Sitzungssaal den Vorzug gegenüber dem Kundenzentrum das in den Obergeschossen angesiedelt ist. Hier mangelt es an Übersichtlichkeit und Orientierung und durch die fließenden Übergänge, die Doppelung von Flurzonen und die Anordnung von Wartebereichen in den Fluren wird ein hoher Verkehrsflächenanteil erzeugt und es fehlen ruhige Bereiche in dem Gebäude. Bei der Betrachtung der Lebenszykluskosten stehen der Langlebigkeit des Ziegelmauerwerks die sehr hohen Reinigungskosten für die großen Glasanteile entgegen, so dass der Entwurf im Vergleich die ungünstigsten Werte erreicht. Insgesamt bietet die Arbeit somit einige positive Ansätze, das Gesamtbild reicht aber nicht aus, um in die Gruppe der Preisträger aufgenommen zu werden.

Perspektive Blick auf Terrasse

Perspektive Blick auf Terrasse

Piktogramme

Piktogramme

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Grundriss 2. Obergeschoss

Energetischer Gebäudeschnitt

Energetischer Gebäudeschnitt

Tragwerksaxonometrie

Tragwerksaxonometrie

Tragwerksskizze

Tragwerksskizze