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Award / Auszeichnung | 06/2008

Schulbaupreis 2008 - Auszeichnung beispielhafter Schulbauten in Nordrhein-Westfalen

Gymnasium Dionysianum Rheine

Gymnasium Dionysianum Rheine

Rheine: Erweiterung des Gymnasiums Dionysianum

Auszeichnung

Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

Erläuterungstext

Erweiterung Gymnasium Dionysianum (1999 – 2002):

Das im Jahre 1659 gegründete Gymnasium Dionysianum in dem im nordwestlichen Münsterland gelegenen Rheine wird zur Zeit in der aus 26 Klassen bestehenden Sekundarstufe I von 721, in der Sekundarstufe II von 290 Schülerinnen und Schülern besucht.

Die Erweiterung des Gymnasiums Dionysianum durch Josef Paul Kleihues war in erster Linie eine städtebauliche Disposition:
Die beziehungslosen Einzelbauten der bestehenden Schule aus drei Epochen werden in eine neue, einprägsame städtebauliche Figur zusammengeführt. Der Entwurf erwächst aus der baulichen Entwicklung der Schule der letzten hundert Jahre und vollendet die desperate Situation durch einen kraftvollen Eingriff, der die vorhandenen Teile zu einem neuen Ganzen zusammenführt:
Betrachtet man allein die abstrakten Baumassen, so wird das alte Hauptgebäude Frankes, der Verbindungsbau aus den sechziger Jahren und der nördlich gelegene Klassentrakt aus den siebziger Jahren nur ergänzt. Architektonisch jedoch verbindet und verkörpert die dritte Erweiterung des Dionysianums Alt und Neu, Gestern und Heute. Kleihues Neubau verleiht der Schule einen neuen, zeitlosen Charakter. Die besondere Stärke des Entwurfs liegt im Integrieren der einzelnen Trakte des Gymnasiums als Teile des neuen Ganzen. Sie werden in ihrer Erscheinung und Funktion aufgewertet und respektiert, nicht links liegen gelassen oder konzeptionell verneint, vielmehr gehen sie als ein integraler, selbstverständlicher Bestandteil in der neuen Figur auf.
In zwei Bauabschnitten werden Süd-, West- und der Ostflügel mit neuer Sporthalle errichtet, ohne den Schulablauf in der Bauphase wesentlich zu beeinträchtigen. Der Neubau als Rückrat stärkt, verbindet und hält zusammen. Es entsteht eine markante städtebauliche Figur mit differenzierten, prägnanten Außenräumen. Die Ansicht von der Anton-Führer-Straße wird von den Bauten Frankes, der Kirche und dem Gründungsgebäude der Schule, dominiert. Der Südflügel des Neubaus springt respektvoll zurück und stärkt zugleich mit einer ruhigen, unaufgeregten Lochfassade die ehrwürdige Erscheinung des solitären Kirchenbaus.
Im Westen löst sich ein gläserner Fassadenvorsprung über zwei Geschosse vom orthogonalen Raster und folgt dem geschwungenen Straßenverlauf. Der sonst eher geschlossene Baukörper reagiert hier auf die unmittelbar angrenzende, offene Wohnbebauung mit einer schimmernden und spiegelnden Glasfassade, aufgeständert auf Stützen und offen zum Innenhof der Schule. Die vermeintliche Enge der kleinen Wohnstraße wird durch den hier offenen Innenhof visuell aufgeweitet. Obwohl der Neubau direkt bis an die Straße heranreicht, entfaltet sich hier räumliche Weite, ohne die benachbarten Wohnhäuser zu erdrücken.
Im Norden wird der vorhandene Schultrakt von 1977 seitlich flankiert und eingefaßt. Östlich schließt die neue Sporthalle im zweiten Bauabschnitt unprätentiös an, westlich dagegen wird das Ineinanderfügen von Alt und Neu durch eine markante Ecklösung zelebriert.
Der Bereich hinter dem Hauptgebäude Frankes wurde von kleinen Anbauten und der mittlerweile baufälligen Sporthalle aus den sechziger Jahren befreit. Die strengen, vorspringenden Fassaden der neuen Sporthalle grenzen die Schule deutlich vom östlichen Nachbarn ab und formulieren durch die geschlossene südliche Stirnseite als Gegenpart zur Rückfassade des Frankebaus wie selbstverständlich einen Eingang in das neue Foyer.

Markus Kilian
(Gymnasium Dionysianum Rheine. Josef Paul Kleihues; Tecklenborg Verlag; 2002)


Pädagogisch - architektonisches Konzept: Das Schulprogramm des Gymnasium Dionysianum betont das Spannungsverhältnis von Tradition und Moderne, Kontinuität und Wandel, Chance und Verpflichtung. Die Schule begreift sich als Raum des Zusammenlebens und Zusammenarbeitens, den Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern gemeinsam verantwortungsvoll und demokratisch gestalten. Sie betrachtet Fairness, Rücksicht und Leistungsbereitschaft als Voraussetzungen für die Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags. Als oberstes Leitziel gilt, dass die Schülerinnen und Schüler zu eigenständigen, sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft bewussten Persönlichkeiten heranreifen.

Die architektonische Konzeption des Neubaus ist auf dieses Leitziel in vielfältiger Weise bezogen:

- Alle Klassenräume des Neubaus sind, wie die des Altbaus, nach innen ausgerichtet. Dies fördert eine konzentrierte, gesammelte Arbeitsatmosphäre. Die Ausstattung aller Klassenräume mit modernen Medien einschließlich eines Internetanschlusses ermöglicht zugleich eine Öffnung nach außen, die symbolisch in der transparenten Glasfassade des Westflügels architektonisch überzeugenden Ausdruck findet.

- Die beinahe raumhohen Fenster der Klassenräume geben den Blick frei auf den atriumähnlichen, quadratischen Pausenhof, der neben seinem alltäglichen Zweck verschiedene andere Funktionen erfüllt: Er dient als Ort für Versammlungen, Open-Air-Konzerte und Filmaufführungen. In ähnlicher Weise ermöglicht das Forum, das Alt- und Neubau verbindet, neben den üblichen Formen des zufälligen Zusammentreffens geplante Begegnungen wie Konzerte, Gesprächsrunden, Vortragsveranstaltungen und Schülerdarbietungen unterschiedlichster Art. So sind Pausenhof und Forum Orte des Miteinanders, die Schule als einen gemeinsamen Lebensraum erfahrbar werden lassen.

- Die Klassenräume sind in ihrer Grundform auf klassischen Frontalunterricht ausgerichtet, der, recht verstanden, sehr wohl gerade auch entdeckendes und selbstständiges Lernen ermöglicht. Mit wenigen Handgriffen lassen sich jedoch die notwendigen Voraussetzungen für andere, häufig praktizierte Sozialformen des Unterrichts schaffen. Selbstständiges Lernen wird zudem insbesondere auch an drei anderen Stellen des Neubaus besonders gefördert: Die Schüler- und Lehrer-Arbeitsbibliothek bietet mit ca. 8000 Medien in Form von Nachschlagewerken, Büchern, Zeitschriften und elektronischen Datenträgern, einem nach modernsten Bibliotheksstandards angelegten digitalen Katalog, mehreren Einzelarbeitsplätzen, einer Diskussionsecke und einer Gruppenarbeitszone ideale Möglichkeiten zum selbstständigen, forschenden Lernen, daneben aber auch zum zwanglosen Gedankenaustausch, zur Partner- und Gruppenarbeit, zu kleineren Konferenzen. Der neue Chemietrakt beschränkt sich nicht auf einen großzügig ausgestatteten Vorbereitungsraum und zwei an ihn von jeweils beiden Seiten angrenzende Säle für experimentellen Unterricht , sondern verfügt zusätzlich über einen Laborraum, in dem Schülerinnen und Schüler selbstständig an Projekten oder Beiträgen zu Schülerwettbewerben arbeiten können. Die drei im Ostflügel des Neubaus untergebrachten Räume für Unterricht mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen aufgrund der auf unterschiedliche Art angeordneten Arbeitsplätze gleichermaßen klassische Formen des Frontalunterrichts und verschiedene Varianten von Einzel- und Gruppenarbeit.

- Mit der in den neu entstandenen Gesamtkomplex der Schule integrierten Zweifachturnhalle und dem zusätzlichen Sportfeld auf dem Dach spiegelt das dem Erweiterungsbau zugrunde liegende architektonische Konzept den in unserem pädagogischen Leitbild zum Ausdruck gebrachten Willen zu einer ganzheitlichen Erziehung wider. Gemeinschaftliches zielorientiertes Handeln, sei es geistig-intellektueller oder körperlich-sportlicher Art, setzt Leistungsbereitschaft, aber auch Fairness und Rücksichtnahme voraus. Daneben brauchen Schülerinnen und Schüler jedoch auch Möglichkeiten des Rückzugs, der Sammlung und Stille. Der Meditationsraum im Ostflügel bietet dafür ideale Möglichkeiten, die insbesondere in der Oster- und Weihnachtszeit von einzelnen Schülergruppen gerne genutzt werden.

- Die Schülerinnen und Schüler leisten in der SV, als Streitschlichterinnen und Streitschlichter und als Klassenpaten einen wichtigen Beitrag zu einem gelingenden Schulleben. Die dafür erforderliche organisatorische Arbeit erfolgt in einem eigens dafür eingerichteten Raum im neuen Südflügel. Für Freistunden steht den Schülerinnen und Schülern zusätzlich ein Aufenthaltsraum zur Verfügung. Die Nähe beider Räume zum Forum rückt die Aktivitäten unserer Schülerinnen und Schüler in das Zentrum der Schule.