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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2022

Städtebauliche Entwicklung „Hans-Böckler-Siedlung“ in Glückstadt

2. Preis

Preisgeld: 15.250

Johannes Kappler Architekten

Stadtplanung / Städtebau

Super Future Collective

Stadtplanung / Städtebau

RABE LANDSCHAFTEN | ARGE STUDIO URBANE LANDSCHAFTEN

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Hans-Böckler-Siedlung ist mehr als die Summe ihrer Häuser:

Von einer in die Jahre gekommenen Siedlung zu einem zukunftsfähigen Stadtquartier in Glückstadt-Nord. Der Entwicklungsvorschlag für die Hans-Böckler-Siedlung in Glückstadt sieht eine Transformation des Planungsareals vor, die auf der einen Seite die ortstypsichen Merkmale stärkt und auf der anderen Seite auch als exemplarischer Prototyp für den Umgang mit dem baukulturellen Erbe des Städtebaus der Moderne gesehen werden kann. Das Ziel des Transformationsprozesses ist es, der Hans-Böckler-Siedlung eine starke Identität unter Einbeziehung der bestehenden Struktur zu verleihen. Hierfür wird eine Strategie aus unterschiedlichen Maßnahmen vorgeschlagen, die ein konsistentes Gesamtbild ergibt:

Die Hans-Böckler-Siedlung als verbindende Nachbarschaft zwischen der Innenstadt und Glückstadt-Nord: Von einer Insellage zu einem offen vernetzten Stadtquartier. Dem städtebaulichen Modell der „autogerechten Stadt“ aus der Entstehungszeit der Hans-Böckler-Siedlung folgend ist das Planungsareal momentan ausschließlich über breite Straßenkorridore mit der Verkehrsinfrastruktur der Umgebung vernetzt. Die Wegeverbindungen zwischen den einzelnen Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden bieten keine räumliche Prägnanz und Orientierung. Im Zuge der Transformation des Gesamtareals soll das Quartier durch attraktive öffentliche Räume mit den Nachbarschaften verknüpft werden. Der zentrale Grünraum wird als linearer Park aufgewertet, der die Siedlung in Nord-Süd-Richtung mit dem Kulturdenkmal der Festungsgewässer und der Innenstadt in

eine direkte visuelle und physische Beziehung setzt. Die Verbindung in Ost-West-Richtung von der Straße „Am Norddeich“ bis zum Radschnellweg wird durch die Ausbildung einer neuen Quartiersmitte gestärkt. Diese Hauptstruktur wird auch im kleinmaßstäblichen Bereich durch ein vielschichtiges Wegenetz ergänzt, das gemeinschaftliche Freiflächen und öffentliche Gebäude wie die Elbschule, die Bürgerschule und die St. Marienkriche auf ideale Weise fußläufig und mit dem Fahrrad optimal erreichbar macht. Die Hans-Böckler-Siedlung als Gesamtquartier mit bezahlbaren Wohnungsangeboten für eine soziale Durchmischung: Von gleichen Wohntypen zu vielfältigen Wohnformen für unterschiedliche Lebensstile Aufgrund der geringen Varianz in der Zusammensetzung des Wohnungsangebots und der Wohnungsgrundrisse besteht bisher keine Möglichkeit, auf die Diversifizierung der Lebensstile von Singles, Paaren und Familien im Rahmen der demografischen Entwicklung zu reagieren. Das vorgeschlagene Entwicklungskonzept schlägt vor, durch eine Mischung aus Umbau und Neubau das Angebot insbesondere

im Bereich von Wohnungen unter 50 qm und über 90 qm zu erhöhen. Die Struktur der Bestandgebäude ermöglicht die Zusammenlegung von Wohneinheiten in horizontaler und vertikaler Richtung sowie die Ergänzung durch einen privaten Freiraum in Form eines Balkons oder Terrasse. Im Bereich der Quartiersmitte wird mit fünf Punkthäusern die bestehende Struktur aus Zeilen und Reihen durch einen neuen typologischen Baustein ergänzt, der eine maximale Flexibilität für barrierefreie Mehrgenerationenhäuser bietet. Insgesamt bilden sich innerhalb der zusammenhängenden Siedlungsstruktur eigenständige Cluster mit Häusergruppen, die den Bewohnerinnen und Bewohnern eine starke Identifikation mit ihrem Wohnumfeld erlauben. Die Ausbildung dieser Cluster ermöglicht die gewünschte modulare grundstücks- bzw. eigentümerbezogene Entwicklung in einzelnen Phasen.

Die Hans-Böckler-Siedlung als Nachbarschaft mit einer neuen Quartiersmitte: Von der Aneinanderreihung einzelner Wohngebäude zu einem Ort für ein soziales Miteinander. Wesentliches Kennzeichen der bestehenden Siedlungsstruktur ist die hierarchielose Aneinanderreihung einzelner Gebäude ohne Ausbildung charakteristischer Innen- und Außenräume für die Gemeinschaft. Dieses

Defizit wird durch die Schaffung einer neuen Quartiersmitte behoben, in der ausgewählte Erdgeschosszonen für gemeinschaftliche Nutzungen wie Waschsalon, Fahrradwerkstatt und Paketstation Angebote an Begegnungsräumen mit einer starken sozialen Bedeutung bieten. An zentraler Stelle ist ein fünfgeschossiges Wohngemeinschaftshaus vorgesehen, das über die Quartiersgrenzen hinaus ein Identitätsträger der neuen Hans-Böckler-Siedlung wird. Die Hans-Böckler-Siedlung als „grünes“ Quartier mit „gelebten“ Stadträumen: Von einer homogenen Grünanlage zu eine Raumfolge charakteristischer Freiraumangebote Der besondere Wert des zusammenhängenden Freiraums der Hans-Böckler-Siedlung wird durch die vorgeschlagene Entwicklungsmaßnahmen gestärkt. Dafür werden die bisher nur als begrünte Abstandsflächen artikulierten Räume zwischen den Gebäuden als gemeinschaftlich nutzbare Flächen für Freizeit, Sport und Selbstversorgung qualifiziert. Es entsteht ein vielseitig nutzbares und erlebbares Freiraumsystem mit altersübergreifenden Begegnungsräumen, das als Erweiterung des Wohnmilieus in den Einzelgebäuden konzipiert ist und Möglichkeitsräume zur Aneignung durch die Bewohnerschaft bietet. Dieses System wird durch die zentrale naturnahe Parkachse ergänzt. In dieses differenzierte Freiraumangebot lassen sich die Standorte für Anbauflächen, Gewächshäuser, Entsorgungsanlagen und Abstellräume auf optimale Weise integrieren. Die Hans-Böckler-Siedlung als Ort mit einem Angebot an unterschiedlicher Mobilitätsformen: Von einer Erschließungsstruktur mit Durchgangsstraßen zu einer Nachbarschaft mit weitestgehender Verkehrsberuhigung Das Ziel der Entwicklungsmaßnahmen ist es, den zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohnern ein optimales Mobilitätsangebot an eigenen und geteilten Verkehrsmitteln (PKW, E-Bikes, Lastenfahrräder) zur Verfügung zu stellen. Hierfür ist in der neuen Quartiersmitte eine multifunktionale Mobilitätsstation in unmittelbarer Nähe zur Bushaltestelle geplant, an der auch der Lieferverkehr gebündelt werden soll.

Die Gerhart-Hauptmann-Straße wird als Teil der neuen Quartiersmitte in Form einer autofreien Platzfläche ausgebildet, die Klaus-Groth-Straße in eine Mischverkehrsfläche mit einer Priorisierung für Fußgängerinnen und Fußgänger transformiert. Ergänzt wird diese Struktur durch ein großzügiges Angebot an Abstellflächen für Fahrräder. Die Hans-Böckler-Siedlung als emissionsarmes Stadtquartier für einen nachhaltigen Klimaschutz: Von einem minimalen Einsatz lokaler Energie- und Baustoffquellen zu einer ressourcenschonenden Gesamtstruktur Durch den Erhalt der Mehrzahl der Gebäude in der Hans-Böckler-Siedlung geht ein Großteil der grauen Energie der Bestandgebäude durch die vorgeschlagenen Entwicklungsmaßnahmen nicht verloren. Gleichzeitig verbessert sich durch den Einsatz lokaler Energie- und Baustoffquellen im Rahmen des Umbaus und Neubaus die Energiebilanz der Hans-Böckler-Siedlung deutlich. Die durch den Abriss der Häuser entlang der Gerhart-Hauptmann-Straße freiwerdenden Materialien sollen in recyclierter Form vor Ort wiederverwendet werden. Die bestehenden Freiräume dienen als großzügige Retentions- uns Verdunstungsflächen nach dem Schwammstadt-Prinzip und sorgen für eine vielfältige Biodiversität im Quartier. Durch die zusätzliche Nutzung der Freiräume als Anbauflächen für die tägliche Versorgung entstehen nicht nur positive Effekte für die soziale, sondern auch für die ökologische Nachhaltigkeit

des Projekts.Mit dieser umsetzungsorientierten Strategie entsteht ein in vielerlei Hinsicht zukunfstweisendes Stadtentwicklungsprojekt für Glückstadt, Schleswig-Holstein und darüber hinaus.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Idee der Schaffung einer neuen, homogen bebauten Quartiersmitte bei weitgehendem Erhalt der Bestandsbebauung wird sehr positiv bewertet. Über die Integration der Straßen (Klaus-Groth-Straße, Gerhardt-Hauptmann-Straße) in den Freiraum, verschmilzt die bislang in ein Nord- und Südquartier getrennte Siedlung hierdurch zu einem Ganzen.

Der deutliche Eingriff in der Quartiersmitte wird allerdings auch kontrovers diskutiert. Kritisch gesehen wird insbesondere die architektonische Ausformulierung in der Kubatur und der Höhenentwicklung.

Die Vernetzung der gesamten Siedlung über einen sinnhaft ausformulierten, zusammenhängenden Grünraum, in dem unterschiedliche Aneignungen möglich sind, überzeugt die Jury. Die vorgeschlagenen Freiräume sind gefahrlos von Jung und Alt zu nutzen, da sie von MIV weitgehend freigehalten sind. Dass die Bestandsbäume weitestgehend erhalten bleiben, freut die Jury ebenfalls.

Die Vorschläge zur Vitalisierung des Bestandes weisen im Kontext der neuen Freiraumstruktur eine hohe städtebauliche Qualität auf. Das bislang vorhandene Nebeneinander von Gebäuden und Freiraum wird durch die vorgeschlagenen Maßnahmen zu einem Miteinander verwoben. Auch die Schaffung von privaten Freisitzen im halböffentlichen Raum überzeugt, da diese zur Förderung des nachbarschaftlichen Lebens beitragen können.

Die vorgeschlagene Strategie zum Umgang mit den Bestandsgebäuden findet besondere Anerkennung. Alles was den Wohnungen fehlt, wird sinnhaft ergänzt: Den Gebäuden werden Gemeinschaftsräume, Ateliers, Büros und Werkstätten hinzugefügt und überzeugend in die städtebauliche Figur integriert. Bauliche Möglichkeitsräume werden sensibel und dezentral im Frei-raum platziert.

Auch die Umnutzungsvorschläge für die Bestandgebäude mit vertikalen und horizontalen Veränderungen der Grundrissstruktur werden als sehr positive Anregung bewertet.

Die Priorisierung der öffentlichen und alternativen Mobilitätsstrukturen wird anerkannt, jedoch wird eine tragfähige Lösung zur Unterbringung der privaten KFZ vermisst.

Die fußläufige Verbindung über die Carl-Legien-Straße Richtung Einkaufsmöglichkeiten und Schule müsste besser in das Verkehrskonzept integriert werden.

Die Arbeit überzeugt durch die sensible Weiterentwicklung der ursprünglichen Siedlungsstruktur und die selbstbewusste Setzung im zentralen Bereich. Kritisch gesehen wird dennoch die architektonische Ausformulierung der Mitte und das Nichtausformulieren des Mobilitätskonzeptes.

Es besteht Vertrauen darin, dass der Entwurf sukzessiv umgesetzt werden könnte, ohne die Sozialstruktur zu verändern.

Bestandshaus

Bestandshaus

neues Gemeinschaftshaus

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