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Zweiphasiger kooperativer städtebaulicher Einladungs­wettbewerb mit freiraum­planerischer Vertiefung | 03/2022

Städtebauliche Revitalisierung Areal Industriehof Speyer

Plan 1

Plan 1

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

Rustler Schriever Architekten PartG mbB

Stadtplanung / Städtebau

RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext


Rustler Schriever Architekten

Pia Maier Schriever, Dipl.-Ing. Architektin BDA, Prof. Juergen Rustler, Dipl.-Ing. Architekt BDA

Mitarbeiter: Manuel Glemser MSc. Arch., Marius Druyen B.Eng. Arch., Eva Girschik B.Eng. Arch.


RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitektur

Stephan Lenzen, Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsarchitekt

Mitarbeiter: Thomas Kißmann Dipl.-Ing. (FH), Beiyi Wang MSc. Stadtplanung, Asif Adnan M.Eng. Landschaftsarchitektur

 


Erläuterungstext


Städtebauliches Konzept - Umgang mit dem Baudenkmal

Die Identität des historischen Industriehofes mit seiner einzigartigen Geschichte der Celluloid-herstellung in Speyer wird herausgearbeitet und gestärkt, indem die bedeutensten historischen Gebäude behutsam saniert werden und die weniger identitätsstiftenden Gebäudeteile rückgebaut werden. Das historische Erbe wird in seiner Vielschichtigkeit erlebbar. Aus der Struktur der Bestandsgebäude heraus, werden neue Baukörper gesetzt, welche das Areal ergänzen, verdichten und zeitgemäß erweitern. Durch die präzise Setzung der Erweiterungsbauten auch an den Außen-kanten wird das Areal erst richtig gefasst und zu einem Industriehof-Quartier verbunden - ein heterogenes urbanes Stadtquartier entsteht.

 

Ein neuer Vorplatz mit einem markanten neuen Turm im Osten ist adressbildend und definiert das Eingangstor auf das Areal. Eine Zufahrt von der Franz-Kirrmeier-Straße führt alle Besucher, Anwohner und Gewerbetreibende auf den urbanen Industriehof. Der neue Turm mit großer Fernwirkung bildet mit dem neuen Baukörper zur Franz-Kirrmeier-Straße ein neues Ensemble aus hochwertigen Büroetagen, zeitgemäßem Wohnen mit Blick auf den Rhein und Gewerbenutzung als Auftakt in den Industriehof.

 

Im Inneren wird die zentrale Hauptachse vom Verkehr beruhigt und als Herz der Anlage betont, hier erleben die Besucher zu Fuß und mit dem Fahrrad den historischen Charme des Industriehofes.

Die Entwicklung der Industriearchitektur mit ihren charakteristischen Konstruktions- und Gestaltungsformen für die Celluloidherstellung bleibt auch weiterhin ablesbar und wird für die Öffentlichkeit als Baudenkmal erlebbar. Gebäude mit hoher Flexibilität entstehen, die unter-schiedliche Nutzer ansprechen und auch für zukünftige Entwicklungen in ihrer Struktur offen bleiben (Hybrid-Gebäude, Gewerbe-Wohn-Lofts).

 

Im Westen entsteht ein großer neuer Quartiersplatz, der den Industriecharme des Areals für die Öffentlichkeit mit hoher Aufenthaltsqualität erlebbar macht. Gastronomie, kulturelle Nutzungen, aber auch kreative Gewerbe und Start-ups lassen sich hier verorten. Die Atmosphäre des Orts lässt vielleicht auch ein neues Gründerzentrum in Speyer entstehen. Die neuen Bauvolumen mit einer Mischnutzung aus Gewerbe und Wohnen ergänzen den Industriehof und fassen das Areal nach Süden zum Park.

 

Die Wohnbebauung im Süden wird aus der bestehenden Struktur weiterentwickelt, das Erschlies-sungssystem wird als Rundwegführung durch die Wohnbebauung ergänzt. Der Höhenversatz aus dem Wohngebiet zum Industriehof wird entlang des Grünzuges im Gelände modelliert.

 

Im Norden des Industriehofes sehen wir eine Quartiersgarage als schmales Neubauvolumen vor, welche auch das hohe Schallaufkommen von Seiten des angrenzenden Logistikzentrums für das neue Stadtquartier entscheidend dämpfen wird. Die historische Halle 19 binden wir mit in die Planung ein, die Konstruktion der historischen Halle wird dadurch für die Öffentlichkeit erlebbar. Der ruhende Verkehr für das gesamte Areal, sowie eine Vielzahl an Fahrradstellplätzen können hier verortet werden und führen die Besucher, Anwohner und Gewerbetreibende direkt aus der Industriearchitektur in das historische Herz des Industriehofes hinein.

 

Freianlagen

Als Investition in die nachhaltige und klimaneutrale Zukunft der Stadt Speyer entstehen auf dem Gelände des Industriehofes besondere und abwechslungsreiche Freiräumen die es sonst nirgendwo in der Region direkt am Rhein gibt. Seine einzigartige Identität beginnt schon mit dem großzügigen Auftaktplatz. Dieser stellt abwechslungsreiche und multifunktionale Freiflächen zur Verfügung. Der direkte Sichtbezug zum Rhein wird durch eine behutsame Öffnung des Deiches hergestellt die im Hochwasserfall leicht geschlossen werden kann.

Der Auftakt- und Empfangsbereich führt direkt in die inneren Bereiche des Areals. Dort entstehen in einem besonderen Rhythmus größere und kleinere multicodierte Freiräume die mit der einzigartigen Atmosphäre interagieren die sich aus dem reizvollen Zusammenspiel aus vorhandener und neuer Bebauung ergeben. Dieses urbane Grün kommuniziert durch viele Sichtachsen- und Öffnungen sowie fußläufigen Verbindungen mit den naturnahen Freiflächen des ausgedehnten südlichen Grünzuges.

 

Die urbanen Freiräume sind bewusst offen gestaltet, für alle erlebbar und ermöglichen vielfältigste Nutzungen. Locker verteilte Grüne Pflanzinseln, bestehend aus klimaresilienten Bäumen und Sträuchern, verbessern durch ihre Transpiration und Schattenspende das örtliche Mikroklima und kommunizieren mit dem naturnahen südlichen Grünzug.

 

Ein zentrales Ziel der Freiraumplanung ist zudem, dass aus Gründen des Umwelt-, Klima- und Hochwasserschutzes, die Potentiale der Dach- und Hofflächen im Sinne einer urbanen, nachhaltigen und klimaneutralen Freiraumplanung optimal ausgenutzt werden. In den neugebauten Bereichen werden die anfallenden Regenwässer zukünftig dezentral behandelt. Gesammelt wird das Regenwasser auf den extensiven- und intensiven Retentionsgründächern sowie auf allen befestigten Flächen, um es vorrangig in die Freiflächen des südlichen Grünzuges abzuleiten. Dort werden die Niederschläge in wechselfeuchten Biotopbereichen behandelt die genug Raum für Retention, Reinigung und Versickerung vor Ort bieten.

 

Erschließungskonzept

Der neue Vorplatz mit dem Turm definiert präzise das Eingangstor auf das Areal. Eine Zufahrt von der Franz-Kirrmeier-Straße führt alle Besucher, Anwohner und Gewerbetreibende auf den urbanen Industriehof. Der PKW Verkehr wird direkt zur großzügigen neuen Quartiersgarage geführt, PKW-Stellplätze und Fahrradstellplätze werden für die Anwohner, Besucher und Gewerbetreibende angeboten, so dass der Großteil des ruhenden Verkehrs hier untergebracht werden kann. Eine großzügige Erschließungsstraße führt in einem Rundweg über das gesamte Gelände, erschließt den gesamten Westteil des Areals mit seiner urbanen Mischnutzung aus Gewerbe, Kunstquartier und Wohnen und führt den Anlieferverkehr in der historischen Achse am Arealschornstein von Nord-West wieder zum Eingang im Osten, so dass alle bestehenden und neuen Gebäude in einer Rundfahrt bestens angeliefert werden können.

Die historische Achse durch den Industriehof bleibt als zentrale Achse erlebbar und frei von Verkehr, hier erleben die Besucher zu Fuß und mit dem Fahrrad den Industriehof mit allen Zeitschichten und werden im Herzen des Areals hin zum großen neuen Quartiersplatz mit seiner pulsierenden Mischung aus Kunst- Kultur- und Gewerbe geführt.

 

Vision – Transformation des Baudenkmals zu einem pulsierenden Stadtquartier

Die Identität des historischen Industriehofes wird mit dem vorliegenden Gesamtkonzept heraus-gearbeitet, gestärkt und mit allen Zeitschichten erlebbar. Ein heterogenes Stadtareal entsteht und verbindet das kulturelle Erbe mit einem zeitgemäßen Mix aus Startup-Szene, Gründerzentrum und hochwertigem Arbeiten im neuen Büroturm und urbanem Wohnen direkt mit Blick auf den Rhein.

Der Charme des Industriezeitalters transformiert in ein neues Stadtfeld des 21. Jahrhunderts.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit schafft mit ihrer robusten konturgebenden Fassung im südlichen und nordwestlichen Teil des Areals eine neue städtebauliche Figur, die als introvertierte und schützende Geste des Industriehofes interpretiert wird. Dabei kann der orthogonalen Ausrichtung, sowohl im Außen- als auch im Innenbereich der Anlage, eine klare und beruhigende Wirkung attestiert werden. Das Abrücken der reinen Wohnbebauung im südlichen Teil des Wettbewerbsgebietes erleichtert den topographischen Übergang zum Wohngebiet Rheinufer-Nord und befördert den Gedanken einer durchgehenden West-Ost-Grünvernetzung als öffentlich nutzbarer Parkraum.

Die Erschließung über eine Hauptzufahrt von der Franz-Kirrmeier Straße mit einer großen Erschließungsschleife wird als belastbarer Lösungsansatz bewertet. Allerdings wird eine Überlagerung mit der zentralen Hauptachse, die als Verbindungselement der beiden Quartiersplätze beschrieben wird, im Preisgericht kritisch diskutiert.

Auch die dezentrale Anordnung des ruhenden Verkehrs auf lediglich zwei Quartiersgaragen kann nicht überzeugen. Ferner wird die städtebauliche Positionierung des westlichen Parkhauses an den öffentlichen Grünzug als unangemessen bewertet. Vereinzelte Stellplatzangebote entlang der Erschließungsstraßen werden als Parkraumkosmetik und in dieser Form als wenig realistisch erachtet.

Positiv herausgestellt wird dagegen das großzügige Parkband, welches sich von Westen bis zur Franz-Kirrmeier Straße entwickelt. Die Solitärstellung der denkmalgeschützten Villa ohne flankierte Bebauung in Verbindung mit einem überinstrumentarisierten Park ist aus Sicht des Preisgerichts keine dem Ort angemessene Antwort. Die Sichtachsen auf das Solitärgebäude bleiben zwar erhalten, die vollständige Freistellung birgt aber keinen Mehrwert für den nutzbaren Freiraum.

Diese öffentliche Freiraumtypologie kann somit dem Anspruch als soziales Bindeglied zwischen den Nachbarschaften (Wohngebiet und Industriehof) in angemessener Weise nachkommen. Ferner werden die insgesamt drei fußläufigen Verbindungselemente als konzeptstützend und städtebaulich notwendig angesehen. Freiraumthemen die sich zwischen Retention, Biodiversität und aufenthaltsrelevanten Nutzungen bewegen sind ausgewogen durchgearbeitet und unterstreichen die Bedeutung der infrastrukturellen Freiraumsysteme.

Die gewünschte soziale und funktionale Nutzungsmischung im Areal, die einen vielfältigen und lebendigen Austausch innerhalb des Quartiers erwarten lassen, bleibt leider hinter den Erwartungen der Auslobung zurück. Vielmehr werden aus Sicht des Preisgerichtes patchworkartige Arrangements zwischen der vorhandenen und neuen Bausubstanz generiert, die in Teilen überzogen wirken. Diese erzwungene Homogenisierung der Baufelder entspricht nicht dem prozesshaften und flexiblen Entwicklungscharakter des zukünftigen Industriehof-Quartiers, auch wenn denkmalpflegerische Gesichtspunkte beim Umgang mit der geschützten Gebäudesubstanz befriedigend betrachtet werden.

Der neue Turm als adress- und identitätsstiftendes Eingangssymbol in das Quartier kann nicht überzeugen. Es ist weniger die Geschossigkeit, sondern vielmehr die losgelöste städtebauliche Typologie mit der reinen dienstleistungsorientierten Nutzung als Büroturm, die den Solitär als Fremdkörper ohne Quartiersbezug erscheinen lassen. Genauso werden die beiden Quartiersplätze in ihrer „cleanen“ bzw. urbanen Ausformulierung als wenig ortsbezogen empfunden. Dies wird auch nicht durch die eingeschossigen Pavillonbauten verbessert, die im Kontext zum „werkstattgeprägten“ Charakter des Industriehofes, keinen signifikant wertvollen Beitrag leisten können.

Die Aktivierung und Nutzung der Flachdächer sowie der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Regenwassermanagement werden positiv hervorgehoben.

Die weiterhin sehr geringe Bebauungsdichte mit der geringen BGF lassen keine wirtschaftliche Entwicklung erwarten. Insgesamt kann der Beitrag nicht die Erwartungen erfüllen, die eine Weiterentwicklung als Urbanes Gebiet vermuten ließen. Städtebaulich bewegt sich die Arbeit in einem zu wenig flexiblen Gerüst, da insbesondere die neuen aufgelösten Blockstrukturen im südwestlichen Teilbereich nur mit einer vollständigen Umsetzung harmonieren, aber nicht als Kontinuum. Das städtebauliche Korsett kann daher dem Leitbild eines vielfältigen und diversen Industrie- und Gewerbehofquartieres, welches Angebote für unterschiedliche Arbeits- und Lebensmodelle bereithält, nicht entsprechen.

Plan 2

Plan 2

Plan 3

Plan 3

Modelfotol

Modelfotol

Perspektive Quartiersplatz II

Perspektive Quartiersplatz II

Perspektive Quartiersplatz I

Perspektive Quartiersplatz I

Gesamtplan

Gesamtplan

Nutzungsverteilungen

Nutzungsverteilungen

Nutzungsverteilungen

Nutzungsverteilungen

Detailauschnitts

Detailauschnitts

Ansicht / Schnitt 1

Ansicht / Schnitt 1

Ansicht / Schnitt 2

Ansicht / Schnitt 2

Ansicht / Schnitt 3

Ansicht / Schnitt 3

Ansicht / Schnitt 4

Ansicht / Schnitt 4

Materialität Aussenraum

Materialität Aussenraum