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Einladungswettbewerb | 03/2022

Gemeinschaftsprojekt St. Joseph in München

Perspektive Josephplatz

Perspektive Josephplatz

ein 3. Preis

Preisgeld: 13.000 EUR

WANDEL LORCH GÖTZE WACH

Architektur

Weidinger Landschaftsarchitekten GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Kommunität St. Joseph

 

 Das „Gemeinschaftsprojekt St. Joseph“ ist mehr, als die objektive Beschreibung vermuten lässt: Am Standort Josephsplatz werden künftig die Einrichtungen der katholischen Hochschulgemeinde und der Pfarrei St. Joseph zusammengeführt. Das ist aber nicht nur ein Plan funktionaler Verdichtung mit synergetischen Effekten. Das Gemeinschaftsprojekt ist vielmehr eine Vision von Heimat und Freundschaft, es ist die Idee, den Kreis großzügig zu ziehen, die christliche Gemeinschaft unbegrenzt zu denken. Es ist das Bild, an einem prächtigen alten Baum neue Triebe wachsen zu sehen. Es ist die Idee der Kommunität. Und diese Idee der Kommunität ist am Josephsplatz, am Standort des alten Kapuziner-Klosters, in besonderer Art und Weise selbst zu Hause. Das Gemeinschaftsprojekt St. Joseph ist deshalb ein Projekt mit Wurzeln, es ist ein Projekt der Gegenwart und es ist ein Projekt der Zukunft. Es bindet Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Prägung, unterschiedlicher Lebensweisen unter einem großen Dach, das Schutz bietet, verpflichtet und herausfordert. -auch konfessionsübergreifend, interreligiös, integrativ, diskursiv. Es ist die Idee, Gemeinschaft zu erzeugen und aus sich selbst heraus erblühen zu lassen. Die vorliegende Arbeit will diesem Ansinnen gerecht werden.



Was kann Architektur leisten?

 

Die Architektur des vorliegenden Entwurfs will die Idee der Kommunität durch eine gezielte städtebauliche Setzung, eine überlegte Grundrissdisposition und profunde Raumverknüpfungen übersetzen. Es erscheint von zentraler Bedeutung, allen Nutzergruppen, Individuen und Akteuren an unterschiedlichen Stellen des Hauses und in diversen Kontexten - sakral / profan, innen / außen, eng / weit, laut / leise –  immer wieder ein Zusammenkommen zu ermöglichen. Es wird daher darauf Wert gelegt, dass alle Funktionsbereiche als Interpretation der Raumprogrammatik über niedrigschwellige Kommunflächen - Orte des Kennenlernens, der Interaktion und des Austauschs - verfügen. Die Funktionsbereiche behalten dabei die geforderte klare Struktur und Auffindbarkeit, ohne dabei getrennt zu wirken.

Die Erschließung der Kommunität erfolgt konsequenterweise vornehmlich aus der Mitte des Ensembles. Die Mitte ist eine offenräumige Anordnung von Foyer-, Hof- und halböffentlichen Kommunflächen. Der Zugang zu dieser Mitte erfolgt direkt aus der Basilika sowie über die neuen Adressen an der Tengstraße und am Josephsplatz. Der Eingang am Josephsplatz ist auch die Adresse des Pfarrbüros, das wunschgemäß an dieser Stelle verortet wurde. Der Eingang an der Tengstraße ist die Adresse der Pfarrheims. Beide Eingänge dienen gleichsam oder vielmehr überwiegend als Zugang zur Kommunität – in die Mitte der Gemeinschaft.

Hier verschmelzen die Erschließungsflächen aller Funktionsbereiche in einem abwechslungsreichen Raumgefüge, an das sich die Zugänge synergetisch anlagern.

Im Vis-a-Vis zur Basilika wird der Hof beispielsweise durch das Hofzimmer gefasst. Dieser langgestreckte Raum öffnet sich nach Süden und aktiviert den Hof als Gemeinschaftsfläche für alle Bewohner, Nutzer, Angestellten, Gäste und Passanten. Es entsteht ein Ort der Begegnung, des Austauschs, der Integration. Es ist Außenküche, Bücherbörse, Repaircafe. Hier überwintern Pflanzen, hier wird gekocht und gegrillt. Hier wird getanzt, gebetet und gefeiert. Das Hofzimmer ist der Ort, an dem die Kommunität ihren Ausgangspunkt haben kann. Hier begegnen sich die Lebenswelten unterschiedlichster Akteure. Der Ort ist sakral geprägt und säkular belebt. Er bietet der christlichen Gemeinschaft Gegenwart und Zukunft. Die Zukunft der Kirche - die Jugend - findet ihre Flächen konsequenterweise in räumlicher Verwebung im ersten Obergeschoss über dem Hofzimmer.

Gegenüber des Hofzimmers lagert sich entlang der Basilika ein länglicher Baukörper an, der das Ensemble von Josephsplatz bis Tengstraße als große Galerie durchmisst, die die sakrale Kirchennutzung mit den Gemeindenutzungen verschränkt. Angelagert an diese Galerie ergeben sich die gewünschten Synergien und funktionalen Verknüpfungen von Sanitärräumen, Aufstellflächen für große Einzüge zu Festgottesdiensten, Umkleiden, Proberäumen und harmonisch ineinandergefügten Veranstaltungsflächen. Das große Foyer, das die Galerie im Osten abschließt, ist von der Kirche, vom Hof und über die Tengstrasse direkt erreichbar und bildet somit, in Anlehnung an das historisch hier vorhandene Gelenk zwischen Kirche und Klostergebäude, die zentrale Schaltstelle der Kommunität. Hier schließt der große Pfarrsaal als Zentrum des Pfarrheims an und begrenzt den Hof nach Osten. Das Foyer wird mit einem repräsentativen Treppenaufgang vertikal erweitert und schließt hier an die Werktagskapelle, die an alter Stelle neu hergestellt wird, den Raum der Stille sowie an die halböffentlichen Gemeinschaftsflächen der KHG an. Alle Bereiche sind hier mit einem eigenen Aufzug auch barrierefrei erschlossen. Über den Gemeinschaftsflächen der KHG schließen sich in den oberen Geschossen die Wohnheimräumlichkeiten an. Der Zugang zu den Wohnräumen ist über die Gemeinschaftsräume, aber auch über eigene Treppenhäuser, organisiert.

Der Fokus der Arbeit liegt darauf, mit einfachen aber kräftigen Mitteln das ganze Haus der Gemeinschaft zu widmen. Es soll Heimat konstituieren - institutionell, aber auch architektonisch.

 

Die Gestalt des Hauses bleibt der Geschichtlichkeit des Ortes mit dem aufgegebenen Kapuziner-Kloster auch formal verpflichtet. Nach außen präsentiert sich die Architektur fest gefügt, ohne je hermetisch zu sein. Klare Eingänge schaffen selbstverständliche Zugangssituationen. Die Baukörper sind funktional gegliedert, ohne dabei nur zweckrational zu sein. Der städtebauliche Duktus nimmt im Denkmalensemble Rücksicht auf die angrenzende Bebauung. Einschnitte und Rücksprünge stellen Raumkanten und Sichtlinien frei. Die Höhe des Bauwerks an der Tengstrasse verspringt zwischen den Linien, die in der Baulinie durch Traufen, Zwerchhäuser und Gauben vorgegeben sind. Am Josephsplatz bleibt der Kirchturm großzügig freigestellt. Die Höhe der Bebauung an dieser Stelle wird, wie an der nördlichen Brandwand, aus der bestehenden Nachbarbebauung abgeleitet. Der Anbau an die Basilika erfolgt mit klaren und kräftigen gleichsam unaufdringlichen Baukörpern, deren Volumetrie jener des Bestands ähnlich ist.

Die Gestaltung der Fassaden zum Stadtraum sind von eleganter Einfachheit mit mineralischem Sockel unter einer fein geputzten Obergeschossfassade und damit gleichermaßen ortshistorisch, franziskanisch und funktional geprägt. Die Sockelfassaden zum Josephsplatz und zur Tengstraße werden außenseitig mit einer gebrochenen Schicht aus Nagelfluh-Kunststein gefasst. Das Material ist ortstypisch und von bodenständiger Schönheit. Die Lochfenster im Sockel werden tief in die Fassade eingeschnitten. Oberhalb des Sockels liegen die Fenster in einer eingeprägten Faschenrahmung annähernd bündig in der Fläche. Dies stärkt das bodenständige und tektonische Erscheinungsbild, das das Gebäude zurückhaltend nobilitiert und der inhaltlichen Nähe zur Sakralität gerecht wird. Die Fassaden zum Innenhof werden feingliedriger konstruiert, als die Stadtfassaden. Hierdurch wird zum einen eine formale Unterschiedlichkeit zur Straßenfassade erzeugt, die der Erschließungslogik des Hofhaustypus Ausdruck verschafft. Zum anderen wird eine monotone Anhäufung von Lochfassaden im Hof vermieden. Im Sockel werden durch diese Strategie die Raumfassungen der halböffentlichen Geschosse gelockert. Die Räume werden großzügig und hell.

 

 

Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Freiflächen

 

Im Sinne der Kontinuität am Josephsplatz schmerzt es für das Gemeinschaftsprojekt das vorhandene Klostergebäude abzureißen. Dies verpflichtet zumindest dazu den Neubau nachhaltig, ressourcenschonend und zukunftsfähig zu errichten.

Die Wände des doppelgeschossigen Sockels werden überwiegend aus unbewehrtem Dämmbeton hergestellt. Die Obergeschossfassaden werden an den Fassaden zum Josephsplatz und zur Tengstraße in einem monolithischen verputzen Mauerwerk aus hochdämmenden Planziegeln errichtet. Für die kleinzelligen Wohnräume wird eine Holzmodulbauweise vorgeschlagen. Der disziplinierte Grundriss mit der strukturierten Zimmerung ermöglicht in den Wohngeschossen einen sehr hohen Wiederholungsgrad und wirtschaftliche Vorfertigung für verkürzte Bauzeiten. Durch die vorgemauerte Schale wird entsteht eine langlebige und widerstandsfähige Außenhaut, die die sonst übliche baukastenhafte Modulästhetik kaschiert. Die Materialwahl ermöglicht eine dauerhafte Bauweise, die den Einsatz energieintensiver Bauprodukte so weit es geht minimiert. Der hohe Vorfertigungsgrad und die rationellen Grundrisse ermöglichen kurze Bauzeiten und verringern den Bedarf an Interimslösungen.

 

Die Formierung der neuen Baukörper schafft neben dem zentralen Innenhof auch einen kleinen Hof, der durch den freistehenden Kirchturm zum Josephsplatz gefasst wird. Beide Höfe bieten unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten und Qualitäten und sollen landschaftsplanerisch als baumbestandene, urbane Plätze entwickelt werden. Beide Höfe sind nicht unterbaut. Hierdurch werden wartungsintensive Gründachaufbauten im Hof vermieden. Die Untergeschossfläche beschränkt sich auf möglichst geringe Ausmaße. Hierdurch kann zum einen ein unterirdischer Anbau an die Basilika weitgehend vermieden werden sowie Aushubvolumen verringert werden. Der Bodenschluss in den Höfen soll zudem eine wirkungsvolle Regenwasserversickerung genauso ermöglichen, wie die Erhaltung der vorhandenen Bäume. Um die zusätzliche Versiegelung des Grundstücks durch den Neubau zu kompensieren, wird auf dem Galeriebau längs zur Basilika eine intensive Bepflanzung mit Retentionskörpern vorgehalten. Hierdurch wird der Regenwasserabfluss vom nördlichen Dach der Basilika verzögert und die Versickerung auf eigenem Grund ermöglicht. Die sonnenexponierten Flachdachflächen werden mit Solartechnik energetisch aktiviert und können so die geplante Anlagentechnik wirkungsvoll mit erneuerbaren Energien unterstützen. Je nach Anlagenleistung ist alternativ eine Contractorlösung steuerlich vorteilhafter als die Selbstnutzung. Die Flachdächer ermöglichen mit der unverschatteten Südausrichtung große Potentiale zur Energiegewinnung, ohne im Denkmalensemble optische Einbußen durch sichtbare Technikaufbauten in Kauf nehmen zu müssen.

Der durch die Anordnung der Baukörper erzeugte Innenhof ermöglicht an allen Stellen eine gute Belichtung und Belüftung. Die gute Tageslichtversorgung ermöglicht eine Optimierung der Fenstergrößen hinsichtlich des sommerlichen und winterlichen Wärmeschutzes.

 

 

Ideenteil Turmzimmer

 

Für die zukünftige Nutzung des Turmzimmers wird die Einrichtung einer kleinen Hochzeitskapelle vorgeschlagen. Die Bedingungen eigenen sich an dieser Stelle besonders für die Hochzeit Gruppen, die für Basilika zu groß wäre. Trotzdem kann eine sehr sakrale Stimmung erzeugt werden. Der Hofbereich hinter dem Turm kann als Aufstellfläche für die Gesellschaft dienen. Die Hochzeitsnutzung würde das vorgelegte Konzept trefflich ergänzen und die Kommunität St. Joseph mit einer der vitalsten Schnittstellen zwischen säkularer Stadtgesellschaft und christlicher Gemeinschaft in den öffentlichen Raum erweitern.

Beurteilung durch das Preisgericht

Nachvollziehbare städtebauliche Grundidee ist die Setzung zweier kräftiger Hauptbaukörper parallel zur Tengstraße, die zusammen mit den ergänzenden Bauteilen zwei Hofräume unterschiedlichen Charakters bilden. Zum Josephsplatz entsteht so vor dem kleineren Hauptbau, der das Entree mit Pfarrbüro im Erdgeschoss bildet, ein ausreichend großer öffentlicherer Bereich, der als Fortsetzung des Josephsplatzes gut für gemeindliche Veranstaltungen geeignet erscheint. Eher dem Charakter eines Kreuzganghofes entspricht der innere, etwas privatere Hof zwischen den beiden Hauptbaukörpern, der auch den Außenraum für die unmittelbar anschließenden Funktionen Pfarrsaal und Foyer bildet. 


Auf dem Dach des Pfarrsaales befindet sich direkt den Freitzeiträumen des studentischen Wohnens zugeordnet ein weiterer - nun angemessen privater - gut nutzbarer Freibereich. Die in den Obergeschossen an drei Seiten um den Innenhof situierten Studierendenwohnungen sind wirtschaftlich erschlossen und gut belichtet. 


Leider gilt Letzteres nicht uneingeschränkt für die öffentlichen Hofflächen, denen die mächtigen und auch etwas zu hoch geratenen Hauptbaukörper vor allem durch den vorderen Baukörper am Kirchturm nicht genug Raum und Licht geben, um die gewünschte offene Atmosphäre entstehen zu lassen. Die Höhe der Gebäude lässt auch befürchten, dass sie vom Kircheninnenraum aus zu sehen sind und somit die bestehende kontemplative Introvertiertheit des gleichzeitig lichtdurchfluteten Sakralraumes beeinträchtigen könnten.


Am Eingang zum Josephsplatz entsteht ein gut dimensionierter Vorhof mit einer akzentuierten Verbindung zum eigentlichen Innenhof. Die Höfe sind nicht unterbaut und bieten daher glaubhaft die Möglichkeit zur vorgeschlagenen Bepflanzung mit Bäumen und Regenwasserversickerung, ein Erhalt der Bestandsbäume ist hiermit gegeben. Die Dachflächen können sowohl für Dachbegrünung wie Energiegewinnung gut genutzt werden.


Die Fassadengestaltung wird in Proportionierung, Detaillierung und Materialwahl als dem näheren Umfeld angemessener Vorschlag eingestuft. Besonders positiv werden die sorgfältig gestalteten Zugangssituationen, welche Rundbogenmotive der Kirche aufgreifen, gewertet.


Insgesamt stellt die Arbeit einen Beitrag dar, der hinsichtlich Grundstruktur und Organisation gute Lösungsansätze bietet, der jedoch vor allem aus städtebaulichen Gründen (zu gewichtige / hohe Baumassen und infolgedessen als zu eng empfundene Hofsituationen) auch benannte Mängel aufweist.

Perspektive Saal

Perspektive Saal

Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss