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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2022

Sanierung, Umbau und Erweiterung ehemaliges Lichtspieltheater der Jugend zum Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst in Frankfurt (Oder)

Perspektive

Perspektive

1. Preis

Preisgeld: 50.000

BHBVT Gesellschaft von Architekten mbH Berlin: Haberer Vennes Jaeger

Architektur

KMG Ingenieurgesellschaft für Gebäude- und Versorgungstechnik

Bauingenieurwesen

GM013 Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

INGENIEURGRUPPE BAUEN

Bauingenieurwesen

freie ingenieure bau Dr. Belaschk + Krätschell PartGmbB

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Der Entwurf setzt eine behutsame, denkmalgerechte Erneuerung des Bestandsgebäudes an der Heilbronner Straße um und schafft gleichzeitig eine deutlich sichtbare Intervention durch einen Anbau. Dies gelingt durch ein präzise an den Altbau angelegtes Volumen, das zwar im rückwärtigen Bereich positioniert wird, jedoch durch seine kräftige rote Farbe auch von der Heilbronner Straße aus wahrnehmbar ist. Das Volumen korreliert mit seiner Radikalität und Abstraktion der zukünftigen Nutzung als Museum für moderne Kunst. Alt und Neu werden zu einer stimulierenden und kraftvollen Symbiose vereint.

 

Ziel ist es, einen effizienten Einsatz der vorhandenen Mittel vorzunehmen. Das heißt, die Umbaumaßnahmen im Bestandsgebäude werden auf das nötigste begrenzt, die Raumstruktur wird weitgehend beibehalten. Im Erweiterungsbau werden die Räume mit hohen klimatischen Anforderungen untergebracht, wodurch ideale räumliche und baukonstruktive Voraussetzungen geschaffen werden können, sowie eine optimale Positionierung der Haustechnik mit kurzen Leitungswegen. Zwischen alt und neu wird ein glasgedeckter Lichthof gesetzt, der Orientierung gibt und das zukünftige Ensemble erlebbar macht.

Die Besucher werden beim Durchschreiten eine klare Unterscheidung zwischen alt und neu treffen können: der Erweiterungsbau enthält im öffentlichen Bereich ausschließlich Ausstellungsräume, das Bestandsgebäude alle Service-, Bewegungs- und Begegnungsflächen. Der Saal wird auf seine ursprüngliche Größe gebracht und zum kommunikativen Zentrum des neuen Museums. Eine in den Saal eingestellte rote Sitztreppe unterstützt die vielfältigsten Nutzungen des Saals: Vorträge, Workshops, Performances, Kunstfestivals und Kinovorstellungen werden den gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Teilhabe in Frankfurt (Oder) und in Brandenburg nachhaltig bereichern.

Beurteilung durch das Preisgericht

Grundkonzept des Entwurfs ist die Erweiterung des Bestandsgebäudes durch einen Ergänzungsbau, der sich, einer Umarmung gleich, hinter dem Kopfbau selbstbewusst an die östliche und südliche Fassade anschließt. Diese starke Geste versinnbildlicht treffend den Um‐ und Aufbruch der Stadtgesellschaft Frankfurts, indem das historische Lichtspieltheater um eine deutliche und eigenständige Zeitschicht und Funktion ergänzt und ein neues Kapitel in der Museumslandschaft aufgeschlagen wird. Kongenial gehen beide Bauteile trotz des starken Kontrasts in mutiger Farb‐ und Materialgebung eine konstruktive Verbindung ein.

Das Museum fügt sich harmonisch in die südliche Parkanlage ein. Die Wegeführung ist logisch und orientiert sich an den Bestandshöhen. Die klare äußere Struktur setzt sich in der Komposition der Nutzflächen im Inneren fort. Durch die konsequente Anordnung der Ausstellungsflächen in dem winkligen Neubau entsteht eine spannungsvolle Saalabfolge der Ausstellungsräume. Der Kinosaal kann von rein funktionalen Aspekten freigehalten werden und behält im Zusammenhang mit Foyer und Nebenflächen seine historische Qualität. Auch durch das Museum wird die moderne Geste des Anbaus im Verhältnis zum Bestandsbau im vorliegenden Entwurf für das Gesamterscheinungsbild im Stadtraum sehr positiv bewertet. Die hohe Variabilität des Kinosaals als Forum mit der eingestellten großen und kraftvollen Sitztreppe wird überaus positiv für die Museumsnutzung und insbesondere die Museumspädagogik betrachtet. So wird der Kinosaal zu einem Interaktionsraum. Die Anbindung an den museumspädagogischen Bereich ermöglicht einen Perspektivwechsel und bereichert das Angebot. Sie lässt eine überraschende Wechselwirkung auf dieser neu entstehenden „Agora“ zu und lädt zur Kommunikation ein. Allein der Auftakt in die Ausstellungsräume wirkt noch schwach.

Die Höhenstaffelung der Ausstellungsräume aber entwickelt eine spannungsreiche Dynamik, die Saalabfolge der Ausstellungsräume wird als großzügig und abwechslungsreich bewertet. Sie ermöglicht zugleich hinter der höhengleich durchlaufenden Fassade eine intelligente, dezentrale Aufstellung der Klimatechnik, die einen effizienten, gut regelbaren und dadurch wirtschaftlichen Betrieb erwarten lässt. Die Verortung des Cafés hinter dem Foyer gewährleistet eine gute interne und externe Anbindung und damit auch eine autarke Nutzung. Kritisch diskutiert wird die Lage unter dem weitauskragenden Vordach und die etwas modischen V‐Stützen. Lobenswert ist die Öffnung der Fassade nach Westen. Die Anlage von Wirtschaftshof‐Funktionen auf dieser attraktiven Seite wird im Preisgericht aber deutlich kritisiert. Sicht der Stadt Frankfurt (Oder): Der dezente rückwärtige Anbau hält die Grünachse frei, nimmt die Fassade aus dem Bestand auf und schreibt so die Zeitgeschichte des Bestandes fort. Bemerkenswert ist der städtebaulich selbstbewusste und durchaus behutsame Umgang mit dem Baudenkmal des Lichtspieltheaters, der dazu geeignet ist, eine neue Adressbildung zu schaffen. Kritisch hinterfragt werden hierbei jedoch die Anordnung und Ausbildung der Caféterrasse, die Farbgebung und die Materialität der Fassade, die kontrovers diskutiert wurde, sowie der Umgang mit der Saaldecke.

Die Intentionen der Entwurfsverfasser zeigen aus Sicht der Denkmalpflege positive und negative Aspekte. Zu den positiven Merkmalen gehört die Höhengestaltung des neuen „Riegels“, die beschränkt bleibt. Auch die Tatsache, dass die westliche Traufseite des Altbaus einsehbar bleibt, wird positiv hervorgehoben, ebenso die Beibehaltung des Niveaus des Erdgeschosses. Die Materialität hebt sich von der Massivität des historischen Baus ab. Zu den negativen Merkmalen zählt, dass die östliche Gebäudeflucht der historischen Fassadenfront durch den Neubau überschritten wird, wodurch die historisch intendierte Symmetrie der Hauptfassade beeinträchtigt wird. Auch im Innenraum werden einige Elemente kritisch gesehen: ein Treppenhaus im Foyer wurde entfernt, im Saal wurde ein Teil der Empore zugunsten der roten Treppenanlage aufgegeben, diese verstellt zudem die Projektionsöffnungen des Bildwerfer Raumes. Der auffällige rote Anbau auf der östlichen Traufseite schränkt die Einsehbarkeit des östlichen Freiraums von der Heilbronner Straße ein.

Das Raumprogramm wurde leicht überschritten, die baulichen Kennwerte liegen im unteren Mittelbereich der eingereichten Arbeiten. In der Gesamtwürdigung gelingt mit diesem mutigen Entwurf eine selbstbewusste und überzeugende Revitalisierung eines identitätsstiftenden Frankfurter Wahrzeichens, das die Zeitschichten des Lichtspielhauses aufzeigt, ergänzt und mit neuen Inhalten belegt.  

Innenraum

Innenraum

Lageplan

Lageplan

Fassadendetail

Fassadendetail