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Award / Auszeichnung | 04/2022

BDA-Architekturpreis Nike 2022

Haupteingang gerahmt von Theatercafé und Bühnenturm

Haupteingang gerahmt von Theatercafé und Bühnenturm

Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin (HfS)

DE-10115 Berlin, Zinnowitzer Str. 11

Gewinner Kategorie "Fügung"

O&O Baukunst

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Hochschulen, Wissenschaft und Forschung

  • Projektgröße:

    16.200m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 01/2014
    Fertigstellung: 01/2018

Projektbeschreibung

Der neue Standort der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin-Mitte vereinigt alle bisher über die Stadt verstreuten Einrichtungen. Das Grundstück liegt umgeben von Neubauten im Inneren eines typischen Berliner Blocks an der Zinnowitzer Straße und beherbergte einst die Opernwerkstätten. Der Altbau aus den Fünfzigerjahren wurde um zwei Baukörper ergänzt. Markantes Zeichen ist der 24 Meter hohe holzverkleidete Bühnenturm, der die HfS Ernst Busch von weitem als öffentlichen Ort erkennen lässt. Hier befinden sich übereinander gestapelt die Probebühnen, die zu verschiedenen Anlässen auch für ein auswärtiges Publikum geöffnet sind.

Das bestehende Gebäude wurde an seiner Stirnseite aufgeschnitten und der Bühnenturm seitlich in diese Schnittstelle eingeklinkt. Das neue Theatercafé ist als lichte Schachtel an die Westseite des Altbaus herangeschoben. Zusammen mit dem Bühnenturm flankiert es den Eingang, der sich nach innen als großzügiges Foyer aufweitet und im Erdgeschoss als Arbeitsstraße vorbei am schaufensterverglasten Theaterfundus und den Werkstätten führt. Ein neues Treppenhaus wurde in den Bestand eingefügt und verbindet als Skulptur aus Sichtbeton alle Geschosse. Eine Bibliothek sowie Probe- und Seminarräume fügen sich in den oberen Geschossen in die bestehenden Raumzuschnitte der ehemaligen Werkstätten ein. Die Büros liegen im vorher ebenso genutzten Westflügel.

Das Haus ist von einer Atelieratmosphäre des Erprobens geprägt. Aus dem begrenzten Budget wurde eine eigene Architektursprache entwickelt. Holz als klassisches Theater- und Baumaterial spielt eine große Rolle, ist Grundstoff, der am einfachsten alles Improvisieren möglich macht. Das Zusammentreffen von Altem und Neuem zeigt sich im Inneren an einer Linie, die sich auf einer Höhe von 2,30 Metern durch das Gebäude zieht. Als eine Art Wasserlinie begrenzt und definiert sie die gestalterischen Eingriffe. Alle Oberflächen unterhalb dieser Höhe sind verfeinert. Die Wände sind mit Holz verkleidet und mit Tafellack beschreibbar gemacht. Sie bieten den Studentinnen und Studenten eine endlose Wandzeitung. Die Bauteile darüber verbleiben in ihrem vorgefundenen oder rohen Zustand.

O&O Baukunst
verantwortliche Partner: Roland Duda & Manfred Ortner
Projektleitung: Tobias Ahlers
Projektteam: Pascal Dworak, Bernd Gotthardt, Frank Illing, Markus Lemcke, Markus Müller, Nora Noack, Lars Riebschläger, Nino Schiddel, Jessica Seidel, Magdalena Schwalke-Sauer

ARGE-Partner: fd-ingenieure Frank Dröse, Berlin

Beurteilung durch das Preisgericht

Inmitten eines neuen Wohngebietes in der Nähe des Nordbahnhofes befindet sie sich, die Ernst Busch. Äußerlich kommt sie irgendwie bescheiden daher. Besteht sie doch im Wesentlichen aus nur drei Gebäudeteilen: Ein 4-geschossiger Altbau aus den 50er-Jahren und an dessen Gebäudefront zwei deutlich kleiner dimensionierte Neubauten. Einer davon ist ein ca. 5-geschossiger Quader aus einer regelmäßigen, fachwerkartigen Holzstruktur mit dahinter liegender, semitransparenter Polycarbonatfassade. Der andere ein eingeschossiges, gläsernes Bauwerk mit einer vorgesetzten weißen Vorhangfassade aus unregelmäßig perforiertem Metall. Zwischen diesen beiden dann der Haupteingang.


Tritt man ein, so wird plötzlich alles groß – baulich wie inhaltlich! In diesem Würfel eingefasst befinden sich zwei übereinander gestapelte Studiobühnen mit rund umlaufenden, frei zugänglichen Bühnengängen. Wie ein auf Links gedrehtes T-Shirt stülpt sich hier das Innere nach Außen, der Betrachter wird Akteur, wird Teil der Crew aus Beleuchtern, Bühnenarbeitern, wartenden Schauspielern und zwischengelagerten Dekorationselementen. Backstage-Feeling statt Prosecco!


Bewegt man sich weiter nach hinten so durchläuft man einen breiten Gang. Auffällig hier die scheinbare Mischung aus Fertigem und Unfertigem. Dabei stellt die untere Region des Ganges eine präzise durchgearbeitete Abfolge von Türen und frei bemalbaren, großformatigen Tafeln dar. Dieses Szenario bildet einen klaren Horizont in etwa der Mitte des Raumes. Oberhalb wirkt dann alles rau und fast brachial. Der Gang erschließt ein Sammelsurium an spannenden Räumen und Werkstätten wie der Gewandmeisterei, der Kostümschneiderei oder der Metallwerkstatt. Jeden Raum möchte man ergründen, reingehen und schnuppern. Ein in seiner Dimension angemessener, aber durchaus maskulin wirkender Treppenraum führt nach oben in die zweite Ebene des Abenteuerspielplatzes mit Probebühnen, Medienstudio, Seminarraum und Bibliothek.


Insgesamt überzeugt die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch als ein sehr gelungenes bauliches Potpourri aus Alt und Neu, aus Roh versus Präzise, aus Improvisation statt Perfektion, als Inszenierung mit bestechender Atmosphäre – ein Bau als perfektes Hochschulbühnenbild mit ganz viel Geist und ganz wenig Dekoration!


Mark Jenewein, Architekt LOVE architecture & urbanism, Graz

Bibliothek

Bibliothek

Blick vom Treppenhaus in die Flure

Blick vom Treppenhaus in die Flure

Probevorbereitung

Probevorbereitung

Umgang im Bühnenturm

Umgang im Bühnenturm

Einblick in den Fundus

Einblick in den Fundus

Luftbild

Luftbild

Konzept

Konzept