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Einladungswettbewerb | 03/2022

Innenstadtgärten in Verden

Visualisierung Ritterstraße

Visualisierung Ritterstraße

Anerkennung

Preisgeld: 1.800 EUR

nsp landschaftsarchitekten stadtplaner PartGmbB schonhoff schadzek depenbrock

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Abgeleitet aus der Heterogenität des Umfeldes und der Lagegunst zwischen Fußgängerzone und Aller-Ufer-Park entsteht durch das vorgeschlagene Konzept eine identitätsbildende und den lokalen Gegebenheiten angepasste Abfolge qualitativ hochwertiger Stadtgärten. Ziel ist hierbei für jeden Ort eine individuelle Strategie zu entwickeln und durch gestalterische und vegetative Aspekte ortsbildprägende und stadtökologisch wertvolle Räume entstehen zu lassen.

Sämtliche Maßnahmen erfolgen sensibel in den Bestand integriert und bestehen ausschließlich aus der Entsiegelung sowie der Schaffung neuer Vegetationsflächen mit pflegeextensiver Begrünung. Die befestigten Flächen bleiben in ihrer Materialität und Struktur erhalten; die Interventionen fügen sich wie selbstverständlich in die bestehenden Strukturen ein. Die künftigen Stadtgärten verbessern die innerstädtische Aufenthaltsqualität nachhaltig und schaffen zusätzliche Treff- und Kommunikationsorte für die Bewohner, die angrenzenden Nachbarschaften und Besucher. Die strukturreichen und naturnahen Vegetationsflächen haben unmittelbaren Einfluss auf Wohn- und Lebensqualität und die mikroklimatischen Verhältnisse. Durch die gezielte Wahl von Standortabgestimmten Vegetationsgesellschaften entstehen entwicklungsfähige pflegereduzierte Pflanzflächen im innerstädtischen Kontext.

 

Stadtgarten Ritterstraße – „Rathausgarten“

Zwischen dem neuen und dem alten Rathaus sowie der St. Johanniskirche entsteht eine Abfolge von ebenerdigen, radialen Pflanzinseln zur Akzentuierung und Begrünung des Platzes. Durch die „Perforation“ der Platzfläche entsteht ein unerwartetes Kleinod, das durch die entstehende Atmosphäre die angrenzenden Gebäude neu Inszeniert. Dieses Motiv wird in Verlängerung der Johannisstraße Richtung Westen fortgeführt um eine Verbindung zum Aller-Ufer-Park herzustellen. Neben der prägnanten Formsprache stehen die gärtnerischen Aspekte im Fokus: Eine Initialpflanzung von heimischen, mehrjährigen und standortangepassten Stauden erzeugt eine ortstypische Farb- und Blütenpracht. Die angrenzenden Grünflächen werden zu artenreichen Schmetterlings- und Bienenwiesen qualifiziert. Durch den Verzicht auf Dünger und Reduzierung der Mahd lassen sich pflegekosten und -aufwand minimieren und die Diversität steigern.

Die Anordnung der Inseln rückt zudem das bestehende Denkmal in den Mittelpunkt und betont es so als Gedenk- und Erinnerungsort. Abstände und Radien der Vegetationsinseln werden so dimensioniert und an den Ort angepasst, dass die Durchlässigkeit und der barrierefreie Zugang sowie Zugänglichkeit für Feuerwehr und Anlieferung erhalten bleiben.  

 

Stadtgarten Predigerstraße – „Bewohnergarten“

Entlang der Predigerstraße werden kleinteilige Garten- und Pflanzstrukturen etabliert die den Raum in seiner Linearität unterstreichen und die Verbindung zwischen der Fußgängerzone und dem Platz „Am Bollwerk“ hervorhebt.  

Die punktuellen Pflanzkübel werden zugunsten zusammenhängender Pflanzstreifen entfernt. Die neu entstehenden Vegetationsflächen an den Rändern dienen der Schaffung von Distanzbereichen an den Erdgeschossloggien und ermöglichen die Ansaat und das Pflanzen von insekten- und vogelfreundlicher Vegetation.

Im aufgeweiteten Bereich der Predigerstrasse entsteht eine vielseitig nutzbare Gartenparzelle, der „Essbare Garten“ vordergründig für die Bewohner. Flächen für kooperatives Gärtnern fördern das Miteinander, Streifräume und Heckenstrukturen geben Kindern die Möglichkeit ihren Drang nach Entdeckung nachzugehen, zu toben sowie heimische Pflanzen und Tiere beobachten. Es entsteht ein Ort, ideal für Familien und ältere Menschen ohne eigenen Garten oder die Möglichkeit regelmäßige Ausflüge ins Stadtumland unternehmen zu können. Hochbeete als Holzkonstruktionen bieten Fläche für den Anbau vom eigenen Obst, Gemüse sowie Kräutern.

Als „Grüner Korridor“ wir die Predigerstraße künftig mit einer Pergola aus rankendem Hopfen überspannt, somit wird das Gartenthema auch entlang des Straßenraums fortgeführt und eine ortsspezifische Atmosphäre geschaffen.

 

Stadtgarten Domherrenhaus  – „Fachwerkgarten“

Die Formsprache der einzelnen Parzellen wird abgeleitet aus dem Duktus des barocken Fachwerkgebäudes, wodurch das Domherrenhaus ein repräsentatives und qualitätsvolles Entree erhält. Das Schmuckpflaster auf dem Vorplatz bleibt erhalten wird an die neuen Pflanzflächen sowie Sitz- und Info-Elemente angearbeitet.

Vor dem Stadtmuseum soll mit dem „Fachwerkgarten“ eine Experimentierfläche zu umweltpädagogischen Zwecken entstehen. Um Anwohner und Besucher künftig für Aspekte wie Stadtökologie, Mikroklima und Biodiversität zu sensibilisieren, können im Fachwerkgarten unterschiedliche Themenbereiche exemplarisch angelegt werden.  Es entstehen neue Formen der Interaktion zwischen Stadt und Bewohnerschaft: Sonderformen des Gärtnerns, der Biotopherstellung und der Grünflächenpflege lassen sich gemeinsam erarbeiten, die gewonnenen Erkenntnisse können in Privatgärten oder in weiteren Stadtgärten Anwendung finden. Themen wie die Förderung von Strukturreichtum und Biotopvernetzung oder die Akzeptanzbildung für naturnahe Gestaltung öffentlicher Grünflächen lassen sich exemplarisch in einzelnen Parzellen anlegen und mitverfolgen. Hierdurch ergäbe sich auch die Chance der der Einbindung des städtischen Pflegepersonals und der Öffentlichkeit als Modell für künftige Planungsprozesse.

Das Domherrenhaus als etablierter Veranstaltungsort ist für eine solche Nutzung prädestiniert, Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildungsangebote künftig zu repräsentieren: Durch die diversen neuen Vegetationsflächen wird die Ansicht des historischen Gebäudes aufgewertet und der Vorplatz erhält eine zusätzliche, vernetzende Wertigkeit. 

Naturnahe Vegetationsflächen in innerstädtischen Bereichen leisten einen wertvollen Beitrag zur Lebensqualität. Landnutzungswandel und die Monotonisierung von Flächen haben einen Rückgang der Biodiversität zufolge, so dass den Städten künftig in punkto Artenvielfalt eine „Archefunktion“ zukommt. Die Durchgrünung der Freiräume, und der Einsatz von Obstgehölzen, und Wiesen- und Staudenflächen leisten hierzu einen wertvollen stadtökologischen Beitrag.

Durch die neu angelegten Stadtgärten entstehen freiräumliche und vegetativ geprägte „Kleinode“ als ergänzendes Angebot zur lebhaften Fußgängerzone. Ruhige Orte für Begegnung und erholsamen Aufenthalt. Nutzungsverteilung und künftige Entwicklungen werden in eine flexible, den jeweiligen Orten angepasste Gestaltsprache übersetzt und schaffen einen klar strukturierten, zeitgenössische Stadtgärten. Ziel ist es durch die vorgeschlagenen landschaftsarchitektonischen Interventionen Teilräume zu schaffen, die durch ihr differenziertes Angebot zu einer vielseitigen und „grünen“ Stadt beitragen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Grundsätzlich ist anzuerkennen, dass sich die VerfasserInnen bemüht haben, möglichst viele der Wünsche aus der Bürger*innenbeteiligung umzusetzen: so lassen der „Fachwerkgarten“ vor dem Domherrenhaus, der „Essbare Garten“ in der Predigerstraße und der „Rathausgarten“ eine konsequente Entsiegelung, eine vielfältige Begrünung sowie die Schaffung von Aufenthaltsgelegenheiten erwarten. Die konkrete Ausformulierung und Gestaltung wird diesem selbstformulierten Anspruch von „qualitativ hochwertigen Stadtgärten“ jedoch leider nicht gerecht.


Die Entsiegelungen beschränken sich bewusst auf punktuelle Eingriffe, die aus ökonomischen Gründen sinnvoll erscheinen mögen. Auf diese Weise entstehen jedoch z.T. kreisförmige, z.T. lineare, aber durchweg bodengleiche Pflanzflächen ohne jegliche Einfassung, denen erfahrungsgemäß in der alltäglichen Nutzung mit wenig Respekt begegnet wird (Hunde, Autos, querende Fußgänger, achtlos fortgeworfener Unrat). Auch ist es irreführend zu behaupten, dass diese Initialpflanzungen von Stauden in Kombination mit Schmetterlings- und Bienenwiesen auf solchen Standorten ohne weiteres Zutun gut funktionieren und mit wenig Pflege auskommen würden.


Im Bereich der Ritterstraße ist die Idee mit den kreisförmigen Entsiegelungen zwar nachvollziehbar, die gewählte Gestaltung wird jedoch der Bedeutung des Denkmals – das im Übrigen in der Visualisierung gar nicht dargestellt ist – nicht gerecht. Zudem fehlen jegliche Sitzgelegenheiten, die hier ausdrücklich erwünscht wären.


Der Vorschlag, die Predigerstraßen mit einer filigranen, mit Hopfen berankten Pergola zu überspannen, wird begrüßt. Allerdings erscheint die Anordnung von Hochbeeten aus Holzpalisaden im aufgeweiteten Bereich willkürlich und die öffentlich nutzbaren Sitzplätze direkt vor den EG – Wohnungen dürften sehr konfliktträchtig sein. Anerkannt wird die Idee, die Predigerstraße beidseitig, z.B. mit Stockrosen zu begrünen.


Die übergreifende Gestaltung der Vorfläche des Domherrenhauses und des Bereiches um den Störtebeker Brunnen mit experimentellen Gärten in Form von Fachwerkstrukturen wird den gestalterischen und funktionalen Anforderungen an diesen Raum nicht gerecht. Da die Flächen alle öffentlich zugänglich sind, dürften sowohl die Gestaltung der einzelnen Beete wie auch die laufende Pflege schwierig sein, zumal eine kontinuierliche Betreuung durch die Belegschaft des Domherrenhauses nicht gewährleistet werden könnte.


Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Arbeit einige diskussionswürdige Ansätze enthält, dass das Gesamtkonzept aber nicht den Wünschen der Auslober*in entspricht.

Visualisierung Predigerstraße

Visualisierung Predigerstraße

Visualisierung Domherrenhaus

Visualisierung Domherrenhaus

Übersicht Themengärten

Übersicht Themengärten

Gesamtplan

Gesamtplan

Lageplan Ritterstraße

Lageplan Ritterstraße

Lageplan Predigerstraße

Lageplan Predigerstraße

Lageplan Domherrenhaus

Lageplan Domherrenhaus