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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2021

Neubau Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) am Standort Südkreuz

BSR Außenansicht

BSR Außenansicht

ein 2. Preis / 1. Rang / nach Überarbeitung / Zuschlag

Preisgeld: 75.000 EUR

Franz&Sue

Architektur

Schenker Salvi Weber ZT GmbH

Architektur

bbz landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Buro Happold

Bauingenieurwesen

CES clean energy solutions GesmbH

Energieplanung

merz kley partner

Tragwerksplanung

Ingenieurbüro Seidel

Bauphysik

Erläuterungstext

Der Kreislauf des Lebens


Die ARGE Franz&Sue und Schenker Salvi Weber hat im Architekturwettbewerb der Berliner Stadtreinigung (BSR) den ersten Platz geholt! Sichtbarkeit in der Stadt und eine komplette neue Arbeitswelt sollten unter möglichst nachhaltigen Kriterien geschaffen werden. Ein Dreivierteljahr haben die beiden Wiener Architekturbüros viel Herzblut in den Entwurf für den geplanten Neubau dieser großen deutschen Institution gelegt. Immerhin zählt das Unternehmen mit mehr als 6.000 MitarbeiterInnen zu den größten Arbeitgebern Berlins. 


Leuchtturm des Quartiers

An einem Knotenpunkt in der Stadt – bei der S-Bahn- und Fernbahn-Station Südkreuz – entstand in den vergangenen Jahren ein neues Viertel – die Schöneberger Linse. Hunderte Wohnungen, etliche Bürogebäude, Kindergärten und Schulen sind hier bereits fertiggestellt worden. Nur eine Fläche liegt asphaltiert brach und wartet darauf, das Grande Finale für das Stadtentwicklungsgebiet einzuläuten. Auf diesem Grundstück soll eine neue Unternehmenszentrale der BSR entstehen, hier wird sich das Viertel für seine BesucherInnen öffnen, hier soll ein Leuchtturm fürs Quartier heranwachsen.


„Es freut uns, dass wir an dieser neuralgischen städtebaulichen Stelle mit einem markanten, offen strukturierten Stadtbaustein das Quartier Südkreuz erweitern und vernetzen dürfen.“

Thomas Weber, Partner Schenker Salvi Weber


Willkommen, liebe Nachbarschaft!

Dabei soll nur ein Teil des Projektes als BSR-Zentrale genutzt werden – mehr als die Hälfte der Fläche soll zukünftig anderen Firmen zur Verfügung stehen. Um eine klare Trennung und einen Quartiersplatz zu schaffen, entzweien wir die Baukörper: Ein Gebäude für die Stadtreinigung im nördlichen Teil mit sieben Stockwerken und eines mit angeschlossenem 17-stöckigen Hochhaus mit Gewerbeflächen, Cafeteria und Konferenzräumen im südlichen Teil. Wichtig sind uns dabei der Campusgedanke, ein verbindendes Erdgeschoß und ein Quartiersplatz mit begrünten Aufenthaltsbereichen, der die Menschen ins Viertel lotst.

 

Ein Umweltlehrpfad führt quer über das Grundstück, hier sollen Themen wie Kreislaufwirtschaft und Recycling erläutert werden. Denn die BSR ist ein bodenständiges Unternehmen, das offen für BesucherInnen und AnrainerInnen ist und die Nähe zum Viertel sucht. Daher planen wir ein extrovertiertes Gebäude – jedes Büro öffnet sich zur Stadt, alle MitarbeiterInnen haben einen Blick auf das urbane Leben. Hierfür haben wir die Kubatur mehrfach eingeschnitten und die Fassadenfläche maximiert. Nun schlängelt sich ein sechs Meter breites Band aus Büroflächen die Fassade entlang, mit Ecken und Kanten, für optimale natürliche Belichtung.

 

„Die städtebaulichen Figur wird zum einen den Stadtraum der Schöneberger Linse gegenüber dem Bahnhof Südkreuz so überraschend wie sinnvoll und angemessen abschließen und zugleich als Garant für eine angemessene bauliche Weiterentwicklung am Ort angesehen.“ Auszug aus dem Juryprotokoll

 

Die neue Flexibilität in Holzhybrid

 

Zusätzlich haben wir die Büroräume innerhalb des Bandes so angeordnet, dass 400 m2 große Einheiten entstehen, die zu- oder weggeschaltet werden können. Wenn die BSR also aufgrund von steigendem Home-Office-Interesse weniger Vor-Ort-Arbeitsplätze für die eigenen MitarbeiterInnen benötigt, können auch hier Einheiten fremdvermietet werden. Hierfür haben wir jeden Arm mit einem Zu- und Ausgang konzipiert sowie einem Sanitär- und Technikkern. In der Mitte der Büroeinheiten entstehen kommunikative Zonen, Eltern-Kind-Büros, Ruhe- und Besprechungsräume sowie Kaffeeküchen. Jedes Stockwerk erhält abwechselnd ausgebildete Loggien, die sich witterungsgeschützt auch fürs Arbeiten im Freien eignen. Die versetzten Lufträume, die sich vom Foyer bis ins oberste Stockwerk ziehen, lockern auf und ziehen eine Lichtschneise von den Dachfenstern bis ins Erdgeschoß.

 

„Die Konstruktion ist in Holzhybrid geplant – Errichtung, Betrieb und irgendwann auch der Rückbau sind nachhaltig konzipiert und entsprechen den Unternehmenswerten unserer Auftraggeberin.“

Elisabeth Nobl, Projektleiterin Franz&Sue

 

Möglich ist diese Flexibilität durch die gewählte Konstruktion: Stahlbetonkerne erlauben große Spannweiten in den offenen Mittelzonen, das Sechs-Meter-Band mit den Büroeinheiten fußt auf einer Holzskelettbauweise. So spiegelt sich die Nutzung auch in der Bauweise wider. In Summe überwiegt jedoch der Holzbau – er macht zwei Drittel der Konstruktion aus. Neben Holz greifen wir auch auf andere nachhaltige Materialien zurück: Die Böden bestehen aus Recyclingziegel – dieser zieht sich vom Freiraum ins Innere, auch das große Foyer ist damit verkleidet. Die Fassaden bestehen aus Keramikpaneelen, die modulartig an die Holzkonstruktion gehängt werden. Hier unterscheiden sich die beiden Gebäudeteile nur durch minimale geometrische und farbliche Nuancen–die Wahrnehmung als Ensemble ist uns wichtig.

 

„Ausnahmslos alle Arbeitsplätze haben einen hervorragenden Außenbezug.“ Auszug aus dem Juryprotokoll


Nachwachsend, wiederverwendbar, erneuerbar

Natürlich ist einem Unternehmen der Kreislaufwirtschaft besonders wichtig, vom Ursprung zum Ursprung zu arbeiten. Dieses Konzept verfolgen wir mit unserem Gebäude gleich auf mehreren Ebenen, etwa beim Wasserkreislauf: Regenwasser staut sich in Retentionsbereichen auf dem Dach an, wird aufbereitet, in unterirdischen Zisternen gesammelt und dann für Bewässerung und Toilettenspülung benutzt. Oder bei der Energieversorgung: 60 Prozent der Dachfläche bestehen aus Fotovoltaik-Modulen, die Strom erzeugen. Überschussiger Solarstrom speist sich ins Netz ein. Erdwärmepumpen holen die Wärme aus dem Boden, der Strom aus den PV-Anlagen treibt sie an. Durch die verwendeten Materialien wird das Gebäude zum Baustofflager der Zukunft, denn es kann rückgebaut, die Materialien wiederverwendet werden. Vom Ursprung zum Ursprung eben. So setzt die BSR ein Statement, was nachhaltige Kreislauft- und Ressourcenwirtschaft betrifft. Nicht nur durch die Architektur, sondern auch durch die Offenheit gegenüber der Bevölkerung.


„Der Entwurf setzt den hohen ökonomischen, ökologischen und sozialen Anspruch unseres Unternehmens hervorragend um. Er präsentiert die BSR als aktive Gestalterin einer nachhaltigen Gegenwart und Zukunft.“

Werner Kehren, BSR-Finanzvorstand und Jury-Mitglied

Beurteilung durch das Preisgericht

Entwurfsidee und städtebauliche Einbindung

Die mäandrierende Großform überzeugt durch unterschiedliche Einschnitte, die differenzierte Außenbereiche und Höfe ausbilden. Die Außenräume weisen eine hohe Gestaltungs- und Aufenthaltsqualität auf. Zum westlichen Quartiersweg ist die Großform dominant, macht aber räumliche Angebote an die Nachbarschaft, zur Wilhelm-Kabus-Straße entsteht ein städtischer und attraktiver Stadtplatz. Hier, wie auch zur Ella-Barowsky-Straße sind verschiedene gastronomische Angebote untergebracht, die den ‚Campus Südkreuz‘ für die Öffentlichkeit attraktiv machen. Die planungsrechtlichen Vorgaben werden eingehalten. 


Adressbildung

Durch den zentralen Stadtplatz, von dem die Haupterschließung der BSR erfolgt, wird eine gute Adressbildung für die BSR ermöglicht. Idealerweise sollten auch der Mustermüllstandort und der Beginn des Umweltlehrpfades hier angesiedelt sein. Die Adressbildung muss jedoch durch die deutliche Formulierung oder Trennung der Baukörper (Bauteil A und B) unter Wahrung des Raumprogramms und der innenräumlichen Qualitäten deutlich verbessert werden. Hierzu gehört auch eine differenziertere Gestaltung der Fassaden der beiden Baukörper. Die Durchwegung des Areals und Trennung der Baukörper im EG und 1.OG wird als positiv angesehen.


Erschließung

Die Erschließung des Grundstücks ist durch eine Umfahrung gut gewährleistet, die Anlieferung erfolgt über die Tiefgarage. Positiv sind die separate Rampe und Stellplatzlösung für Fahrradfahrer im UG.


Funktionalität / Nutzung

Die Qualität und Gestaltung der Arbeitswelten wird als hervorragend angesehen, da sie für die Gemeinschaftsbereiche (Sonderflächen) eine kommunikative Mitte herstellen und insgesamt gleichwertige Arbeitsplätze mit Außenraumbezug sicherstellen. Die starke Verflechtung von Innen- und Außenraum sowie die Materialität mit holz- und ziegelsichtigen Oberflächen wird als angenehm und angemessen angesehen. 


Material, Konstruktion und Wirtschaftlichkeit

Die reine Holzbauweise ist in Bezug auf Brandschutz, Erschütterungsanfälligkeit und Kosten problematisch. Die fehlenden Angaben zu den Spannweiten sind zur Bewertung des Erschütterungsschutzes nachzuliefern, alternativ sollte eine alternative Konstruktion geprüft werden. 


Fassade

Die thermische Hülle besteht aus einem Leichtmetall-System mit konventionellen Bauteilen für die natürliche Lüftung und den Sonnenschutz. Zusätzlich sind vorgelagerte Lärm- und Sonnenschutzelemente aus recyceltem Ziegel vorgesehen. Gestaltung und Konstruktion der Fassade werden im Hinblick auf Gewicht, Tiefe und Komplexität kritisch gesehen, hier sollte über eine Optimierung der Konstruktion nachgedacht werden. Zur Herstellung der Wirtschaftlichkeit wäre auch eine Reduzierung der Flächen im Bauteil A (BSR) erforderlich.


Nachhaltigkeit, Energie und Kreislauffähigkeit

Der Entwurf überzeugt durch seine Ansätze zu den Stoffkreisläufen. Das Thema Ziegel-Recyling sollte weiter dargestellt werden, so etwa auch die funktionale Integration in die thermische Hülle, die auch zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit genutzt werden könnte. Die gebäudetechnische Versorgung und Integration, die vorrangig über die Fußböden erfolgen soll, wird als kritisch angesehen und ist hinsichtlich der Konstruktionshöhen weiter zu detaillieren. 


Fazit

Der Entwurf überzeugt in vielerlei Hinsicht, wobei insbesondere die Qualität und Gestaltung der Arbeitsbereiche hervorgehoben wird sowie das stadträumliche Angebot bei Einhaltung der planungsrechtlichen Vorgaben. Eine deutlichere Formulierung oder aber Trennung der Bauteil A und B wird als möglich erachtet.

BSR Außenansicht 2

BSR Außenansicht 2

BSR Innen Foyer

BSR Innen Foyer

BSR Innen Sonderfläche

BSR Innen Sonderfläche

Lageplan

Lageplan

EG

EG

BSR Lageplan

BSR Lageplan

BSR Grundriss

BSR Grundriss

BSR Schnitt

BSR Schnitt

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

Modell

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