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Offener Wettbewerb | 05/2022

Gestaltung Kerngelände Landesgartenschau 2028 in Rottweil

Stadtgarten mit Kaskadenweg

Stadtgarten mit Kaskadenweg

1. Preis

Preisgeld: 67.000 EUR

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur

Swillus Architekten

Architektur

Buro Happold

Tragwerksplanung

Filon Architekturvisualisierung & Bildbastelei

Visualisierung

Erläuterungstext

Stadtblick und Landschaftspanorama

Die historische Altstadt von Rottweil thront auf einem Felssporn hoch oben über dem Neckar. Diese dramatische Situation ist nahezu einzigartig in Deutschland. Der Neckar vor den Toren der Stadt ist für die Bürger Rottweils seit jeher landschaftlicher Sehnsuchtsort, der jedoch nur auf mühevollen Umwegen zu erreichen ist. Mit der Revitalisierung der Neckarschleifen soll das Naturerlebnis noch einmal intensiviert werden und die Flusslandschaft in den Vordergrund des übergeordneten Gestaltungskonzepts rücken. Die Verzahnung dieser zwei Welten über eine neu geschaffene Fuß- und Radwegebrücke über die Bahngleise und den Neckar ist eines der Kernanliegen der Landesgartenschau 2028. Auf der anderen Neckarseite bildet eine breite Panoramapromenade den baulichen Abschluss. Sie definiert den östlichen Parkrand und schafft eine abwechslungsreiche Abfolge von Aussichtspunkten. Der Zwischenbereich wird bewusst offen gehalten und dient als grüne Kulisse vor dem markanten Altstadtpanorama.


Stadtgraben mit Kaskadenweg

Der Stadtgarten als Teil des ehemaligen Festungsrings wird in seiner Funktion als ruhige Grünfläche am Rande der Altstadt gestärkt. Die langgezogene Grünfläche in Verlängerung des Stadtgrabens erhält einen markanten platzartigen Abschluss. Die in die Jahre gekommene Konzertmuschel wird durch ein neues Bühnenbauwerk ersetzt und in eine leicht vertiefte Platzfläche integriert. Die leicht geneigten Rasenflächen mit Sitzbänken können gut als Tribünenflächen für Veranstaltungen genutzt werden. Die Hochmaiengasse wird als Barriere zwischen den Parkteilen zurückgebaut und auf eine schmale Durchgangsstraße ohne Parkierungsflächen reduziert.

 

An der oberen Böschungskante zum Stadtgraben wir ein balkonartiger Auftakt ausgebildet. Von hier aus steigt man über ein verspringendes System aus Treppen und Terrassen in den sich dramatisch verengenden Stadtgraben hinab. Dem Besucher eröffnet sich eine geheimnisvoll romantische Welt aus lichtem Schatten und diversen Grünschattierungen, entsprechend einer bewaldeten Felsschlucht aus moosbewachsenen Gesteinsbrocken und Farnen. Zwischenniveaus mit Sitzblöcken erlauben kleine Orte zum Verweilen. Die vorhandene Kugelbrunnenanlage entfällt zugunsten eines übergeordneten Gestaltungsthemas mit dem Element Wasser. Ein in den Boden eingelassenes Wasserbecken betont die Zwischenebene und schafft einen ruhigen Wolkenspiegel. Der weitere Weg von der Zwischenebene ins Tal wird vom Rauschen kleiner Bachläufe begleitet, die sich kaskadenartig zwischen Felsbrocken hindurchwinden. An der Talsohle wird das austretende Hangwasser in einem künstlichen Bachlauf gesammelt, der sich als mäandrierende Linie durch den Wiesenraum zieht. Vereinzelte Pflanzinseln mit Gräsern und Uferstauden begleiten den Bachlauf. Das Retentionsbecken markiert das Ende des Tals und betont ein wichtiges Wegegelenk.

 

Die Zwischenebene auf halber Höhe im Hang wird über eine Rampe barrierefrei an die Stadtgrabenstraße angebunden. Entlang der historischen Befestigungsmauer südlich der Altstadt führt ein Promenadenweg, mit einer leichten Stegkonstruktion rund um den steinernen Brückenpfeiler der Hochbrücke. Ein Aufzug östlich der Brücke ermöglicht eine direkte barrierefreie Verbindung zwischen Altstadt und Stadtgraben. In direkter Verlängerung des Promenadenwegs führt die neue Neckarbrücke als gerade Linie über das Neckartal bis auf die andere Flussseite. Der enge Zusammenhang zwischen Altstadtsporn und Flussniederung wird durch diese Geste gestärkt. Entlang des östlichen Felshangs werden die vorhandenen Pfade zu schmalen Wegen ausgebaut, die punktuell durch Stützmauern ergänzt werden. Wegebegleitende Strukturen schaffen schmale Balkone und Staudenbänder auf unterschiedlichen Ebenen.

 

Die Parkanlagen am Fuße der Altstadt dienen stärker dem alltäglichen Bedarf nach Bewegung und Aufenthalt im Grünen und werden zu einem stadtnahen Bürgerpark mit vielfältigem Angebot ausgebaut. Mehrere Wegeschleifen verbinden die unterschiedlichen Parkebenen miteinander und definieren einen Parkeingang nach Osten in Richtung Bahnhof. Ein zentraler Trendsportbereich schafft eine wichtige Attraktion im Bürgerpark. Eine bis zu 3,50m ansteigende Stützmauer fasst den abgeflachten Sportbereich. Die höchsten Mauersegmente werden als modellierte Boulderwand ausgebaut. Ergänzt wird die Fläche um ein Streetballfeld, Parcour-Elemente und Sitztribünen. Die bestehende Bahnunterführung wird in das neue Wegelayout eingepasst. Der Ringbahnhalt ist als Platzfläche entlang der Gleise vorgesehen.

 

Panoramapromenade mit Stadtblick

Die Panoramapromenade schafft einen markanten Abschluss des Wiesenparks. Die Hangkante oberhalb der Streuobstwiesen wird als bauliche Klammer aus ineinander geschobenen Terrassenebenen mit leichtem Höhenversatz ausgebildet. Ein Bewegungsband zieht sich als breite Hauptlinie durch die Promenade und verbindet den nördlichen Flussbalkon an der Schindelbrücke mit den tiefer liegenden Neckarstufen im Süden auf dem ehemaligen ENRW-Gelände. An dieses zentrale Bewegungsband aus Asphalt mit mineralischer Abstreu lagern sich beidseitig Nutzungsstreifen mit Aufenthaltsbereichen und Bewegungsangeboten an. Spielelemente greifen Themen der Agrarlandschaft auf. Eine breite Aussichtsterrasse mit langen Sitzstufen ist direkt auf das markante Altstadtpanorama ausgerichtet.

 

Die vorgelagerten Streuobstwiesen sind bewusst offen gehalten und werden nur durch drei schmale Wegebänder durchschnitten, die mit kleinen Stegen direkt an der Wasserkante enden. Das südliche Wegeband entlang des Auwäldchens wird als Brücke bis auf die andere Neckarseite verlängert. Auf den Wiesen verteilen sich Picknickbereiche, naturnahe Spielelemente aber auch Animal-Aided-Design-Objekte wie Insektenhotels. Flussbegleitend schließt ein extensives Wegeband aus wassergebundener Decke die Rundwegeschleife auf östlicher Neckarseite. Rund um die Neckarbrücke wird ein Auwaldfragment als wertvoller Naturraum erhalten. Der südliche Bereich bis zum ENRW-Gelände wird als Feuchtbiotop und Retentionsraum erhalten und lediglich durch einen schmalen Holzsteg erschlossen. Somit ergibt sich entlang der Promenadenabwicklung eine interessante Abfolge charakteristischer Landschaftsräume mit ganz unterschiedlichen Qualitäten. Das Gebäude des ehemaligen Wasserkraftwerks wird als Gastronomie und Veranstaltungsort ausgebaut. Ein stimmungsvoller Biergarten orientiert sich in Richtung Neckar und Sitzstufen vermitteln bis zur Uferkante. Auf Höhe des ehemaligen Wehrs führt eine neue Fußgängerbrücke über den Neckar.

 

Flussauen mit Neckarstrand

Die Neckarschleifen von der Prim-Mündung bis zur Schindelbrücke werden revitalisiert und die Bachufer naturnah ausgebildet. In die Uferbereiche wird lediglich punktuell eingegriffen. Ein 4m breites Wegeband für Radfahrer und Fußgänger zeichnet in einem langen Bogen den Neckarverlauf nach und legt sich in den schmalen Bereich zwischen Bahngleisen und Flussauen. Kleine Flussbalkone schaffen in einem losen Rhythmus Aufenthaltsbereiche am Wasser und intensivieren das Naturerlebnis. Das als Eisenbahnmuseum genutzte Bahngebäude wird über eine extensiv gestaltete Vorzone an das übergeordnete Wegeband angebunden.

 

Der Bereich unterhalb des Viadukts wird als Freizeitbereich mit Strand und engem Bezug zu den Flussufern ausgebaut. Eine platzartige Intarsie teilt den Hauptweg und betont einen stimmungsvollen Biergarten unter Bäumen. Das Bestandsgebäude des Gaslagers wird zurückgebaut, die Asphaltdecke jedoch als effektive Bodenschutzschicht erhalten. Neue Wegebeläge werden oberhalb aufgebracht, ebenfalls der Sandspielbereich. Dadurch werden Niederschlagseinträge in den Boden reduziert und der Eintrag von gefährdenden Stoffen in den Neckar vermieden.

Ein breites Holzdeck betont die Kante zum Neckarstrand mit Beachvolleyballanlage und schafft einen attraktiven Aufenthaltsort insbesondere in den Abendstunden. Sitzobjekte und Sonnenliegen ergänzen das Angebot, einzelne Sitzstufen aus Beton vermitteln zum Flussraum.

 

Neues Wahrzeichen Neckarbrücke

Die Neckarbrücke verbindet als 211m langer und 4m breiter Steg die östlich des Neckars entstehende Parkanlage mit der historischen Altstadt. In einer Höhe von bis zu 19 m überquert die Fuß- und Radwegebrücke das Tal als Konstruktion aus einem blockverleimten Holzträger in Form eines gevouteten Mehrfeldträgers über 7 Felder mit Einzelstützweiten bis 34m. Sechs im Querschnitt Y-förmige Stahlstützen mit einer Höhe zwischen 10-18m tragen den Überbau, der das Thema der Viaduktbögen neu interpretiert. Das Längsgefälle beträgt 5%, horizontale Verweilpodeste machen den Steg barrierefrei und schaffen Aufenthaltsqualität mit herrlichem Blick auf Altstadt und Neckar.

 

Ausstellungskonzept

Die Aspekte Nachhaltigkeit und Schutz wertvoller Ressourcen nehmen bei der Gartenschaukonzeption ebenso einen zentralen Stellenwert ein wie die respektvolle Ergänzung historischer Strukturen. In den Themengärten werden zukunftweisende Themen wie Wassermanagement, Phytoremedation, Klimaresilienz und Artenvielfalt präsentiert. Das Thema Nachhaltigkeit zieht sich als übergeordnetes Thema durch sämtliche Ausstellungsinhalte und schafft einen eigenständigen Erzählstrang.

 

Das Gartenschaugelände besteht aus zwei Hauptbereichen – die Parkanlagen am Fuße der Altstadt als innenstadtnaher Bürgerpark und der Wiesenpark mit Panoramapromenade auf der anderen Neckarseite. Verbunden werden die beiden Teilbereiche über die spektakuläre neue Neckarbrücke. Die Hauptzugänge erfolgen stadtseitig über zwei Eingangsbereiche am Stadtgarten und am Konvikt. Barrierefreie Anbindungen aus der wesentlich höher liegenden Altstadt auf dem Felssporn werden über zwei Aufzüge und die Stadtmauerpromenade/Neckarbrücke sichergestellt. Die Wegesysteme lassen sich zu Rundwegeschleifen in unterschiedlicher Thematik und Länge verbinden.

 

Die Hauptausstellungsbereiche sind auf östlicher Neckarseite der Panoramapromenade vorgelagert. Hier wird ein Großteil der Ausstellungsbeiträge und Verbandsgärten konzentriert. Es wird aber ein großzügiger Abstand zu den Flussauen gewahrt, markiert durch ein bewegtes Blütenband. Entlang des revitalisierten Neckars gliedern sich kleinere Stationen zu Naturbeobachtung und Umweltthemen an. Ein weiterer Schwerpunkt mit Themengärten bettet sich in die Lichtungen der Parkanlage rund um die Altstadt ein. Verschiedene Garten-Cluster schaffen differenzierte Themenwelten. Das dramatisch aufragende Kliff der Altstadt wird zur Zeit der Gartenschau als farbenfroher Blütenhang ausgebaut, mit wegebegleitenden Pflanzungen, deren hängende Wuchsformen den schroffen Felshang mit einem leichten Blütenschleier überspielen. Kleine überkragende Balkone ermöglichen weite Blicke in die Landschaft.

 

Das ENRW-Gelände ist wichtiger Anlaufpunkt mit Gastronomie und Terrassen direkt am Neckarufer. Eine temporäre Neckarbühne wird auf dem Gelände des ehemaligen Gaslagers verortet mit dem Viadukt als eindrucksvoller Kulisse im Rücken. Zusammen mit dem Biergarten ergibt sich ein stimmungsvoller Baustein mit guter Anbindung an die Innenstadt (Aufzug). Eine kleinere Stadtbühne wird am Ende des Stadtgartens auf Altstadtniveau verortet. Ergänzende Nutzungsbausteine wie Beachvolleyball, Parcour-Anlage oder Spielplätze werden dauerhaft ins Parklayout integriert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Dem Verfasser gelingt es, die landschaftlichen Potentiale des Neckartales in vortrefflicher Weise her-auszuarbeiten. Die Revitalisierung des Neckar findet sich als Hauptelement des neuen Landschaftsparks. Die Verfasser gehen sehr sensibel mit der Topografie des Ortes um und setzen die Bereiche, die aktiv bespielt werden, an die richtigen Stellen.  Beginnend im Stadtgarten mit Parkbühne ist die platzartige Aufweitung der Hochmaiengasse ein gelungener Auftakt in den Stadtgraben. Von dort gelingt eine barrierefreie Anbindung an und um die Hochbrücke, die wiederum durch eine angelegte Treppenanlage an die Hochbrücktorstraße angebunden ist. Mit dieser Treppenanlage über dem Löwenmaul gelingt ein überraschender, attraktiver und selbstverständlicher Zugang hoch über dem Talgrund.  Die elegante Stegbrücke in Fortführung an die Treppe erscheint in der Lage richtig und ist eine wichtige Anbindung in die Neckaraue.

Das landschaftliche Willkommen auf der Gegenseite über die Tafelgasse zum Langen Berg wirkt zusammen mit der Promenade sehr einladend und stimmig.  Ein Aufzug ergänzt die Erschließung an der Hochbrücke, die Lage sollte überprüft werden und könnte näher zur Treppenanlage erfolgen. Der Stadtgraben selbst zeigt eine ruhige Grünstruktur im Talgrund, dessen Hang zur Stadtseite passend zur Südexposition und wenig bewachsen die Stadt zur Geltung bringt, während der schattige Gegenhang entsprechend der natürlichen Vegetation dicht baumbestanden ist.  Die vorgeschlagenen Wegeführungen und -verbindungen sind insgesamt schlüssig.

Die neue Anbindung an den Bahnhof mit Weiterführung durch den Stadtgraben ist gelungen. Der geplante Ringzug-halt fügt sich ein und die wichtige Zuwegung zum Innenhof Spital schafft einen besonderen Aufenthaltsort mit Blick in den neuen Park.  Die Unterführung erhält durch die beidseitige Bespielung des Freiraumes mit attraktiver Spiel- und Aufenthaltsqualität und der Verkürzung auf der Radwegeseite die notwendige Aufwertung und Belebung (Sicherheit). Der Radweg auf den ehemaligen Gleisanlagen erhält eine wohltuende Baumgliederung und fasst den Prallhang des Neckars, während auf der anderen Seite für das Gewässer neues Potential für Retention und Gewässerökologie entsteht.  

Der einladende, ordnende und gut platzierte Panoramaweg fasst die großzügige Wiesenlandschaft zwischen Schindelbrücke und ENRW-Gelände und bietet in Verbindung mit einer vielseitigen Aufenthaltsqualität einen überraschenden Blick auf die Neckarwiesen und die Stadtsilhouette.  

Die Freiraumgestaltung am ehemaligen Gaswerk mit Kultur- bzw. Sportangebot ist dem Grunde nach gelungen. Abbruch des Gebäudes am ehemaligen Gaswerk und die Dichte der Gestaltung in der Fläche sollten hier jedoch hinterfragt werden.

Der Aufzug sollte in oder zumindest näher zum Felsen gerückt werden.  Der Entwurf findet in Summe eine exzellente, zusammenführende Antwort auf die vielen verschiedenen Fragestellungen, die ein sehr wertiges Gesamtbild mit einer gelungenen Verknüpfung von Innenstadt und Neckar ergeben.

Uferweg am Neckarstrand

Uferweg am Neckarstrand

Panoramapromenade mit Stadtblick

Panoramapromenade mit Stadtblick

Lageplan_Vertiefungsbereich Daueranlagen

Lageplan_Vertiefungsbereich Daueranlagen